Wörther Altar

Wörther Altar
Wörther Altar Innen.jpg

Der Wörther Altar, ein Kreuzaltar, ist ein spätmittelalterliches Triptychon, das heute in der römisch-katholischen Pfarrkirche St. Nikolaus in Wörth am Main aufgestellt ist.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Altar wurde unter der Regierung des Grafen Philipp I. (des Jüngeren) (1449-1500) von Hanau-Münzenberg entweder für die Maria-Magdalena-Kirche in Hanau oder für die St. Martinskapelle in der Hanauer Burg geschaffen[1] und für seine Eltern gestiftet.

Auf Anordnung des Grafen Philipp Ludwig II. (1576-1612) wurde in der Grafschaft Hanau-Münzenberg am Ende des 16. Jahrhunderts eine zweite calvinistische Reformation durchgeführt. Dabei wurde auch die mittelalterliche Ausstattung aus der Marienkirche geräumt, aber – zumindest teilweise – nicht zerstört, sondern ins römisch-katholische „Ausland“ verkauft. Auf diesem Weg blieb nicht nur der Wörther Altar erhalten, sondern auch eine Strahlenmadonna in der römisch-katholischen Pfarrkirche St. Johann Baptist in Hanau-Steinheim, das damals zu Kurmainz gehörte, in dessen Diözese Wörth ebenso lag, und von dem es ein Lehen an die Herren von Breuberg war.

Wie der Altar nach Wörth gelangte, ist völlig unklar. Er wird dort aber seit dem 17. Jahrhundert als Inventar der dortigen ehemaligen Pfarrkirche St. Wolfgang geführt. Erst Fried Lübbecke identifizierte den Altar wieder als ein Stück Hanauer Kunstgeschichte.[2]

Darstellung

Außenseite

Außenseite: Anna Selbdritt

Der Altar ist ein klassischer Flügelaltar. Die Tafeln der Außenseite zeigen Anna Selbdritt, das heißt: links Maria mit dem Kind und rechts Anna, die Mutter Marias.

Mittelbild

Graf Philipp I. von Hanau als Longinus

Das Mittelbild zeigt die die Kreuzigung Jesu inmitten einer turbulenten Szene. Links und rechts von Jesus sind die beiden ebenfalls gekreuzigten Schächer dargestellt. Am Fuß des Kreuzes finden sich zwei Personengruppen und ein Reiter: Drei Personen links stellen Maria Magdalena, Maria, Mutter Jesu, und den Jünger Johannes dar. Die Mittlere Gruppe nehmen drei Soldaten ein, die sich – recht handgreiflich – um die Kleider Jesu streiten. Rechts davon ist ein Ritter in voller Rüstung auf einem Schimmel zu sehen: der römische Hauptmann Longinus, der die Kreuzigung überwacht. Es bestehen Anhaltspunkte dafür, dass hier der Stifter des Altars, Graf Philipp I. (der Jüngere) von Hanau-Münzenberg, dargestellt ist. Aus dem Mittelgrund sticht ein Soldat Christus in die Seite. Oberhalb des Reiters stehen vornehm gekleidete Männer, unter ihnen Nikodemus und Joseph von Arimathia.

Flügel

Darstellung der Legenden

Die Bilder der Flügelinnenseiten des Altars zeigen zwei Legenden um das heilige Kreuz: Links die Kreuzauffindung durch Kaiserin Helena, rechts der Einzug des Kaisers Herakleios (ca. 575 - 641) in Jerusalem. Im einzelnen:

  • Links oben: Kaiserin Helena, die nach dem Kreuz suchte, zwingt, nachdem sie die Fundstelle von dem Einzigen, der sie kannte, erpresst hatte, zwei Juden, das Kreuz auszugraben. Es werden aber drei Kreuze gefunden.
  • Links unten: Um zu ermitteln, welches der drei Kreuze das richtige ist, wird eine Leiche auf die Kreuze gelegt. Auf einem der Kreuze erwacht sie zum Leben, womit bewiesen ist, dass das das Gesuchte ist.
  • Rechts oben: Kaiser Herakleios, der das Kreuz von den Persern zurückerobert hat, die es zuvor bei der Eroberung Jerusalems mitgenommen hatten, versucht es in feierlicher Prozession, beritten und im Kaiserornat, nach Jerusalem zurückzubringen. Das aber wird ihm von Engeln verwehrt.
  • Rechts unten: Erst als der Kaiser im Büßergewand und zu Fuß das Kreuz zurück bringt, öffnet sich ihm das Stadttor.

„Stifter“-Bilder

Graf Reinhard III. von Hanau als „Stifter“
Pfalzgräfin Margarethe von Pfalz-Mosbach als „Stifterin“

Außer der Darstellung der Legenden zeigen die Flügel auch noch zwei Stifterfiguren, die durch die beigegebenen Wappen eindeutig identifiziert werden können. Links: Graf Reinhard III. von Hanau (1412-1452) und seine Frau, Margarethe von Pfalz-Mosbach (1432-1457). Beide waren allerdings, als der Altar geschaffen wurde, bereits seit Jahrzehnten verstorben.

Geschichtliche Bewertung

Der Altar ist eine Stiftung des Grafen Philipp I. (des Jüngeren) von Hanau für das Seelenheil seiner Eltern – die deshalb hier in Anbetung als Stifter dargestellt sind. Der Altar entstand zwischen 1485 und 1490 und wurde von einem Künstler im Umfeld des Hausbuchmeisters geschaffen. Für diese Zeit ist die Darstellungsweise – vor allem der Goldgrund statt eines Himmels – sehr traditionsverbunden und wenig „modern“.

Die Themenwahl des Altars erklärt sich aus der Biographie des Grafen Philipp I. (des Jüngeren) von Hanau: Im Jahr 1484 begab sich Philipp auf eine Pilgerreise ins Heilige Land. Am 10. Juni 1484 segelte er von Venedig ab, landete am 18. Juli 1484 in Jaffa, begab sich von dort nach Jerusalem, das er am 10. August 1484 wieder verließ. Zurück reiste er über Zypern. Am 30. November landete er in Venedig und Ende Januar war er wieder in Hanau. Er verfasste einen Reisebericht, der sich aber weitgehend in der Aufzählung der besuchten heiligen Stätten und des jeweils dort erlangten Ablasses erschöpfte. Diese Reise muss ihn tief beeindruckt haben, was seinen Ausdruck auch im Wörther Altar findet. Dies lässt auch die Datierung des Altars vor 1485 ausgeschlossen sein.[3] Er begab sich 1491 auf eine zweite Reise ins Heilige Land, zusammen mit Landgraf Wilhelm I. von Hessen.

Literatur

  • Tilmann Breuer u.a.: Franken. Die Regierungsbezirke Oberfranken, Mittelfranken und Unterfranken = „Dehio“. 2. Auflage. München 1999, S. 1126.
  • Fried Lübbecke: Hanau. Stadt und Grafschaft. Köln, 1951.
  • Anton Merk: Zwei Hanauer Altäre um 1500 – Fahrt des Hanauer Geschichtsvereins 1844 e.V. [vervielfältigte Exkursionsunterlage]. O.O. 2010.
  • Reinhold Röhricht: Deutsche Pilgerreisen nach dem heiligen Lande. Gotha 1889, S. 181, 186.
  • Reinhold Röhricht: Die Jerusalemfahrten der Grafen Philipp Ludwig (1484) und Reinhard von Hanau (1550). In: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde. 26 (NF 16) (1891), S. 85ff (90ff) [mit Abdruck des Textes des vollständigen Reiseberichts].
  • Reise Philipp des Jüngeren, Grafen von Hanau, nach dem heiligen Grabe. In: Hanauisches Magazin. 3. 1780, 7. Stück, S. 49-55; 8. Stück, S. 57-72.
  • Werner Trost: Pfarrkirche St. Nikolaus Wörth am Main – Kurzführer. Wörth o.J. [Faltblatt]

Einzelnachweise

  1. So: Lübbecke, S. 95.
  2. Siehe Literaturverzeichnis.
  3. Breuer, Dehio, will ihn auf 1470 datieren, was vermutlich auf stilistischen Kriterien basiert.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Philipp I. (Hanau-Münzenberg) — Graf Philipp I., der Jüngere, von Hanau auf dem Wörther Altar Graf Philipp I. (der Jüngere) von Hanau Münzenberg (* 20. September 1449 in Windecken; † 26. August 1500) war ein Sohn des Grafen Reinhard III. von Hanau und der Pfalzgräfin …   Deutsch Wikipedia

  • Wörth am Main — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Reinhard III. (Hanau) — Graf Reinhard III. von Hanau auf dem Wörther Altar Graf Reinhard III. von Hanau (* 22. April 1412; † 20. April 1452 in Heidelberg) war seit 1451 Graf von Hanau. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • St. Nikolaus (Wörth am Main) — Ansicht von Westen …   Deutsch Wikipedia

  • Marienkirche (Hanau) — Die Marienkirche war ursprünglich der Maria Magdalena geweiht und ist heute vorrangig gotisch geprägt. Sie ist die Gemeindekirche der Evangelischen Marienkirchengemeinde Hanau. Chor der Marienkirche von Osten Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Philipp Ludwig II. (Hanau-Münzenberg) — Philipp Ludwig II. von Hanau Münzenberg (* 18. November 1576 in Hanau; † 9. August 1612 ebenda) war einer der bedeutendsten, in der Neuzeit und hinsichtlich der Nachwirkungen seiner Politik sicher der bedeutendste Graf von Hanau. Philipp Ludwig… …   Deutsch Wikipedia

  • Schifffahrts- und Schiffbaumuseum Wörth am Main — St. Wolfgangskirche (Museumsgebäude) Das Schifffahrts und Schiffbaumuseum Wörth am Main dokumentiert die historische Entwicklung der Binnenschifffahrt und des Schiffbaus am Main. Zahlreiche Exponate sind eng verknüpft mit der Schifferstadt Wörth… …   Deutsch Wikipedia

  • Margarethe von Pfalz-Mosbach — auf dem Retabel des Wörther Altars Margarethe von Pfalz Mosbach (* 2. März 1432; † 14. September 1457) war die Tochter von Pfalzgraf Otto I. von Pfalz Mosbach. Sie heiratete am 11. Juli 1446 den Grafen Reinhard III …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der denkmalgeschützten Objekte in Magdalensberg (Gemeinde) — Die Liste der denkmalgeschützten Objekte in Magdalensberg (Gemeinde) enthält die denkmalgeschützten, unbeweglichen Objekte der Gemeinde Magdalensberg (Gemeinde).[1] Inhaltsverzeichnis 1 Denkmäler 2 Legende 3 Weblinks …   Deutsch Wikipedia

  • Ossiach — View across Lake Ossiach …   Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”