- Claus Stephani
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Claus Stephani (* 25. Juli 1938 in Brașov, deutsch: Kronstadt, Siebenbürgen) ist ein deutscher Schriftsteller, Ethnologe, Kunsthistoriker und Journalist.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Zwischen 1960 und 1965 studierte er Germanistik und Rumänistik an der Universität C. I. Parhon, Bukarest und arbeitete danach als Deutschlehrer und Kustos im Kunstmuseum Simu in Bukarest.
Ab Oktober 1966 war er Leiter des Bukarester Deutschen Literaturkreises, der zweimal im Monat seine Zusammenkünfte im Schriftstellerhaus "Mihail Sadoveanu" (Casa Scriitorilor M. Sadoveanu) abhielt. Als Leiter der deutschen Abteilung der Bukarester Volksuniversität (Universitatea Populara) in den Jahren 1973 bis 1978 wirkte er als Dozent in den Fachbereichen Volkskunde und Geschichte der modernen Kunst. Zwischen 1967 und 1990 war er als Redakteur und von 1983 bis 1990 als stellvertretender Chefredakteur der deutschsprachigen Zeitschrift Neue Literatur in Bukarest (deutschsprachiges Organ des Rumänischen Schriftstellerverbandes) tätig. Als Redakteur studierte er im Fernkurs 1978-1983 Journalistik.
Im April 1990 emigrierte er mit seiner Familie nach Deutschland. Danach wurde er wissenschaftlicher Angestellter im Bayerischen Nationalmuseum, freier Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks, freier Schriftsteller, Ethnologe und Kunsthistoriker. Gleichzeitig belegte er ein Studium der Europäischen Ethnologie, der Kommunikationswissenschaften und der modernen deutschen Literatur. 1995 folgte eine Promotion zum Dr. phil. an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Er ist seit 1993 Vorsitzender der Kommission für Ostjüdische Volkskunde in der DGV e.V. Buchveröffentlichungen hat er in Rumänien, Deutschland, Österreich, Italien, in der Schweiz und in den USA.
Kontroverse um Anwerbung und Mitarbeit als IM der Securitate
Am 20. November 2010 berichtete Stephani im Zuge der Diskussion um die Mitarbeit des Schriftstellers Oskar Pastior beim rumänischen Geheimdienst Securitate von seiner eigenen Anwerbung und Tätigkeit als IM "Mircea Moga". Er habe im August 2010 seine Akte in Bukarest einsehen können, die "gesäubert" und unvollständig gewesen sei. Am 30. Mai 1961 sei er verhaftet worden, um als Spitzel angeworben zu werden. Unter Androhung von Haft habe er die diktierte Verpflichtungserklärung unterschrieben. Er habe sich konkreten Erpressungsversuchen zur Zusammenarbeit widersetzt. Vor dem Staatsexamen weigerte er sich erneut, so dass er ohne Diplom blieb. Er habe insgesamt nur drei handschriftliche Berichte geschrieben. Die Securitate sei zu dem Schluss gekommen, dass er dem Geheimdienst nicht nütze und habe ihn deshalb "wegen Unaufrichtigkeit" ausgeschlossen. Die maschinenschriftlichen Berichte mit der Signatur "ss Moga" und dem Namen des Offiziers stammten nicht von ihm. „Mircea Moga“ sei eine Attrappe und als solche eine Fratze der Rache wie jene der „Cristina“.[1]
Stephani nahm damit ausdrücklich Bezug auf die Securitate-Akte der Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, die diese 2009 in einem Essay mit dem Titel „Cristina und ihre Attrappe. Was (nicht) in den Akten der Securitate steht“ veröffentlichte. Dort beschrieb sie die Verleumdungsmethoden der Securitate, insbesondere indem mehrfach in ihrem beruflichen und persönlichen Umfeld der Verdacht gestreut wurde, sie sei ein Spitzel. Dies fasste sie prägnant als Attrappe "Christina" zusammen. Am 23. November 2010 verwahrte sie sich scharf in einem Protestschreiben gegen den Vergleich der Täterakte Stephanis mit ihrer eigenen Opferakte. Stephani habe ferner gegenüber den Bespitzelten bis heute kein Bedauern geäußert. Sie wirft Stephani weitere eifrige Spitzeltätigkeiten unter den Decknamen IM "Moga" und IM "Marin" vor. Ausdrücklich protestierte Müller dabei gegen die Konstruktion einer Analogie seiner Tätergeschichte und ihrer Verfolgtengeschichte mit Verleumdungsmethoden der Securitate.[2]
