Taxigewerbe in Berlin

Taxigewerbe in Berlin

Das Berliner Taxigewerbe weist im Vergleich zum Taxigewerbe in anderen deutschen und europäischen Städten einige Besonderheiten auf.

Berlin ist die größte Stadt und die Hauptstadt Deutschlands, bedeutende Messestadt und mit über 20 Millionen Übernachtungen pro Jahr ein wichtiges Tourismus-Ziel.[1] Berlin hat mit über 7.600 Fahrzeugen die größte Taxi-Flotte in Deutschland.

Als ehemals geteilte Stadt gab es in Ost und West auch im Taxigewerbe getrennte Entwicklungen.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Im Januar 2011 gab es in Berlin rund 7.200 Taxis (Januar 2010: 7.010 und im Januar 2008: 6.831 Taxis).[2]. Sie fahren für rund 3.300 Taxi-Unternehmen, viele davon haben nur ein Taxi. In Berlin gibt es — im Gegensatz zu einigen anderen Städten — keine Zulassungsbeschränkung der Konzessionen.[3]

Berlin ist das Bundesland mit der geringsten PKW-Dichte pro Einwohner.[4] Gründe dafür dürften neben der geringen Kaufkraft und geringen Parkmöglichkeiten insbesondere die gut ausgebauten öffentlichen Verkehrsmittel — inklusive Taxi — sein.

Seit 1. Juli 2009[5] beträgt der Einsteigepreis 3,20 €, die ersten sieben Kilometer kosten 1,65 € pro Kilometer, danach fallen 1,28 € pro Kilometer an. Eine Kurzstrecke von bis zu zwei Kilometern kostet 4,00 €.[6] Darüber hinaus gibt es Gebühren für Wartezeit, mehr als vier Personen, bargeldlose Zahlung, sperrige Gepäckstücke und Einstieg am Flughafen Tegel.

Bei der Taxizentrale Taxi Berlin sind über 16.000 Fahrer registriert. In deutschland- und weltweiten Umfragen belegen Berliner Taxifahrer wiederholt Spitzenplätze.[7]

Die Nachfrage nach Taxis unterliegt nach Jahreszeit, Wochentag, Uhrzeit und Wetter großen Schwankungen. Darüber hinaus gibt es häufig Auftragsspitzen während der großen Messen — wie der Grünen Woche, Fruit Logistica, Bread & Butter, IFA oder ITB — sowie an Heiligabend und Silvester. Ganzjährig kommt ein großer Teil der Bestellungen aus den großen Vier- und Fünf-Sterne-Hotels der Stadt.

Geschichte

Die Rückkehr des „Eisernen Gustav“
Die erste Berliner Kraftdroschke, 1899

Die Innung des Berliner Taxigewerbes e.V. wurde 1956 in ihrer heutigen Form gegründet, Vorläufervereine gab es jedoch bereits seit 1900.[8]

Ein historisch bekannt gewordener Berliner Taxifahrer ist Gustav Hartmann (der „Eiserne Gustav“), der 1928 aus Protest gegen die Zustände im Droschkengewerbe von Berlin nach Paris fuhr und dessen Geschichte von Hans Fallada literarisch verarbeitet wurde.

Die erste Taxizentrale in West-Berlin — der Taxifunk Berlin eG („Ackermann-Funk“) mit der Telefonnummer 6902 — wurde im September 1959 in Betrieb genommen.

1971 wurde in Deutschland die Farbe „Hellelfenbein“ (RAL 1015) für Taxis vorgeschrieben. Dies gilt in Berlin nach wie vor, in einigen Teilen Deutschlands jedoch nicht mehr. Im Jahr 1975 wurde der Taxi Verband Berlin Brandenburg e.V. („TVB“, damals noch ohne „Brandenburg“ im Namen) gegründet.[9]

Bis zum Ende der DDR war West-Berlin eine politische Insel. Für Taxifahrer bedeutete dies, dass es keine Fahrten ins Umland wie in anderen Städten gab und die zurückgelegten Entfernungen nie sehr groß sein konnten. Ihre wirtschaftliche Lage war unter anderem aufgrund niedriger Treibstoffkosten und der Berlinzulage in der Regel gut, viele Studenten arbeiteten als Taxifahrer. Heute ist der Verdienst geringer und der Anteil von Geringqualifizierten und Migranten unter den Fahrern gestiegen.

Nach der Wiedervereinigung wurde allen Taxifahrern in beiden Teilen Berlins kurzerhand das Fahren im gesamten Stadtgebiet gestattet[10], obwohl die Ortskunde der jeweils anderen Hälfte sehr zu wünschen übrig ließ.

