- Deutsche Schutztruppe
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Schutztruppe war die offizielle Bezeichnung der militärischen Einheiten in den deutschen Kolonien in Afrika von 1891 bis 1918.
In den deutschen Kolonien Deutsch-Ostafrika, Kamerun und Deutsch-Südwestafrika befanden sich eigene Kolonialtruppen, die die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Inneren zur Aufgabe hatten. Zu ihren Aufgaben gehörte die Eroberung der nicht vertraglich erworbenen Kolonialterritorien, die Niederschlagung von Aufständen, Grenzsicherung oder Sicherung von Expeditionen. Für eine Kriegsführung gegen andere koloniale Streitkräfte waren sie nicht konzipiert.
In den deutschen Kolonialgebieten der Südsee sowie in Togo bestanden lediglich Polizeieinheiten, da es hier keinen umfangreichen Widerstand gegen die deutsche Machtergreifung gab. Das deutsche Militär im chinesischen Kiautschou bestand aus Einheiten der Marine, wie auch diese Kolonie dem Reichsmarineamt unterstellt war.
Inhaltsverzeichnis
Rechtsverhältnisse der Schutztruppen
Die Schutztruppen bildeten einen vom Reichsheer und der Kaiserlichen Marine unabhängigen Teil des Militärs des Deutschen Reiches unter dem Befehl des Deutschen Kaisers. Mit Ausnahme von Deutsch-Südwestafrika bestanden diese Einheiten überwiegend aus einheimischen Soldaten unter dem Befehl von deutschen Offizieren und Unteroffizieren.
Der Begriff „Schutztruppe“ geht auf die Entscheidung des Reichskanzlers Otto von Bismarck zurück, für die erworbenen beziehungsweise eroberten Überseegebiete den Begriff Schutzgebiet anstelle von Kolonie zu verwenden. Als erstes wurde in Deutsch-Ostafrika die bisherige privatrechtliche Söldnerarmee durch Reichsgesetz vom 22. März 1891 in eine staatliche Streitmacht umgewandelt. Dementsprechend wurden auch die Streitkräfte für Kamerun und Deutsch-Südwestafrika durch ein Reichsgesetz vom 9. Juni 1895 begründet und Schutztruppe genannt.
Die zusammenfassende Regelung der Rechtsverhältnisse der Schutztruppen in den afrikanischen Kolonien erfolgte durch das Reichsgesetz vom 7./18. Juli 1896 (Schutztruppengesetz). 1907 wurde die Verwaltung der Schutztruppe in das neu geschaffene Reichskolonialamt eingegliedert. Das Oberkommando der Schutztruppen war in der Mauerstraße 45/46 (Berlin-Mitte) untergebracht, in unmittelbarer Nähe des Reichskolonialamtes.
Ostafrika
→ Hauptartikel: Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika
In Deutsch-Ostafrika wurden erstmals eigene militärische Einheiten für eine deutsche Kolonie gebildet. Hier hatte 1889 der Reichskomissar Wissmann im Auftrag der deutschen Regierung eine private Söldnerarmee zur Bekämpfung des Aufstandes der ostafrikanischen Küstenbevölkerung aufgestellt. 1891 wurde diese sogenannte Wissmann-Truppe in eine Streitmacht des Deutschen Reiches umgewandelt.
Die Truppen setzten sich aus deutschen Offizieren, Sanitäts- und Veterinäroffizieren, Unteroffizieren und Beamten zusammen, die für diese Tätigkeit aus Heer beziehungsweise Marine ausschieden und mit der Option zur Rückkehr in den Dienst der Schutztruppe wechselten. Die Mannschaftsdienstgrade in Ostafrika waren durchweg mit angeworbenen Einheimischen besetzt, die Askari genannt wurden. Es gab auch „farbige“ Unteroffizere und Offiziere, die mit ägyptisch-osmanischen Rangbezeichnungen wie Schausch oder Effendi benannt wurden.
Südwestafrika
Die Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika bestand ausschließlich aus Soldaten des Heeres und der Marine (und auch Österreichern), die sich freiwillig aus ihren Regimentern für die Truppe gemeldet hatten. Hier gab es keine afrikanischen Soldaten. Vor der Verschiffung nach Afrika wurden die Freiwilligen auf deutschen Ausbildungsstützpunkten für ihre speziellen Aufgaben vorbereitet. Solch ein Stützpunkt befand sich beispielsweise in Karlsruhe. Wegen der oft feucht-heißen Bedingungen am Oberrhein sorgte man hier für eine frühe Akklimatisierung.
Kamerun
Die Kameruner Schutztruppe ging 1894 im Zuge einer Reorganisation der Streitkräfte nach dem „Dahomé-Aufstand“ aus der drei Jahre zuvor gebildeten Polizeitruppe hervor. Erster Kommandeur war Max von Stetten. Wie in Ostafrika bestand sie auch aus afrikanischen Soldaten, die von deutschen Offizieren und Unteroffizieren geführt wurden.
In den zwanzig Jahren ihres Bestehens wurde die Truppe sukzessive vergrößert, zuletzt um zwei Kompanien zur Eingliederung Neukameruns. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges bestand sie aus zwölf Kompanien.
Stärke
1913 bestanden die Schutztruppen in Deutsch-Ostafrika aus 410 Deutschen und 2.682 Askari, in Deutsch-Südwestafrika aus 1.967 Deutschen und in Kamerun aus 185 Deutschen und 1.560 Einheimischen.
Strafrecht
Für die deutschen Angehörigen der Schutztruppen galten die deutschen Militärgesetze und die deutsche Militärdisziplinarstrafordnung. Die Militärstrafgerichtsbarkeit über sie wurde nach der Verordnung vom 26. Juli 1896 durch das Gericht des Oberkommandos der Schutztruppen (Reichskanzler und ein vortragender Rat) und Abteilungsgerichte (Befehlshaber der Abteilung und ein untersuchungsführender Offizier) verwaltet. Das Verfahren war das der deutschen Militärstrafgerichtsordnung vom 1. Dezember 1908.
Für die Mehrzahl der einheimischen Soldaten konnten daneben aber auch Bestimmungen des sogenannten Eingeborenenrechtes angewandt werden, die beispielsweise Prügelstrafe und das Anlegen von Ketten erlaubten. [1]
Aufstellung der Schutztruppen
- Oberkommando der Schutztruppen (ab 1897): Berlin – Reichskolonialamt
Deutsch-Ostafrika
- Deutsch-Ostafrika – Kommando Daressalam
- Stärke: 68 Offiziere, 42 Ärzte, 150 deutsche Beamte, Feuerwerker und Unteroffiziere, 2.472 afrikanische Soldaten
Details zur Aufstellung der 14 Kompanien vor Beginn des Weltkrieges siehe Hauptartikel Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika
Deutsch-Südwestafrika
- Deutsch-Südwestafrika – Kommando Windhuk
- Stärke: 90 Offiziere, 22 Ärzte, 9 Veterinäre, 59 Beamte, Feuerwerker, 342 Unteroffiziere, 1.444 deutsche Soldaten
- Gericht des Kommandos, Intendantur, Sanitätsamt und Vermessungstrupp
- Nordbezirk Kommando Windhuk
- 1. Kompagnie: Regenstein, Seeis
- 4. Kompagnie (MG): Okanjande
- 6. Kompagnie: Outjo und Otavi
- 2. Batterie: Johann-Albrechts-Höhe
- Verkehrszug 1: Karibib
- Proviantamt: Karibib
- Pferdedepot: Okawayo
- Artillerie- und Train Depot: Windhuk
- Lazarett: Windhuk
- Hauptsanitätsdepot: Windhuk
- Bekleidungsdepot: Windhuk
- Ortskommandantur: Windhuk
- Ortskommandantur u. Proviantamt: Swakopmund
- Südbezirk Kommando: Keetmanshoop
- 2. Kompagnie: Ukamas
- 3. Kompagnie: Kanus
- 5. Kompagnie (MG): Chamis und Churutabis
- 7. und 8 Kompagnie: Gochas und Arahoab (Kamelreiter (Kavallerie) und MG), Lazarett.
- 1. Batterie: Narubis
- 3. Batterie: Kranzplatz bei Gibeon
- Verkehrszug 2: Keetmanshoop
- Artillerie- und Train-Depot: Keetmanshoop
- Lazarett- und Sanitätsdepot: Keetmanshoop
- Bekleidungsdepot: Keetmanshoop
- Proviantamt: Keetmanshoop
- Garnisonverwaltung: Keetmanshoop
- Pferdedepot: Aus
- Kamelgestüt: Kalkfontein
- Ortskommandantur u. Proviantamt: Lüderitzbucht
Kamerun
- Stärke: 61 Offiziere, 17 Ärzte, 23 Beamte, Feuerwerker, 98 deutsche Unteroffiziere, 1.550 afrikanische Soldaten
- 1. Kompagnie (Stammkompanie) und Artilleriedetachement: Duala
- 2. Kompagnie: Bamenda, Wum und Kentu
- 3. Kompagnie: Mora und Kusseri
- 4. Kompagnie (Expeditionskompanie): Soppo
- 5. Kompagnie: Buar und Carnot
- 6. Kompagnie: Mbaiki, Nola und Nguku
- 7. Kompagnie: Garua, Nassarau (Nassarao), Mubi, Marua, Lere
- 8. Kompagnie: Ngaundere
- 9. Kompagnie: Dume und Baturi
- 10. Kompagnie: Ojem und Mimwoul
- 11. Kompagnie: Akoafim, Ngarabinsam und Minkebe
- 12. Kompagnie: Bumo, Fianga, Gore und Schoa
Polizeitruppen
In Afrika und in der Südsee waren diese den Zvilbehörden, in Kiautschou dem Gouvernement unterstellt. Sie waren jedoch in keinem Fall Teil einer militärischen Verwaltung. (Bei den Zahlenangaben über Polizeitruppen handelt es sich häufig um Sollstärken.)
- Stärke: 4 Offiziere, 61 deutsche Wachtmeister, 147 afrikanische Unteroffiziere, 1.863 Askari (ohne so genannte „Knüppel-Askaris“)
- Stärke: 4 Offiziere, 37 Köpfe sonstiges deutsches Personal, 1.255 Mann (ausschließlich Zoll)
- Stärke: 7 Offiziere, 9 Köpfe Verwaltung, 68 Polizeiwachtmeister, 432 Polizeiserganten, 50 Vertragspolizisten, außerdem einheimische Polizeidiener
- Stärke: 2 Offiziere, ? Polizeimeister, 530 afrikanische Soldaten
- Stärke: 19 deutsche Polizeimeister, 670 einheimische Polizisten in Neuguinea und auf den Inseln; 1 einheimischer Polizeimeister, 30 Fita, 20–25 Landespolizisten auf Samoa. Die Fitafita bestand aus Häuptlingssöhnen und war hauptsächlich für den Ordonnanzdienst, den Dienst als Bootsmannschaft, Hilfspolizist, Ehrenwache und Postbote vorgesehen. Die Landespolizisten waren dagegen für den üblichen Polizeidienst vorgesehen.
- sog. chinesische Polizei (war Teil der Zivilverwaltung und bestand ausschließlich aus Chinesen)
- Europäischer Stab und 60 Chinesen
Die berittene Landespolizei von Deutsch-Südwestafrika bestand im Gegensatz zu den berittenen Polizeien der anderen Kolonien ausschließlich aus Deutschen.
Moderne Schutztruppen
Im heutigen Sprachgebrauch bezeichnet der aus der Kolonialzeit stammende Begriff Schutztruppe (meist internationale) Truppen, die in anderen Ländern nach einem Krieg oder Ähnlichem die öffentliche Ordnung und Sicherheit gewährleisten sollen. Ein Beispiel für eine solche Schutztruppe ist die ISAF in Afghanistan.
Fußnoten
- ↑ vgl. die Artikel „Eingeborenenrecht“ und „Militärstrafgesetze“ im Deutschen Koloniallexikon.
- ↑ Stand: 1914
Literatur
- Deutsches Kolonial-Lexikon, 1920, Band III, S. 321 ff. [1]
- Werner Haupt: Die Deutsche Schutztruppe 1889/1918, Dörfler Verlag
- Florian Hoffmann: Okkupation und Militärverwaltung in Kamerun. Etablierung und Institutionalisierung des kolonialen Gewaltmonopols 1891–1914, Göttingen 2007
- Thomas Morlang: Askari und Fitafita. „Farbige“ Söldner in den deutschen Kolonien, Berlin 2008
- Wolfgang Reith: Die Kommandobehörden der Kaiserlichen Schutztruppe in der Heimat in Deutsches Soldatenjahrbuch 2000 und 2001 (2 Teile) Schild-Verlag, München
Weblinks
- Traditionsverband ehem. Schutz- und Überseetruppen e.V.
- Mauerstraße 45/46: Das Oberkommando der Schutztruppen (Afrika in Berlin – Stadtspaziergang des DHM)
- Polizeiuniformen in den deutschen Schutzgebieten
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