Rumäniendeutsche

Rumäniendeutsche

Rumäniendeutsche ist eine Sammelbezeichnung für die traditionellen, regional weitgehend getrennt lebenden deutschsprachigen Minderheiten in Rumänien. Das Deutschtum in Rumänien war nur in der Zwischenkriegszeit zahlenmäßig von Bedeutung, da die Gebiete mit hohem deutschstämmigen Bevölkerungsanteil wie Banat und Siebenbürgen erst nach dem Ersten Weltkrieg Teil Rumäniens wurden und Umsiedlung, Flucht, Deportation und Vertreibung während und nach dem Zweiten Weltkrieg die Zahl der Rumänien-Deutschen wiederum stark dezimierte.

Inhaltsverzeichnis

Zusammensetzung

Die deutschen Gemeinschaften in Rumänien im 20. Jahrhundert in Zahlen[1]
Volksgruppe 1930 1977 2002
Siebenbürger Sachsen
230.000
170.000
18.000
Banater Schwaben
237.000
138.000
19.000
Sathmarer Schwaben
27.000
8.000
6.000
Banater Berglanddeutsche
37.000
22.000
6.000
Landler
6.000
4.000
250
Bukowinadeutsche
75.000
Dobrudschadeutsche
12.000
Bessarabiendeutsche
81.000

Die deutschsprachige Bevölkerung setzt sich zusammen aus den:

Alle diese Untergruppen der Rumäniendeutschen weisen hinsichtlich Herkunft, regionaler Geschichte, sozialer Struktur und Konfessionszugehörigkeit große Unterschiede auf.

Geschichte

Ursprünge

Siedlungsgebiete der Deutschen in Siebenbürgen und Banat (Stand 1918)

Die wichtigsten Volksgruppen innerhalb der Rumäniendeutschen sind die Siebenbürger Sachsen und die Banater Schwaben, letztgenannte aus der übergeordneten Volksgruppe der Donauschwaben.

Die Siebenbürger Sachsen siedelten sich im 12. Jahrhundert unter dem ungarischen König Géza II. in Siebenbürgen an. Die Herkunftsgebiete der Kolonisten lagen größtenteils im heutigen Luxemburg, Lothringen, dem Elsass und den Gebieten der damaligen Bistümer Köln, Trier und Lüttich (heute also zwischen Flandern, Wallonien, Luxemburg, Westerwald und Hunsrück bis hinein ins Westfälische). Die Siebenbürger Sachsen sind seit der Reformation durch Honterus überwiegend evangelisch.

Die Banater Schwaben siedelten sich im 17. bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Laufe der vom Haus Habsburg organisierten Ansiedlung Schwabenzüge in den Ländern der Stephanskrone an, besonders in der Pannonischen Tiefebene entlang des Mittellaufs der Donau. Ihre Ursprünge lagen größtenteils in Lothringen, Elsass, Pfalz, Rhein- und Mainfranken, aber auch Schwaben, Franken, Bayern, Hessen, Böhmen, Innerösterreich, sowie die Österreichische Niederlande (heute: Luxemburg, Belgien) hatten zeitweise einen größeren Anteil. Die Siedler waren vorwiegend katholischen Glaubens.

Folgen des Ersten Weltkriegs

Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Grenzen Südosteuropas neu geordnet. Rumänien erhielt von Österreich das ehemalige Kronland Bukowina, von Ungarn das heutige Siebenbürgen und das östliche Banat sowie von Bulgarien die Dobrudscha. Außerdem besetzten rumänische Truppen das davor russische Bessarabien. Nach der ersten amtlichen Volkszählung von 1930 lebten etwa 9,25 Millionen Menschen in diesen neu erworbenen Gebieten, die eine ethnisch stark gemischte Bevölkerung aufwiesen. Nur etwas mehr als die Hälfte waren Rumänen, die deutschsprachige Bevölkerung stellte mit 760.000 Personen nach der ungarischen die zweitstärkste nicht-rumänische Gruppe.

