Deutsche Gildenschaft

Deutsche Gildenschaft

Die Deutsche Gildenschaft (DG) ist ein Dachverband von Studentenverbindungen.

Im Gegensatz zu den klassischen Korporationen, wie Burschenschaften und Corps, nimmt die Gildenschaft Frauen als gleichberechtigte Mitglieder auf. Die Deutsche Gildenschaft ist Mitglied des Convent Deutscher Korporationsverbände und Convent Deutscher Akademikerverbände.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Deutsche Gildenschaft wurde 1923 in der Überzeugung geschaffen, dass die Aufbruchstimmung, die man in der damals noch jungen Wandervogelbewegung etwa zwei Jahrzehnte erlebt hatte, während des Studiums nicht verloren gehen sollte. In der Zeit unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg meinten die Gründer, dass eine Haltung von Aufbruch und Neubeginn vor allem im Bereich der Universitäten notwendig sei. Nach Ansicht der Gründer der Deutschen Gildenschaft sollte dies durch die Gründung von Studentenverbindungen aus Gleichgesinnten geschehen.

Nachdem es seit 1919 lose Zusammenschlüsse gegeben hatte, kam es 1920 zur Bildung der Deutsch-Akademischen Gildenschaft (DAG) als Verband von Gilden einzelner Universitätsstädte. 1923 schlossen sich die DAG mit österreichischen Gilden und sudetendeutschen Freischaren in Hofbieber in der Rhön zum Dachverband Großdeutsche Gildenschaft zusammen. Diesem Dachverband trat 1927 der der Deutschen Freischar nahestehende Ring Akademischer Freischaren bei. 1930 folgte der Großdeutsche Gildenring als Studentenorganisation des Großdeutschen Jugendbundes.[1]

Die Gilden wollten, so hieß es, „durch Wanderfahrten, Turnen und Fechten ihre Mitglieder zu wehrhaften Männern erziehen“ und verlangten von ihren Mitgliedern „Verantwortlichkeitsgefühl gegenüber der deutschen Volksgemeinschaft“.[2] Man beschrieb sich zum Zeitpunkt der Gründung als Avantgarde einer neuen „völkischen Gemeinschaft“ und orientierte sich in Abgrenzung zu freideutschen Kreisen an der jungdeutschen Bewegung.[3] So verwehrte man zu dieser Zeit Frauen eine Mitgliedschaft und hatte eine zunehmend völkische Ausrichtung. Hochschulpolitisch forderte die Gildenbewegung „Elitebildung“ statt „Vermassung“ und nach Haar „eine rassistische Zulassungspraxis, die jüdische Studenten ausschloß“. Als „geistige Zielgemeinschaft“ und „im körperlichen Wettkampf gestählte Turngemeinde“ habe die exklusiv männliche Studentenschaft für eine neue, „kämpfende“ Wissenschaft einzutreten.[4]

Zusammen mit paramilitärischen Verbänden nahmen Gildenschafter an den Grenzkämpfen im Baltikum, Oberschlesien und Kärnten teil. 1923 nahmen Gildenangehörige, vornehmlich als Mitglieder des Bundes Oberland, am Hitler-Ludendorff-Putsch teil. Über Doppelmitgliedschaften waren Gildenbrüder eng mit dem völkisch-radikalen Spektrum der Weimarer Republik verbunden. Von den traditionellen Korporationen und Burschenschaften grenzte sich die Gildenschaftsbewegung durch ihren „radikal-völkischen Gestus“ ab. Bis 1929 umfasste sie sämtliche nationalen Strömungen der Weimarer Republik, von Nationalrevolutionären um Ernst Niekisch über Nationalbolschewisten und Jungkonservative bis hin zu Nationalsozialisten. Dieses Nebeneinander politischer Positionen führte mehrfach zu Richtungsstreitigkeiten innerhalb des Bundes. So trat 1930 die nationalsozialistische Vereinigung Gilde Ernst Wurche aus dem Verband aus. 1932 kam es auf dem Bundestag in Hohnstein zur Abspaltung von weiteren 14 Gilden, die den nationalrevolutionären Kurs nicht mittragen wollten. 1933 erfolgte eine Wiedervereinigung und der Zusammenschluss mit der akademischen Jungmannschaft des Großdeutschen Bundes zur Bündischen Gildenschaft. Die Gildenschaft hatte bis ins Jahr 1935 Bestand und wurde auf dem Bundestag in Natternberg aufgelöst.[1]

Der Dachverband wurde 1958 wiedergegründet. Die heutige politische Einordnung der Gildenschaften ist umstritten. Eine wesentliche Begründung dafür wird in der Zusammensetzung der Mitglieder gesehen. So stammt ein Teil der Mitglieder aus dem Freibund.