Neben kleineren Betrieben gab es im Ostteil der Stadt den großen „VEB Taxi“. 1990 wurde daraus die Taxizentrale „Taxiruf Spreefunk“. Anfang 2000 wurde der Spreefunk mit dem West-Berliner Ackermann-Funk zusammengelegt. Damit entstand eine große Taxizentrale mit Abdeckung im gesamten Stadtgebiet: TaxiFunk Berlin. 2006 und 2007 entstand in Kooperation mit dem Würfelfunk, Cityfunk und Quality Taxi die Arbeitsgemeinschaft Berliner Taxizentralen, „Taxi Berlin“.

Im Anschluss wurde die Kommunikation zwischen Zentrale und Taxis schrittweise auf eine automatische Vermittlungstechnik per GPS und Internetverbindung umgestellt. Der Sprachfunk verlor seine Bedeutung für die Vermittlung, existiert aber weiterhin. Auch die Bestellung ist nun möglich, ohne mit einem Call-Center-Agent zu sprechen, beispielsweise per Telebooking oder iPhone-App.

Taxizentralen und Verbände

Die Taxizentralen besitzen selbst keine Taxis. Sie vermitteln die angenommenen Aufträge an ein Fahrzeug, wenn der Unternehmer einen Funkvertrag mit der Zentrale abgeschlossen hat. Der Fahrgast zahlt dabei immer den gleichen Preis, egal ob er an einem Taxistand einsteigt oder bei einer Taxizentrale einen Wagen zu sich ruft. Die Taxizentralen sind neben den Behörden auch Anlaufstellen für Fundsachen und Beschwerden über Taxifahrer.

Die Bestellung bei einer Zentrale hat die Vorteile, dass man nicht lange auf ein zufällig vorbeikommendes freies Taxi warten muss, für einen späteren Zeitpunkt vorbestellen kann und dass man bestimmte Wagen- und Zahlungsmerkmale bestellen kann. Während sich die Auftragslage insgesamt wenig veränderte, stieg in den vergangenen Jahren der Anteil der Fahrten, die über eine Funkzentrale bestellt wurden.

Größte Taxizentrale ist Taxi Berlin, eine Funkzentralen-Gemeinschaft aus Taxifunk Berlin, Würfelfunk, Cityfunk und Quality Taxi und mit über 4.500 Fahrzeugen[11] die mit Abstand größte Taxizentrale Deutschlands. Zweitgrößte Zentrale ist die WBT Wirtschaftsgenossenschaft Berliner Taxibesitzer eG (kurz WBT), die nach eigenen Angaben über rund 2.000 angeschlossene Fahrzeuge verfügt.[12]

In Berlin gibt es zurzeit vier Verbände für Taxiunternehmer: Die Innung des Berliner Taxigewerbes e.V. (kurz „Innung“), TaxiDeutschland – Landesverband Berlin e.V. (ehemals „TVD“), den Taxiverband Berlin Brandenburg e.V. („TVB“) und die Berliner Taxivereinigung e.V. („BTV“).

Wiederkehrende Forderungen der Verbände beschäftigen sich mit Schwarzarbeit, der Probleme um den Flughafen Berlin Brandenburg (siehe unten), der Zahl der Taxis und dem Taxitarif. Die Berliner Taxivereinigung tritt beispielsweise für eine Liberalisierung der Tarife und eine zusätzliche Ausbildung der Taxifahrer unabhängig von der Ortskunde ein.[13] TaxiDeutschland – Landesverband Berlin fordert eine Begrenzung der Taxikonzessionen, zusätzliche Ausbildung der Fahrer, sowie eine Farbfreigabe und veränderte Regeln zur Werbung.[14]

Die Zeitschrift „RAL 1015 taxi news“ erscheint zehn Mal im Jahr. Sie enthält Nachrichten für Berliner Taxifahrer und Mitteilungen der Verbände und Funkzentralen.

Ortskundeprüfung

Jeder Taxifahrer benötigt einen Führerschein zur Fahrgastbeförderung (FzF, auch „P-Schein“) für Taxis. Um am Vermittlungssystem der Taxizentralen teilnehmen zu können, ist darüber hinaus ein Funkkurs erforderlich, den man bei den Zentralen belegen kann.

Der Führerschein zur Fahrgastbeförderung wird nur bei bestandener Ortskundeprüfung für Berlin ausgestellt. Diese Prüfung wird jedoch nicht von den Behörden, sondern von zwei Verbänden organisiert: der Innung und dem TVB. In Zukunft soll TaxiDeutschland ebenfalls beteiligt werden. Die Prüfungsgebühr beträgt 55 Euro. Die Prüfung besteht aus zwei Teilen, in einem schriftlichen Test werden die Grundlagen und im mündlichen Teil Zielfahrten geprüft. Eine praktische Fahrprüfung oder über die Ortskunde hinausgehendes Wissen wird nicht verlangt.