Die Volksgruppe im Zweiten Weltkrieg

Plakatwand mit Durchhalteparolen in Nordsiebenbürgen, August 1944

1940 kam durch den Zweiten Wiener Schiedsspruch ein Teil der Rumäniendeutschen zu Ungarn. Rumänien musste auf mehrere, erst 1918 erworbene Gebiete zugunsten Ungarns, Bulgariens und der Sowjetunion verzichten.

Die Dobrudscha-, Bessarabien- und Bukowinadeutschen wurden in das Deutsche Reich umgesiedelt, nachdem dieses mit den rumänischen, bulgarischen und sowjetischen Regierungen entsprechende Vereinbarungen geschlossen hatte. Danach lebten noch etwa 550.000 Deutsche im Rumänien. Die Banater Schwaben bildeten mit etwa 320.000 die größte Gruppe, Siebenbürger Sachsen mit etwa 200.000 die zweitgrößte. Kurz danach erließ die rumänische Regierung auf Druck des Deutschen Reiches ein Minderheitenstatut für die verbliebenen Rumäniendeutschen. Ein Volksgruppengesetz räumte ihnen den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ein, und die im November 1940 gegründete „NSDAP der deutschen Volksgruppe in Rumänien“ wurde zum „nationalen Willensträger“ der Rumäniendeutschen erklärt.

Nahezu 64.000 Rumäniendeutsche traten als überwiegend Freiwillige in die Waffen-SS ein, davon 50.000 nach 1943. Sie dienten unter anderem in der 7. SS-Freiwilligen-Gebirgs-Division „Prinz Eugen“, mindestens 2000 auch in Konzentrationslager-Wachmannschaften. Die Gefallenenquote der Rumäniendeutschen war mit 27,5 Prozent überdurchschnittlich hoch.[2]

Nach dem Seitenwechsel Rumäniens und der Kriegserklärung an Deutschland am 23. August 1944 flohen viele Deutsche aus Nordsiebenbürgen und dem Banat nach Westen, vor allem nach Österreich und Deutschland.

Nach 1945

Bundespräsident Karl Carstens empfängt Landsmannschaften der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben am 11. Februar 1981 in Bonn, Aufnahme aus dem Bundesarchiv

Bei der ersten Volkszählung nach dem Zweiten Weltkrieg Ende Januar 1948 wurden in Rumänien rund 345.000 Menschen deutscher Volkszugehörigkeit registriert. Als vorgebliche „Kollaborateure Hitlers“ wurde die Volksgruppe für mehrere Jahre kollektiv entrechtet und der Willkür staatlicher Stellen ausgesetzt. Hierzu gehören die Verschleppung in die Sowjetunion im Januar 1945 und die Deportation in die Bărăgan-Steppe im Juni 1951.

Zudem wurde infolge des Bodenreformgesetzes im März 1945[3] den Rumäniendeutschen auf dem Lande der Feldbesitz, die Häuser, das Großvieh und alle landwirtschaftlichen Maschinen und Geräte enteignet. Erst durch einen Ministerialbeschluss im Dezember 1955[4], der die Befreiung und Heimkehr der Bărăgan-Deportierten regelte, wurden der Feldbesitz und die Häuser teilweise – und hauptsächlich in kleineren Gemeinden – rückerstattet.[5] Im Gegenzug mussten die Eigentümer mitsamt ihrem Eigentum jedoch in die Kollektive der kommunistisch gelenkten Landwirtschaftsbetriebe eintreten.

Hinzu kam eine die gesamte Bevölkerung des Landes (insgesamt etwa 80.000 Bauern) um 1950 treffende und etappenweise durchgeführte Zwangskollektivierung, sowie die Nationalisierung der Industrie, des Handels, der Banken und des Transportwesens vom 11. Juni 1948.[6]

Trotz der zeitweiligen Lockerung dieser Repressionen in den 1960er und 1970er Jahren verspürte die überwiegende Mehrheit der Rumäniendeutschen den Wunsch, das Land permanent zu verlassen, was ihnen zu dieser Zeit nur in seltenen Fällen gelang.[7]

Mit dem Freikauf von Rumäniendeutschen durch die deutsche Bundesregierung wurde zwischen 1967 und 1989 die Ausreise von 226.654 Rumäniendeutschen aus Rumänien in die Bundesrepublik Deutschland erwirkt. Die Höhe der Zahlungen für das sogenannte Kopfgeld wurde auf über 1 Milliarde DM geschätzt.[8]

Nach der Rumänischen Revolution von 1989

Zweisprachiges Ortsschild in Hermannstadt
Deutsche in Rumänien (Volkszählung 2002)

Innerhalb der ersten sechs Monate nach der Rumänischen Revolution von 1989 verließen 111.150 Deutschstämmige „fluchtartig, in Panik das Land“. Misstrauen und mangelndes Vertrauen in die Rechtslage in Rumänien prägte das Bewusstsein auch jener Rumäniendeutschen, die ihren Ausreisewunsch hinausschieben mussten, trotz der am 21. November 1991 verabschiedeten neuen rumänischen Verfassung, welche die Gleichheit aller Bürger und das Recht der nationalen Minderheiten auf die „Bewahrung, Entwicklung und Äußerung ihrer ethnischen, kulturellen, sprachlichen und religiösen Identität“ versprach.

Die Bundesregierung sah sich ab Mitte des Jahres 1990 gezwungen, eine Reihe gesetzlicher Maßnahmen zu beschließen mit dem Ziel, die Einreise dieser Personengruppe in die Bundesrepublik zahlenmäßig zu beschränken. Vordringliches Ziel dieser Politik war die Stabilisierung der deutschen Minderheit in Rumänien. Hierzu wurden die diplomatischen Rahmenbedingungen in den bilateralen Beziehungen zwischen beiden Staaten verbessert, sowie ein weitverzweigtes Netz vielfältiger materieller Hilfeleistungen eingerichtet. Der am 21. April 1992 unterzeichnete Vertrag über die Freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien verbesserte die rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Bedingungen für das künftige Bestehen der deutschen Minderheit in Rumänien. Allein in den ersten fünf Jahren nach der Wende beliefen sich die von der Bundesregierung geleisteten Hilfen für die deutsche Minderheit in Rumänien auf einen Wert von 122 Millionen DM.[9]

Die Zahl der Personen mit deutschem Hintergrund in Rumänien lag bei der Volkszählung von 2002 bei unter 50.000.[1]

Die politische Vertretung der Rumäniendeutschen im heutigen Rumänien ist das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR).

Literatur

Siehe auch: Rumäniendeutsche Literatur

Weblinks

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b Hannelore Baier, Martin Bottesch, u.a.: Geschichte und Traditionen der deutschen Minderheit in Rumänien (Lehrbuch für die 6. und 7. Klasse der Schulen mit deutscher Unterrichtssprache). Mediaș 2007, S. hier 19-36.
  2. Paul Milata: Zuweisungsmuster der Waffen-SS für Rumäniendeutsche in der Siebenbürger Zeitung vom 29. Oktober 2007
  3. Bodenreformgesetztes Nr. 187 vom 23. März 1945
  4. Ministerialbeschluss Nr. 2694 vom 7. Dezember 1955
  5. Wilhelm Weber: Über uns der blaue endlose Himmel. München 1998, ISBN 3-00-002932-X, S. , in rumänischer Sprache.
  6. Hilke Gerdes: Rumänien: Mehr als Dracula und Walachei. Ch. Links Verlag, 2007, ISBN 3861534568, 9783861534563, S. 224.
  7. km.bayern.de, Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, Bernhard Beller: Europa im Karpatenbogen, Textheft zur Wandzeitung „Gesellschaft und Staat“ Nr. 5/2008, Lüders & Baran, Agentur für Kommunikation, München, 2009
  8. kulturraum-banat.de, Ernst Meinhardt: Der Freikauf der Rumäniendeutschen – Was sagen deutsche Politiker dazu? Was geben die Archive her?
  9. bpb.de, Bundeszentrale für politische Bildung, Anneli Ute Gabanyi: Geschichte der Deutschen in Rumänien

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