Wissenschaftsmarketing

Wissenschaftsmarketing

Wissenschaftsmarketing (engl. Science Marketing) bezeichnet den relativ neuen Ansatz von Hochschulen und Forschungseinrichtungen, ihre Aktivitäten strategisch und konsequent an den Bedürfnissen des Marktes auszurichten.

„Die Herausforderungen der Gegenwart und noch mehr die der Zukunft zwingen die Hochschulen jedoch dazu, über eine umfassende Marketingkonzeption nachzudenken. Sie soll zwar von allen Beteiligten (mit)getragen werden, darf aber nicht als von oben verordnete Einheitsstrategie missverstanden werden.“[1]

Ähnlich wie Unternehmen in gesättigten Käufermärkten müssen auch Forschung und Lehre immer stärker um begrenzte Ressourcen konkurrieren – dazu gehören staatliche Gelder ebenso wie Aufträge aus der Industrie. Daneben stehen die Einrichtungen auch im Wettbewerb um die besten Studenten und Forscher. Schließlich wird der Bereich der Public Affairs zunehmend wichtig, weil die Gesetzgebung auf deutscher und europäischer Ebene wichtige Rahmenbedingungen für Forschung und Lehre setzt (z. B. Exzellenzinitiative, Bologna-Prozess oder Gesetze zur Ethik, etwa im Bereich der Stammzellforschung).

„Wir befinden uns in einer Phase der Neuorientierung. Wer sich wie und mit welchem Nachdruck positioniert und im Studien- und Forschungsmarkt aufstellt, wird aufmerksam registriert. (…) Das sind sowohl Personalentwicklungsmaßnahmen, Strategien zur Rekrutierung, die Schaffung von Voraussetzungen für ein professionelles Management und natürlich die Entwicklung und Umsetzung einer konsisen Marketingstrategie. Dieser obliegt die konsequente Umsetzung der Profil- und Markenbildung.“[2]

Inhaltsverzeichnis

Handlungsfelder

Wissenschaftsmarketing spielt sich auf ähnlichen Handlungsfeldern ab wie das Marketing von Unternehmen und bedient sich grundsätzlich auch der gleichen Werkzeuge. Im Mittelpunkt steht dabei der Wunsch, Bedürfnisse des Forschungs- und Bildungsmarktes früh zu erkennen und mit passenden Angeboten zu befriedigen.

Die „vier P des Marketing“ – Product, Price, Place und Promotion – lassen sich auch auf dem Gebiet des Wissenschaftsmarketing anwenden: Ein vom Markt gewünschtes Produkt (Forschung, Bildungsangebot) wird zu einem angemessenen Preis über spezifische Vertriebskanäle verkauft, wobei die klassischen Instrumente der Kommunikationspolitik zum Einsatz kommen (Marketing-Mix).

Daneben spielen auch Kenntnisse der BWL (z. B. Budgetierung, Projektmanagement) eine wichtige Rolle – denn das Wissenschaftsmarketing ist eine strategische Managementaufgabe, die am besten an die Stabsstelle einer Universität oder Forschungseinrichtung angegliedert sein sollte.

Für erfolgreiches Wissenschaftsmarketing ist aber auch die Kenntnis der Forschungs- und Bildungslandschaft mit ihren vielfältigen Akteuren unverzichtbar. Schließlich sollte ein erfolgreicher Akteur auf diesem Gebiet auch ein – zumindest grundsätzliches – Verständnis für wissenschaftliches Arbeiten besitzen.

Wissenschaftsmarketing ist nur effektiv, wenn es verschiedene Teildisziplinen unter dem Dach einer übergeordneten Strategie vereint:

  • Marketing: Eine der zentralen Aufgaben des Wissenschaftsmarketing besteht darin, neue Trends frühzeitig zu erkennen, damit passende Angebote entwickelt werden können. Neben neuen Entwicklungen im wissenschaftlichen Bereich müssen stets auch gesellschaftliche Veränderungen beobachtet werden (z. B. lebenslanges Lernen, berufsbegleitende Weiterbildung). Daneben muss die Hochschule oder die Forschungseinrichtung als unverwechselbare Marke positioniert werden, um auf einem unübersichtlichen internationalen Markt wahrgenommen zu werden. Analog zur Vertriebspolitik in Unternehmen müssen auch Forschung und Lehre gezielt Akquise betreiben, etwa auf dem Markt für Forschungsaufträge oder beim Wettbewerb um Forscher und Studenten.
  • BWL: Wissenschaftsmarketing ist eine Managementaufgabe, zu der auch die betriebswirtschaftliche Planung von wissenschaftlichen Projekten und Unternehmen gehört. Darum gehören Kenntnisse über Haushalts- und Investitionsplanung sowie über strategisches Controlling zum Handwerkszeug in diesem Bereich.
  • Fundraising: Seit den 1980er Jahren sinkt die staatliche Grundfinanzierung für Forschung und Lehre. Darum werden die Universitäten immer mehr zum „Unternehmen Hochschule“ – sie müssen also einen großen Teil ihrer Einnahmen selbst erwirtschaften, zum Beispiel durch Industrieaufträge, Forschungsprojekte oder Studiengebühren. Dazu sind Kenntnisse der Ausschreibungsverfahren und Förderprogramme unverzichtbar.
  • Public Relations: Hierzu gehört die klassische Pressearbeit ebenso wie die interne Kommunikation und der Austausch mit speziellen Teilöffentlichkeiten aus dem Bereich Forschung und Lehre (zum Beispiel Alumni-Netzwerke als „Botschafter“ ihrer Alma Mater). Grundlage sollte wie im Bereich der Unternehmen immer ein strategisches Gesamtkonzept sein, das alle Maßnahmen effektiv verbindet.
  • Public Affairs: Neue Gesetze können die Forschung befördern, aber auch behindern. Universitäten und Forschungseinrichtungen müssen daher den ständigen Kontakt mit Parlamentariern, der Ministerialbürokratie und Regierungsmitgliedern suchen. Daneben gilt es, themenbezogene Allianzen mit anderen Stakeholdern zu organisieren, beispielsweise Industrie- oder Berufsverbänden. Darüber hinaus können die wissenschaftlichen Einrichtungen auch auf Anfrage der Politik Stellungnahmen zu aktuellen Trends abgeben.

Internationaler Vergleich

In den angelsächsischen Ländern hat die Selbstvermarktung der Hochschulen eine lange Tradition: Die großen Universitäten in den USA unterhalten in Washington eigene Büros, um die Vergabe von Haushaltsmitteln und die Gesetzgebung in relevanten Bereichen zu beeinflussen (z. B. Medizinethik oder Ausbildungsförderung). Auch die britischen Hochschulen betreiben in Brüssel aktive Lobby-Arbeit. Dieser Trend dürfte sich weiter fortsetzen:

„In fünf bis zehn Jahren werden in Europa eine Menge hauptberuflicher Lobbyisten für die Unis arbeiten, die die Politik beobachten, Netze knüpfen, Positionspapiere schreiben, in Anhörungen auftreten und das Entreé für die Chefgespräche ihrer Präsidenten bereiten. (…) Das ist ja auch gut investiertes Geld im Sinne eines Risikomanagements und Hochschulmarketings.“[3]

Geschichte

Wissenschaftsmarketing ist seit den 1990er Jahren ein Thema in Deutschland – damals, kurz nach der Wiedervereinigung, war abzusehen, dass der radikale Wandel der ostdeutschen Hochschul- und Forschungslandschaft auch einen Reformprozess im Westen nach sich ziehen würde. So wurden nicht nur die ostdeutschen, sondern auch die Universitäten und außeruniversitären Institute in den alten Bundesländern durch den Wissenschaftsrat evaluiert.

In diesem Zusammenhang wurden Begriffe aus der BWL – wie etwa Marke, Profilbildung, Kundenorientierung, Fundraising oder Effizienz – auch in die Debatte um die deutsche Hochschul- und Forschungslandschaft eingeführt. Hinzu kommt, dass im Rahmen des Bologna-Prozesses ein einheitlicher Bildungs- und Forschungsmarkt in Europa entsteht (mit vergleichbaren Bachelor- und Masterabschlüssen), auf dem sich wissenschaftliche Einrichtungen profilieren müssen.

Ausbildungswege und Berufsfeld

Das Wissenschaftsmarketing ist ein junges Betätigungsfeld, für das es im deutschsprachigen Raum kaum Ausbildungsangebote gibt. Die TU Berlin bietet derzeit (Mai 2009) die bundesweit einzige Qualifizierung auf diesem Gebiet an.

  • TU Berlin: Die TU Berlin bietet seit dem Wintersemester 2005/2006 einen berufsbegleitenden Masterstudiengang „Wissenschaftsmarketing“ an. Er ist in Deutschland die einzige Qualifizierung auf diesem Gebiet. Das Studium vermittelt Wissen für das Marketing von F&E-Einrichtungen, Universitäten und wissenschaftsnahen Unternehmen. Im Rahmen der viersemestrigen Ausbildung werden Themen aus den Gebieten BWL, Recht, Marketing, Public Relations und Medien behandelt, außerdem lernen die Studenten das komplexe deutsche Wissenschaftssystem kennen. Aufnahmevoraussetzung ist ein abgeschlossenes Studium oder ein Bachelor-Abschluss und eine mindestens einjährige Berufserfahrung. Der Abschluss heißt „Master of Science Communications and Marketing“.
  • FH Münster: Der Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkt „Science Marketing“ an der Fachhochschule Münster hat mit seinem Konzept des „Science-to-Business Marketing“ einen strategischen Ansatz für die Vermarktung von Forschungskompetenzen, Forschungskapazitäten und Forschungsleistungen entwickelt. In Abgrenzung zum Hochschulmarketing ist die Forschung Gegenstand der Vermarktung – die Zielgruppe des Science Marketing bilden aktuelle sowie potenzielle Forschungskunden und nicht die Öffentlichkeit. Daher stehen auch nicht die Kommunikation und Werbung im Vordergrund, sondern die gesamte Palette der kunden- und bedarfsorientierten Marketinginstrumente.
  • Zentrum für Wissenschaftsmanagement: Das Zentrum für Wissenschaftsmanagement e. V. in Speyer bietet ein Weiterbildungsstudium an, das sich in erster Linie an den Führungsnachwuchs in Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen sowie in Forschungsfördereinrichtungen und in der staatlichen Wissenschaftsverwaltung richtet. Das Studium bereitet auf Führungsaufgaben vor, indem es forschungs- und wissenschaftsrelevantes, kritisches Führungswissen vermittelt.
  • Science Media Academy: Die Science Media Academy unterstützt die Professionalisierung der Wissenschaftskommunikation. Dazu bietet sie eine praxisorientierte Fortbildung für Wissenschaftler und Journalisten. Zudem veranstaltet die Science Media Academy ein Expertenforum ein, in dem Repräsentanten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Medien, Kultur und Politik zentrale Aspekte der Wissenschaftskommunikation diskutieren können.
  • Berufsfeld: Die Experten für Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsmarketing arbeiten nach ihrer Ausbildung als Institutsleiter, Forschungs- und Entwicklungsmanager, als Leiter der Öffentlichkeitsarbeit oder als Leiter eines Forschungsprojektes. Wegen der zunehmenden Ausrichtung der Forschungs- und Bildungslandschaft auf den Wettbewerb gelten die Aussichten auf diesem Gebiet als außerordentlich gut.

Siehe auch

Literatur

  • Ada Pellert (Hrsg.): Einführung in das Hochschul- und Wissenschaftsmanagement. ISBN 3-932306-80-5
  • Iris Pfeiffer, Ulf Glöckner, Manon Rani Sharma, Simone Kaiser: Unternehmen Hochschule – Die Zukunft der Hochschulen im Wettbewerb. ISBN 978-3-9810016-2-4
  • Wissenschaftsmanagement – Zeitschrift für Innovation.Lemmens Medien, ISSN 0947-9546

Einzelnachweise

  1. W.H. Engelhardt: Kommunikationspolitik als Ausgangspunkt des Wissenschaftsmarketing. Bochum 1992
  2. Wolfgang Merten: Studienbrief „Berufsfeld Wissenschaftsmarketing“. TU Berlin, 2007
  3. Marco Althaus, in: Merten: Studienbrief „Berufsfeld Wissenschaftsmarketing“

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