Donausüdstraße

Donausüdstraße
Die römischen Provinzen und das römische Straßennetz ca. 150 n. Chr.

Die von Historikern als Donausüdstraße (via iuxta danuvii), selten auch mißverständlich als Donaustraße bezeichnete römische Militär- und Fernstraße entlang und nahe dem Südufer der oberen Donau wurde um das Jahr 45 von Brigobanis (Kastell Hüfingen) nahe dem Ursprung dieses Stromes zunächst nur bis Weltenburg, später bis hinter Belgrad und schließlich 60 Jahre später bis zur Mündung der Donau in das Schwarze Meer geführt. In ihrem westlichsten und ältesten Abschnitt war sie (von West nach Ost) mit den römischen Kastellen Hüfingen, Tuttlingen, Ennetach, Emerkingen, Rißtissen, Unterkirchberg, Burlafingen, Nersingen und Guntia (Günzburg) bewehrt. Anfänglich diente die Straße hauptsächlich der militärischen Sicherung dieses Abschnitts der nördlichen Reichsgrenze (tiberisch-claudische Donaulinie). Die obere Donau markierte von 15 v. Chr. bis ungefähr 95 n. Chr. die Grenzlinie zwischen dem römischen Reich und dem unbesetzten Germanien (Magna Germania). Mit der Verlegung der Grenze (Limes) gegen Ende des 1. Jahrhunderts von der oberen Donau auf die Schwäbische Alb und in den Neckarraum verlor der westliche Abschnitt der Donausüdstraße seine militärisch-strategische und handelspolitische Bedeutung und war von da an kaum mehr als eine lokale Verbindungstrasse. Am Anfang des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts unter Kaiser Trajan wurde die Straße in Vorbereitung der Dakerkriege nach Osten bis zur Küste des Schwarzen Meeres als strategische Nachschublinie ausgebaut (Tabula Traiana).

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

15 v. Chr. wurde die Nordgrenze des römischen Reiches auf Befehl des Kaisers Augustus vom südlichen Alpenfuß nach Norden bis an die Donau verlegt, die von den Römern im Oberlauf „Danuvius“ und als zusammenhängender Strom „Ister“ oder „Hister“ genannt wurde. Die beiden Stiefsöhne des Kaisers wurden mit dem dazu erforderlichen Eroberungszug beauftragt, der als Alpenfeldzug in die Geschichte einging. Drusus zog 15 v. Chr. mit seinem Heer über den Brenner- und Reschenpass in die Gegend von Garmisch-Partenkirchen. Tiberius, der spätere Kaiser, erreichte vom heutigen Südfrankreich kommend über das Hochrheintal den Lacus Brigantinus (Bodensee), wo er auf einer der Inseln sein Hauptquartier aufschlug. Die beiden Heere vereinigten sich südlich von Augusta Vindelicorum (Augsburg). Die obere Donau bildete von da an für über 100 Jahre die relativ ruhige, natürliche Nordgrenze des römischen Reiches im Abschnitt der spaeteren römischen Provinz Raetia zu dem von den Römern nicht besetzten „Freien Germanien“. Südlich der Grenzlinie wurde um die Mitte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts eine Militärstraße (lat. via militaris) vom Donauursprung bis Weltenburg gebaut und mit Kastellen bewehrt. Die Straße war darüber hinaus in den ersten 50 Jahren ihres Bestehens Teil der kürzesten Verbindung zwischen den militärisch wichtigen Legionslagern Augusta vindelicorum und Mogontiacum (Mainz) und damit von überragender militärischer Bedeutung.

Erst unter Domitian, dem letzten Flavierkaiser, wurde in den späten achtziger Jahren des ersten nachchristlichen Jahrhunderts damit begonnen die endgültig kürzeste von Römern gebaute, strategische Straßenverbindung Augsburg−Mainz von der Donausüdstraße weiter nach Norden zu verlegen. Über Günzburg (Guntia), einem wichtigen römischen Donauübergang und durch das Neckartal entstand eine neue, kürzere Trasse von Augsburg nach Straßburg (Argentorate) und Mainz. Die Marschdauer von Augsburg nach Mainz verkürzte sich auf der etwa 160 Kilometer kürzeren Strecke um vier bis fünf Tage. Wegen dieser neuen weiter nördlich verlaufenden Route musste die Reichsgrenze von der oberen Donau nach Norden auf die Schwäbische Alb und ins heutige Franken verlegt werden. Um 90 n. Chr. wurde mit dem Kastell Gunzenhausen der nördlichste Punkt dieser Verlegung erreicht. Kaiser Trajan (98–117 n. Chr.), unter dem das römische Reich seine größte Ausdehnung erreichte, erhob Augusta Vindelicorum (Augsburg) zur Hauptstadt der nun römischen Provinz Rätien. Kaiser Antoninus Pius (138–161) vollendete den Obergermanisch-Rätischen Limes.

Straßennetz

Obere Donau

Im Zusammenhang der Sicherung der römischen Nordgrenze war die Donausüdstraße in der zweiten Hälfte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts von großer Bedeutung. Sie verbesserte nicht nur die örtliche Grenzsicherung, sondern diente auch als Verbindung zwischen den neuen römischen Provinzen nördlich der Alpen: Germania superior, Rätien und Noricum. Mit der Militärstraße (via militaris), wurde zunächst eine strategische West-Ost-Achse entlang der damaligen Nordgrenze des römischen Reiches geschaffen, die mit der lokalen Hauptgarnison Augusta Vindelicorum (Augsburg) und Italien durch die Nord-Südachse Via Claudia verbunden war. Dies erlaubte rasche Truppenverschiebungen in alle Richtungen. Die von Süden aus Italien kommende Via Claudia mündete beim Kastell Burghöfe (Mertingen) (Submuntorium) südlich von Mertingen T-förmig in die Donausüdstraße. 74 n. Chr. wurde die Donausüdstraße in ihrem westlichen Teil von Tuttlingen aus von der legio VIII Augusta (8. Legion des Augustus) unter dem Kommando von Gnaeus Pinarius Cornelius Clemens durch das Kinzigtal bis Argentoratum (Straßburg) nach Nordwesten ausgebaut Kinzigtalvariante und damit eine neue um etwa 160 km verkürzte Verbindung von Augsburg nach Mainz geschaffen. In den Jahren vor dem Bau der Donausüdstrasse und der Kinzigtalspange führte die Strecke von Augusta Vindelicorum (Augsburg) nach Mogontiacum (Mainz) über Brigantium/ Bregenz und Basilia (Basel) