St-Merry (Paris)

St-Merry (Paris)
Katholische Pfarrkirche Saint-Merry, Ansicht von Nordosten
Fries mit der Darstellung des hl. Medericus, im Langhaus unter den Obergadenfenstern

Die katholische Pfarrkirche Saint-Merry oder Saint-Merri wurde zu Beginn des 16. Jahrhunderts im Stil der Spätgotik an der Stelle einer Kapelle aus dem 7. Jahrhundert errichtet. Dort wurde um 700 der hl. Medericus bestattet, nach dem die Kirche benannt ist. Die Eingänge befinden sich 76, rue de la Verrerie und 78, rue Saint-Martin im 4. Arrondissement von Paris. Die nächsten Metrostationen sind Hôtel de Ville oder Châtelet der Linien 1, 4 und 11.

Medaillon eines Bleiglasfensters aus dem 16. Jahrhundert in der Scheitelkapelle des Chores mit der Darstellung des hl. Medericus

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Nach der Legende ließ sich im 7. Jahrhundert in der Nähe einer dem Apostel Petrus geweihten Kapelle der hl. Medericus, später Merry genannt, als Eremit nieder, in der er nach seinem Tod beigesetzt wurde. Zu Beginn des 10. Jahrhunderts errichtete man an ihrer Stelle eine den beiden Heiligen, Petrus und Merry, geweihte Kirche, die im 11. Jahrhundert zur Pfarrkirche erhoben wurde. Das Patrozinium des hl. Petrus geriet im Lauf der Zeit in Vergessenheit. Der hl. Medericus wurde zum Schutzpatron des Rive Droite, des nördlich der Seine gelegenen Stadtgebiets von Paris.

Um 1200 folgte ein weiterer Neubau, den man zwischen 1515 und 1552 durch das heutige Gebäude ersetzte. 1612 wurde der Turm um eine Etage erhöht. Im 18. Jahrhundert wurde die Kirche im Stil der Zeit umgebaut. Der Lettner wurde abgerissen, das Mobiliar erneuert und die Renaissancefenster zum großen Teil durch farbloses Glas ersetzt. Ab 1744 wurde nach den Plänen des Architekten Germain Boffrand an der Stelle des Beinhauses aus dem 16. Jahrhundert die Kommunionkapelle errichtet.

Während der Revolution von 1789 wurde die Kirche geschlossen und als Salpeterfabrik zweckentfremdet. Zeitweise wurde sie von den Anhängern der Theophilanthropie als Tempel genutzt, bis sie ab 1803 wieder als katholische Kirche diente.

1862 wurde die Kirche in die Liste der französischen Kulturdenkmäler als Monument historique aufgenommen.

Innenraum mit Blick zum Chor

Architektur

Obwohl die Bauzeit der Kirche der Epoche der Renaissance angehört, ist Saint-Merry im Stil der Spätgotik, im sogenannten Flamboyant-Stil, errichtet.

Außenbau

Der Haupteingang befindet sich an der Westfassade in der Rue Saint-Martin. Zwei mächtige Strebepfeiler trennen die beiden Seitenportale vom Mittelportal. Über dem rechten Seitenportal erhebt sich der quadratische Turm, der seit dem Brand von 1871 wieder seine ursrprüngliche Höhe von zwei Stockwerken aufweist. Ein schmaler, achteckiger Turm über dem linken Seitenportal besitzt eine Glocke von 1331, die als die älteste Glocke von Paris gilt. Die Skulpturen der mit Blatt- und Tierfriesen, Kreuzblumen und Arkaturen verzierten Fassade wurden während der Revolution zerstört und 1842 von Joseph Brun und Louis Desprez (1799−1870) neu geschaffen.

Innenraum

Das Langhaus ist mit einem Kreuzrippengewölbe gedeckt und erstreckt sich über fünf Joche. An das Mittelschiff schließen sich ein nördliches und zwei südliche Seitenschiffe an. Unterhalb der Obergadenfenster verläuft ein Fries aus Blattwerk und Tieren, in dem vier liegende Personen zu erkennen sind: auf der linken Seite der hl. Medericus und Moses, auf der rechten Seite der Apostel Petrus und Aaron.

Unter dem nördlichen Querhaus befindet sich die Krypta mit den Gebeinen des hl. Merry, die seit 1884 in einem Reliquienschrein ruhen.

Der Chor weist fast die gleich Länge wie das Langhaus auf. Die Rundbogenarkaden und die mit Marmor und Stuck verkleideten Pfeiler gehen wie der Marmorfußboden auf die barocke Umgestaltung im 18. Jahrhundert zurück. Die Ausmalung der Kapellen des Chorumgangs stammt aus dem 19. Jahrhundert.

Ausstattung

Das Taufbecken trägt die Wappen des Königs Ludwig XII. und seiner Gemahlin Anna von Bretagne.

Die Kanzel, deren Schalldeckel von einem Engel bekrönt ist und von stilisierten Palmen gestützt wird, ist ein Werk des 18. Jahrhunderts.

Das Gemälde Der heilige Karl Borromäus von Carle van Loo wurde 1970 aus der Kirche gestohlen. Folgende Gemälde befinden sich in der Kirche:

Bleiglasfenster im Chor aus dem 1. Viertel des 16. Jahrhunderts mit Darstellung der Kreuzabnahme
Fenster in der Apsis mit der Darstellung des auferstandenen Christus

Bleiglasfenster

Die oberen Fenster des Langhauses und des Chores stammen noch aus dem 16. Jahrhundert. Sie stellen auf der Nordseite des Hauptschiffes Szenen aus dem Leben der Maria Magdalena, aus dem öffentlichen Auftreten Jesu, aus der Geschichte des Johannes des Täufers und des Apostels Thomas dar. Die Fenster auf der Südseite sind dem Leben des hl. Nikolaus, des Franz von Assisi, der hl. Agnes und der Jungfrau Maria gewidmet. Die oberen nördlichen Chorfenster haben die Geschichte Josefs in Ägypten zum Thema. Die südlichen Chorfenster stellen Szenen aus dem Leben des Apostels Petrus dar.

Die beiden Fenster in der Scheitelkapelle des Chores bestehen aus je 14 ovalen Medaillons mit figürlichen Darstellungen aus dem 16. Jahrhundert, die im 19. Jahrhundert von Prosper Lafaye restauriert und wieder neu zusammengesetzt wurden. Die Medaillons des linken Fensters stellen im unteren Bereich fünf Heilige (die Apostel Petrus, Andreas und Paulus, Johannes den Täufer, hl. Merry) und sechs Sibyllen dar und im oberen Bereich den Erzengel Michael, der den Drachen besiegt, sowie die Jünger am Ölberg. Auf den Medaillons des rechten Fensters sind Szenen aus dem Marienleben dargestellt, drei Sybillen und ein Bischof. Ein Medaillon im oberen Abschluss ist Christus am Ölberg gewidmet.

Die zentralen Fenster der Apsis haben die Auferstehung Christi zum Thema und wurden im 19. Jahrhundert nach den Kartons von Claudius Lavergne ausgeführt. In der Mitte wird der auferstandene Christus in einer Mandorla dargestellt, über dem der Heilige Geist und Gottvater schweben. Die seitlichen Szenen schildern die Begegnung Jesu nach seiner Auferstehung mit Maria Magdalena (Noli me tangere) und dem ungläubigen Thomas.

Blick auf die Orgel

Orgel

Die Orgel wurde 1647 bis 1650 von Jean und François de Heman gebaut. Der Orgelprospekt, der von zwei Engelsfiguren gestützt wird, stammt aus der gleichen Zeit und ist ein Werk des Schreinermeisters Germain Pilon (auch Pillon). Die Orgelempore wurde 1755 von Michel-Ange Slodtz geschaffen. Sie ruht auf vier kannelierten Holzpfeilern mit ionischen Kapitellen. 1779 wurde die Orgel von François-Henri Clicquot erweitert. 1855 bis 1857 wurde sie von Aristide Cavaillé-Coll und 1947 von Victor Gonzalez umgebaut.

Von 1853 bis 1857 war der Komponist Camille Saint-Saëns Organist in der Pfarrkirche Saint-Merry. Weitere Organisten waren Nicolas Antoine Le Bègue, Jean-François Dandrieu, Charles-Alexis Chauvet und Norbert Dufourcq.[1]

I Positif C–g3
Montre 8′
Bourdon 8′
Prestant 4′
Nasard 22/3
Doublette 2′
Tierce 13/5
Larigot 11/3
Plein-Jeu IV
Cymbale II
Trompette 8′
Cromorne 8′
Clairon 4′
II Grand Orgue C–g3
Montre 16′
Bourdon 16′
Montre 8′
Bourdon 8′
Flûte 8′
Flûte 4′
Nasard 22/3
Doublette 2′
Tierce 13/5
CornetV 8′
Fourniture IV
Cymbale III
Bombarde 16′
Trompette 8′
Clairon 4′
III Récit expressif C–g3
Quintaton 16′
Principal 8′
Dulciane 8′
Voix céleste 8′
Bourdon 8′
Flûte 4′
Viole 4′
Doublette 2′
Plein-Jeu IV
Cymbale III
Bombarde 16′
Trompette 8′
Hautbois 8′
Clairon 4′
IV Echo C–g3
Flûte 8′
Flûte 4′
Quarte 2′
Sesquialtera II
Cymbale II
Hautbois 8′
Voix humaine 8′
Pédale C–f1
Soubasse 32′
Montre 16′
Soubasse 16′
Flûte 16′
Principal 8′
Bourdon 8′
Flûte 8′
Principal 4′
Flûte 4′
Principal 2′
Fourniture V
Cornet II
Bombarde 16′
Trompette 8′
Clairon 4′
  • Koppeln: I/II, III/II, IV/II, III/I, IV/III, I/P, II/P, III/P, IV/P

Pfarrhaus

Das südlich an die Hauptfassade anschließende Pfarrhaus geht auf das 16. Jahrhundert zurück und wurde 1731 von Jean-François Blondel (1683−1756) umgebaut.

Literatur

  • Georges Brunel, Marie-Laure Deschamps-Bourgeon, Yves Gagneux: Dictionnaire des Églises de Paris. Éditions Hervas, Paris 2000, ISBN 2-903-118-77-9, S. 302−304.
  • Jean Colson, Marie-Christine Lauroa (Hrsg.): Dictionnaire des Monuments de Paris. Éditions Hervas, Paris 2003, ISBN 2-84334-001-2, S. 718−719.
  • Aline Dumoulin, Alexandra Ardisson, Jérôme Maingard, Murielle Antonello: Paris D'Église en Èglise. Éditions Massin, Paris 2008, ISBN 978-2-7072-0583-4, S. 82−85.
  • Elisabeth Pillet: Le vitrail à Paris au XIXe siècle. Presses Universitaires de Rennes, Rennes 2010, ISBN 978-2-7535-0945-0, S. 279−287.

Einzelnachweise

  1. Informationen zur Orgel

Weblinks

 Commons: Saint-Merry – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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