Auf einer Fachtagung vom 18. - 20. November 2010 erhob Peter Motzan, stellvertretender Direktor des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München (IKGS), ebenfalls den Vorwurf, Stephani sei der Spitzel mit Decknamen 'Moga' gewesen. Er verwies auf einen Beitrag von William Totok,[3] der aus Gesprächsaufzeichnungen mit dem Führungsoffizier und Auszügen aus anderen Opferakten zweifelsfrei Stephanis Tätigkeit für die Securitate belege.[4]
Stephani entgegnete, der von Motzan zitierte Bericht erwähne ihn, Stephani selbst. Der Vorgang sei gegen Motzan vor Beginn seinger eigenen (Stephanis) Tätigkeit begonnen worden. Gegen Totoks Bericht führt er an, warum er jene Zeitschrift, für die er als Redakteur arbeitete, durch eine äußerst systemkritische Analyse gefährden solle, so dass sie eventuell verboten würde. Außerdem verantworte die Zensur letztendlich den Bericht. 1974 habe er die Anthologie „Befragung heute. Junge deutsche Lyrik in Rumänien“ herausgebracht. Warum solle er fünf seiner Autoren, die er gefördert habe, denunzieren. Jener „Moga“ sei nicht er. Er schloss seine Stellungnahme mit den Worten: "Aufgrund solcher „Beweise“, die nur maschinegeschrieben vorliegen, nun eine medienweite Kampagne loszutreten, ist unverantwortlich."[5]
Der Schriftsteller Richard Wagner wies die Stellungnahme Stephanis zurück. Er verglich die Aufzeichnungen des Führungsoffiziers von IM "Moga" über einen Vortrag bei einer Auslandsreise in die Bundesrepublik mit einem Artikel in der deutschen Lokalpresse. Die Inhalte seien fast deckungsgleich. Wagner vermutete, Stephani wolle mit der frühen IM Karriere unter dem Decknamen „Mircea Moga“ die späteren Karrieren als „Moga“ und „Marin“ vertuschen. In den maschinenschriftlichen Aufzeichnungen seien handschriftliche Ergänzungen von „Moga“ und „Marin“ enthalten, die Merkmale der Handschrift Stephanis trügen. Ferner enthielten die Berichte klare Bezüge zum Redakteursumfeld von Stephani.[6]
Am 25. Januar 2011 enttarnte das Kollegium des Landesrates für das Studium der Securitateakten (CNSAS) die Identität des IM "Marin" als Claus Stephani.[7]
Publikationen (Auswahl)
Belletristik
- Blumenkind. Roman. Schirmer/Graf: München, 2009 ISBN 978-3-86555-067-5[8][9][10][11][12][13]
- Die seltsame Süße der Gastlichkeit. Geschichten aus Siebenbürgen. (Winsener Heft: 25), Literaturverlag Hans Boldt: Winsen/Luhe, 2007
- Stunde der Wahrheit. Erzählungen. Literaturverlag Hans Boldt: Winsen/Luhe, 2007
- Draußen singt Dorkia. Lyrische Marginalien. Kriterion Verlag: Bukarest, 1985
- Manchmal im Ostwind. Roman. Kriterion Verlag: Bukarest, 1977
- Ruf ins offene Land. Lyrische Texte. Kriterion Verlag: Bukarest, 1975
- Befragung heute. Junge deutsche Lyrik in Rumänien (Hg.). Kriterion Verlag: Bukarest, 1974
- Das Saurierfest. Satirische Prosa. Kriterion Verlag: Bukarest, 1970
- Frage der Concha. Gedichte. Jugendverlag: Bukarest, 1969
Wissenschaftliche Märchen- und Sagensammlungen
- Aaron cel curajos. Povestiri populare evreiești din zona Carpaților. / Vom mutigen Aaron. Jüdische Geschichten aus den Karpaten. Traducere din limba germană de Ruxandra G. Hosu (Zweisprachige Ausgabe). Editura Hasefer: București, 2008
