Dieter Wisliceny

Dieter Wisliceny

Dieter Wisliceny (* 13. Januar 1911 in Regulowken, Amtsbezirk Borkenwalde im Landkreis Angerburg, Ostpreußen; † 27. Februar 1948 in Bratislava) war SS-Hauptsturmführer (1940) und von 1940 bis 1944 „Beauftragter für jüdische Angelegenheiten“ für die Slowakei, Ungarn und Griechenland.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Wisliceny soll nach seiner Schulzeit ein begonnenes Theologiestudium abgebrochen haben und auch als Journalist tätig gewesen sein. Er trat 1931 der NSDAP (Mitgliedsnr. 672.774) und SA bei.[1] Er wechselte 1934 von der SA zur SS (Mitgliedsnr. 107.216) und wurde Angehöriger des SD.[2] Von 1934 bis 1937 war er in Berlin tätig, zunächst als Referent für Freimaurerfragen im SD-Hauptamt und von April 1937 bis November 1937 leitete er dort das „Judenreferat“ des SD. Anschließend arbeitete er bis 1940 in Danzig beim SD. Auf einen Vorschlag Adolf Eichmanns, den er gut kannte, ging er im September 1940 als Vertreter des Reichssicherheitshauptamtes (Referat IV B 4: „Judenangelegenheiten“) mit einer deutschen Delegation nach Bratislava, wo er als „Spezialist und Berater in jüdischen Angelegenheiten“ für die slowakische Regierung arbeitete.[3] Am 6. Februar 1943 schickte man Wisliceny gemeinsam mit Alois Brunner nach Griechenland, wo er das „Sonderkommando für Judenangelegenheiten“ in Saloniki leitete. Dabei wurden im Zeitraum vom 14. März bis zum 7. August 1943 in 19 Zugtransporten 43.850 Juden, d.h. 95 Prozent der jüdischen Bevölkerung von Saloniki, deportiert, die meisten davon in das KZ Auschwitz-Birkenau (siehe dazu Deportation der Juden von Saloniki). Im Herbst und Winter 1943 leitete Wisliceny ein „Judenreferat“ beim Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in Athen, dem auch Alfred Slawik angehörte.[4] Am Tag der deutschen Besetzung Ungarns, dem 12. März 1944, traf Wisliceny in Budapest als Mitglied des „Sondereinsatzkommandos Eichmann“ ein, das von April bis Oktober 1944 über 400.000 ungarische Juden ins KZ Auschwitz deportieren ließ, die dort größtenteils umgehend vergast wurden.[5]

Wisliceny war bis Oktober 1944 für die Deportation der slowakischen, griechischen (56.000 allein in Thessaloniki) und ungarischen Juden verantwortlich.

Am 12. Mai 1945 wurde Wisliceny in der Nähe des Altausseer Sees in Österreich festgenommen. Während der Nürnberger Prozesse war er ein wichtiger Zeuge der Anklage.[6] Seine Aussage, in der er Angaben zu seiner Person machte und sich im Wesentlichen zu den Judendeportationen äußerte, wurde 1961 auch im Eichmann-Prozess in Jerusalem verwendet. Nach den Nürnberger Prozessen wurde Wisliceny an die Tschechoslowakei ausgeliefert, wo er angeklagt, schuldig gesprochen und am 27. Februar 1948 in Bratislava hingerichtet wurde.[7]

Literatur

  • David Cesarani: Eichmann. His Life and Crimes William Heinemann, London 2004 (später auch: TB) deutsch: Adolf Eichmann. Bürokrat und Massenmörder. Biografie Propyläen, Berlin 2004 ISBN 3-549-07186-8
  • R. Overy: Interrogations: The Nazi Elite in Allied Hands 1945 Allen Lane, The Penguin Press, London 2001
  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich: Wer war was vor und nach 1945. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-596-16048-0.
  • Franciszek Piper: Die Zahl der Opfer von Auschwitz. Verlag Staatliches Museum in Oświęcim, Oświęcim 1993, ISBN 83-85047-17-4
  • Katarína Hradská: Die erfolglosen Versuche zur Wiederaufnahme der Deportationen slowakischer Juden . In: Theresienstädter Studien und Dokumente Nr. 9 2002
  • Israel Gutman (Hrsg.): Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, Piper Verlag, München/Zürich 1998, 3 Bände, ISBN 3-492-22700-7.
  • Hans Safrian: Eichmann und seine Gehilfen. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-596-12076-4.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Institut für Zeitgeschichte: Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2008, ISBN 978-3-486-58480-6, S. 669
  2. Fragebogen des R. u. S. Dieter Wisliceny
  3. Hans Safrian: Eichmann und seine Gehilfen, Frankfurt am Main 1995, S. 209ff.
  4. Hans Safrian: Eichmann und seine Gehilfen, Frankfurt am Main 1995, S. 233ff., 270ff.
  5. Hans Safrian: Eichmann und seine Gehilfen, Frankfurt am Main 1995, S. 295ff.
  6. Wislicenys eidesstattliche Aussage vom 3. Januar 1946 bei den Nürnberger Prozessen.
  7. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt am Main 2007, S. 682.
  8. "R. und S." heißt "Rasse und Siedlung..." Es handelte sich um Fragebogen des Rasse- und Siedlungshauptamts RSHA, die später im British Document Center BDC Berlin unter dieser Signatur gelagert wurden. Sie taucht deshalb oft in der Geschichtsschreibung auf. Hier mussten SS-Leute ihre Herkunft und bisherigen Aufenthalte darlegen

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