Im Januar 2010 teilte die Niedersächsische Landesregierung auf eine kleine Anfrage der Abgeordneten Pia-Beate Zimmermann mit, dass die derzeit vorliegenden Erkenntnisse über die Deutsche Gildenschaft deren Einstufung als Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes nicht rechtfertigten. Jedoch „verfolgt die Verfassungsschutzbehörde die Entwicklung mit großer Aufmerksamkeit, um zu prüfen, ob die Grenze zur verfassungsfeindlichen Bestrebung überschritten ist.“[5]

Verbindungen zur Neuen Rechten

Einzelne Gildenmitglieder waren wesentlich an der Gründung von Institutionen der Neuen Rechten wie der Wochenzeitung Junge Freiheit, dem Institut für Staatspolitik (IfS) und dem Verlag Edition Antaios beteiligt.[6]

Laut Helmut Kellershohn ist mit diesen drei „Institutionen“ ein arbeitsteilig miteinander kooperierendes Netzwerk entstanden,[6] welches wegen verfassungsfeindlichen Bestrebungen im Jahre 2002 vom Landesamt für Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen beobachtet wurde.[7][8][9] 2005 untersagte das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil zu Gunsten der Jungen Freiheit diese Praxis, da verfassungsfeindliche Bestrebungen nicht erwiesen seien und die vorliegenden Anhaltspunkte für eine Nennung nicht ausreichten.[10]

Zu den bedeutendsten Gildenmitgliedern zählen:

Literatur

  • Ingo Haar: „Revisionistische“ Historiker und Jugendbewegung. Das Königsberger Beispiel. In: Peter Schöttler (Hrsg.): Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft 1918–1945. Frankfurt a. M. 1997, S. 52–103
  • Albrecht Meyen, Siegfried Leffler: Der Gedankenkreis der Deutsch-Akademischen Gildenschaft: ein Rückblick und ein Ausblick für jungdeutsche Burschen. Bärenreiter-Verlag, Augsburg[-Aumühle] 1925 (Der deutsche Bursch; Beiheft 1)
  • Hartmut Kellershohn: Im „Dienst an der nationalsozialistischen Revolution“. Die Deutsche Gildenschaft und ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus. In: Jahrbuch des Archivs der deutschen Jugendbewegung, Band 19 (1999–2004). Wochenschau Verlag, Schwalbach/Taunus 2004, ISSN 0587-5277, S. 255–292. Online

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Hartmut Kellershohn: Im „Dienst an der nationalsozialistischen Revolution“. Die Deutsche Gildenschaft und ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus. In: Jahrbuch des Archivs der deutschen Jugendbewegung. Band 19 (1999–2004), Wochenschau Verlag, Schwalbach/Taunus 2004, ISSN 0587-5277, S. 255–292
  2. Wandervogel, Heft 9/10, 1920, S. 213
  3. Sigrid Bias-Engels: Zwischen Wandervogel und Wissenschaft – Zur Geschichte von Jugendbewegung und Studentenschaft 1896–1920. Edition Archiv der deutschen Jugendbewegung, Bd. 4, Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1988, S. 210
  4. Ingo Haar: „Revisionistische“ Historiker und Jugendbewegung. Das Königsberger Beispiel. In: Peter Schöttler (Hrsg.): Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft 1918–1945, Frankfurt a. M. 1997, S. 52–103, hier: S. 57
  5. Stenografisches Protokoll,. Niedersächsische Landesregierung, abgerufen am 9. Februar 2010, Frage 41, PDF; 2,14 MB.
  6. a b Helmut Kellershohn: Ein Institut zur ideologischen Aufrüstung der CDU: Die Deutsche Gildenschaft und die Gründung des „Instituts für Staatspolitik“. In: DISS-JOURNAL 8 (2001)
  7. Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2002, S. 111 Landesamt für Verfassungsschutz NRW, S. 110f
  8. Margret Chatwin: Griff nach der Meinungshoheit. In: Stephan Braun, Ute Vogt (Hrsg.): Die Wochenzeitung „Junge Freiheit“. Verlag für Sozialwissenschaft, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-531-15421-3, S. 258.
  9. Christoph Butterwegge: Themen der Rechten, Themen der Mitte: Zuwanderung, demografischer Wandel und Nationalbewusstsein. Leske und Budrich, Leske und Budrich 2002, ISBN 3-8100-3419-3, S. 246.
  10. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Mai 2005. BVerfG, 1 BvR 1072/01 vom 24. Mai 2005, Absatz-Nr. (1 - 92), http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20050524_1bvr107201.html

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