Zu den Grundlagen in der schriftlichen Prüfung gehört das Wissen der zwölf Berliner Bezirke und ihrer Nachbarbezirke, sowie der rund 100 Ortsteile und in welchem Bezirk sie liegen. Darüber hinaus werden Angaben zu Plätzen, wichtigen Straßen, und Objekten wie Hotels, Krankenhäusern und Botschaften etc. verlangt.

Die mündliche Prüfung besteht aus Zielfahrten. Dabei wird Start und Ziel vorgegeben, die Strecke muss dann Straße für Straße mit Richtungsangaben aufgesagt und alle wichtigen Plätze auf der Strecke benannt werden. Außerdem können Zusatzfragen — wie die Seitenstraßen vom Kurfürstendamm, Unter den Linden oder der Friedrichstraße — gefragt werden.

Mit dem „Spezialatlas zum Taxischein für Berlin“ existiert ein Kartenwerk, das sich speziell an werdende Berliner Taxifahrer wendet und auf die Eigenheiten der mündlichen Prüfung eingeht.

Flughafen Berlin Brandenburg

Wie in anderen Städten auch, ist der Verkehr von und zu den Flughäfen in Berlin eine der wichtigsten Einnahmequellen für das Taxigewerbe. Der Berliner Flughafen Tempelhof wurde geschlossen, der Flughafen Tegel soll ebenfalls geschlossen werden. Der Flughafen Berlin-Schönefeld und der im Bau befindliche benachbarte Flughafen Berlin Brandenburg liegen außerhalb Berlins.

Berliner Taxis dürfen sich jedoch nur im Stadtgebiet an eine Taxihalte stellen, eigentlich dürften sich also nur die wenigen Taxis aus dem Landkreis Dahme-Spreewald — in dem der Flughafen liegt — anstellen.

Dies führte zu Streit und zu Forderungen nach einem gemeinsamen Fahrgebiet bzw. einem einheitlichen Tarif.[15]

Momentan gilt die Vereinbarung, dass sich in Schönefeld abwechselnd Taxis aus dem Landkreis Dahme-Spreewald und aus Berlin anstellen dürfen. Bis spätestens zur Eröffnung des neuen Flughafens ist ein gemeinsamer Tarif angestrebt.

Weblinks

Quellen

  1. Übernachtungszahlen: Berlin stellt historischen Touristen-Rekord auf. Berliner Morgenpost, 16. Dezember 2010, abgerufen am 15. Mai 2011.
  2. Peter Neumann: Betrügen schwer gemacht. Berliner Zeitung, 3. Februar 2011, abgerufen am 19. Mai 2011.
  3. Urteil des FG Hamburg vom 7. September 2010 (Az. 3 K 13/09)
  4. Simon Frost: Immer mehr Berliner verzichten aufs Auto. Der Tagesspiegel, 16. April 2009, abgerufen am 15. Mai 2011.
  5. Beschlossen: Senat erlässt neue Taxitarife mit Zuschlag. Der Tagesspiegel, 17. Juni 2009, abgerufen am 15. Mai 2011.
  6. Taxi - Berlin.de. Berlin.de - Das offizielle Hauptstadtportal, abgerufen am 15. Mai 2011.
  7. Deutsche Touristen finden Berliner Taxifahrer am freundlichsten. Hotels.com, 29. Juni 2009, abgerufen am 15. Mai 2011.
  8. Wolfgang Wruck: Zur Geschichte der Innung des Berliner Taxigewerbes e.V. Innung des Berliner Taxigewerbes e.V., abgerufen am 15. Mai 2011.
  9. Herzlich willkommen beim TVB. Taxi Verband Berlin Brandenburg e.V., abgerufen am 19. Mai 2011.
  10. Sören Kittel: Was Taxifahrer einte und was sie trennte. Berliner Morgenpost, 1. November 2009, abgerufen am 19. Mai 2011.
  11. Taxi Berlin (Startseite). Abgerufen am 27. Mai 2011.
  12. Über uns - Die Flotte. WBT Wirtschaftsgenossenschaft Berliner Taxibesitzer eG, abgerufen am 15. Mai 2011.
  13. Welche Ziele hat die BTV? Berliner Taxivereinigung e.V., abgerufen am 19. Mai 2011.
  14. Der Verband. TaxiDeutschland – Landesverband Berlin e.V., abgerufen am 19. Mai 2011.
  15. Claus-Dieter Steyer: Streit um Tarife: Taxifahrer schließen Frieden in Schönefeld. Der Tagesspiegel, 26. Juli 2010, abgerufen am 15. Mai 2010.

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