- The Maiden of the Forest. Legends, Tales and Local History of Bukovina. Translated by Sophie A. Welisch. Published by The Bukovina Society of the Americas: Ellis/Kansas, 2008
- Fiabe e leggende ebraiche. Traduzione di Eleonora Marcello. Edizione Mondolibri: Milano, 2006
- Basme evreiești. Culese pe meleagurile Carpților. Traducere din limba germană de Ruxandra G. Hosu. Editura Hasefer: București, 2004
- Fiabe e leggende ebraiche. Traduzione di Eleonora Marcello. Newton & Compton Editori: Roma, 2001
- Ostjüdische Märchen (Reihe: Die Märchen der Weltliteratur). Eugen Diederichs Verlag: München, 1998
- Sagen der Rumäniendeutschen. Eugen Diederichs Verlag: München, 1994
- Märchen der Rumäniendeutschen. (Reihe: Die Märchen der Weltliteratur). Eugen Diederichs Verlag: München, 1991
- Zipser Mära und Kaßka. (Schriftenreihe der Kommission für ostdeutsche Volkskunde in der DGV e.V.: Bd. 43). N. G. Elwert Verlag: Marburg, 1989
- Das Mädchen aus dem Wald. Märchen, Sagen und Ortsgeschichten. Ion Creangă Verlag: Bukarest, 1985
- Volksgut der Sathmarschwaben. (Schriftenreihe der Kommission für ostdeutsche Volkskunde in der DGV e.V.: Bd. 32). N. G. Elwert Verlag: Marburg, 1985)
- Volkserzählungen der Zipser in Nordrumänien. (Schriftenreihe der Kommission für ostdeutsche Volkskunde in der DGV e.V.: Bd. 29). N. G. Elwert Verlag: Marburg, 1983)
- Die Sonnenpferde. Volkserzählungen aus dem Zekescher Land. Ion Creangă Verlag: Bukarest, 1983
- Jüdische Hirtengeschichten aus dem Wischauer Land (Ostmarmatien). Edition Karpaten: Ravensburg, 1983
- Eichen am Weg. Volkserzählungen der Deutschen aus Rumänien. Dacia Verlag: Cluj-Napoca, 1982
- Das goldene Horn. Sächsische Sagen und Ortsgeschichten aus dem Nösnerland. Ion Creangă Verlag: Bukarest, 1982
- Zipser Volkserzählungen aus der Maramuresch, der Südbukowina und dem Nösner Land. Kriterion Verlag: Bukarest, 1981
- Tal der stummen Geigen. Volkserzählungen aus dem Oascher und Sathmarer Land. Ion Creangă Verlag: Bukarest, 1979
- Die steinernen Blumen. Burzenländer sächsische Sagen und Ortsgeschichten. Ion Creangă Verlag: Bukarest, 1977
Orale Geschichte (Oral History)
- A fost un ștetl în Carpați. Convorbiri despre viața evreilor din Vișeu. Traducere din limba germană de Ruxandra G. Hosu. Editura Hasefer: București, 2005
- Sathmarschwäbische Lebensgeschichten. (Schriftenreihe der Kommission für ostdeutsche Volkskunde in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde e.V.: Bd. 66) N. G. Elwert Verlag: Marburg, 1993
- Niemandmensch. Bericht einer Gedemütigten. (dtv-Sachbuch; 30324). Deutscher Taschenbuch Verlag: München, 1992
- War einer Hersch, Fuhrmann...Leben und Leiden der Juden in Oberwischau. Erinnerungsgespräche. Athenäum Verlag: Frankfurt/M., 1991[14]
- Frauen im Wassertal. Rumäniendeutsche Frauen erzählen. Lebensprotokolle aus Ostmarmatien. (dtv-Sachbuch; 11255) Deutscher Taschenbuch Verlag: München, 1990
- Wie das Wiesengras im Wind. Frauenschicksale. Protokolle. Dacia Verlag: Cluj-Napoca, 1986
- Erfragte Wege. Zipser Texte aus der Südbukowina. Kriterion Verlag: Bukarest, 1975
- Oben im Wassertal. Eine Zipser Chronik. Kriterion Verlag: Bukarest, 1970
Volkskunde, Kunstgeschichte
- "Grüne Mutter Bukowina". Deutsch-jüdische Schriftsteller der Bukowina. Eine Dokumentation in Handschriften, Büchern und Bildern. Katalog. Haus des Deutschen Ostens: München, 2010
- Das Bild des Juden in der modernen Malerei. Eine Einführung. / Imaginea evreului in pictura moderna. Studiu introductiv. Traducere in limba romana de Ion Peleanu. (Zweisprachige Ausgabe.) Editura Hasefer: Bucuresti, 2005
- Kostbarkeiten siebenbürgischer Töpferkunst. Begleitbuch zur Ausstellung der Sammlung Hans W. Gabányi (Veröffentlichungen des Hauses des Deutschen Ostens: Bd. 9), Kastner & Callwey: Forstinning, 1998
- Zeugen aus dem ostjüdischen Alltag. Hausrat und Handwerk am Rande der Karpaten. Eine Dokumentation in Schriften, Objekten und Bildern. Begleitheft zur Ausstellung Alltägliches Erzählen im östlichen Judentum am Institut für Germanistik, Karl-Franzens-Universität, Graz, 1996
- Das Wassertal in Ostmarmatien. Erzählvorgang und Erzählfunktion in einem multikulturellen, gemischtethnischen Gebiet, dargestellt am Beispiel der Volksmärchen'. Dissertation. (Schriftenreihe der Kommission für ostdeutsche Volkskunde in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde e.V., Kiel: Bd.1). Steffen Kaiser: München, 1996
- Hans Mattis-Teutsch (1884-1960). Grafiken, Schriften, Zeitdokumente. Katalog. Haus des Deutschen Ostens: München, 1993
- Töpferkunst der Deutschen in Rumänien. Bibliographie. Keramik-Freunde der Schweiz / Amis de la Céramique, Neujahrsgabe, 1972. Zürich: Verlag und Schriftenreihe des Schweizer Landesmuseums
Weblinks
- Literatur von und über Claus Stephani im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Grüne Mutter Bukowina, Deutsch-jüdische Schriftsteller. Eine Dokumentation in Handschriften, Büchern und Bildern. Ausstellung. In: Kulturpolitische Korrespondenz, 30. Juli 2010, abgerufen am 4. Februar 2011
- Michaela Trost: Kulturlandschaft Bukowina: Literarische Dokumentarschau in München. In: Siebenbürgische Zeitung, 2. Mai 2010, abgerufen am 4. Februar 2011
- Webseite von Claus Stephani, abgerufen am 15. März 2011
Einzelnachweise
- ↑ Bericht eines Securitate-Mitarbeiters. Schwester Lüge, Bruder Schmerz In: F.A.Z., 20. November 2010, abgerufen am 23. November 2010
- ↑ Securitate-Mitarbeit. Die Fortsetzung der Verleumdung In: F.A.Z., 23. November 2010, Seite 31
- ↑ Wiliam Totok: Streiflichter. Aus den Hinterlassenschaften der Securitate, in: Halbjahresschrift für südosteuropäische Geschichte, Literatur und Politik, Heft 1–2/2010, Seite 33–64, Oktober 2010
- ↑ Peter Motzan: Ein Bericht des IM „Moga“ und seine Folgen. Siebenbürgische Zeitung, 2. Dezember 2010, abgerufen am 20. Januar 2011.
- ↑ Claus Stephani: Wer war eigentlich IM „Moga“? – Stellungnahme von Claus Stephani. Siebenbürgische Zeitung, 8. Dezember 2010, abgerufen am 20. Januar 2011.
- ↑ Richard Wagner: Claus Stephani, "Mircea Moga", "Moga" & "Marin". Siebenbürgische Zeitung, 16. Dezember 2010, abgerufen am 20. Januar 2011.
- ↑ "Marin" In: Halbjahresschrift für südosteuropäische Geschichte, Literatur und Politik (Halbjahresschrift - hjs-online), 3. Februar 2011, abgerufen am 4. Februar 2011
- ↑ Carsten Hueck:Schicksalhafte Wege. In: Deutschlandradio Kultur, 6. August 2009, abgerufen 4. Februar 2011
- ↑ Ernest Wichner: Liebe, Hass und Mord. In: Die Welt, 29. August 2009, abgerufen am 4. Februar 2011
- ↑ Blumenkind. Ein böser Traum. In: OE1 ORF, 15. September 2009, abgerufen am 4. Februar 2011
- ↑ Claus StephaniIn: Literavideo Herbst 2009, abgerufen am 4. Februar 2011
- ↑ Claus Stephani. Blumekind. Klappentext und Rezension. In: perlentaucher.de, abgerufen am 4. Februar 2011
- ↑ Georg Aescht: Ein jüdisches Frauenschicksal. In: David, Heft 85, 06/2010, abgerufen am 4. Februar 2011
- ↑ M. Czekelius: Claus Stephani: Vom Ende der Menschlichkeit. In: Siebenbürgische Zeitung, 26. Februar 2006, abgerufen am 4. Februar 2011
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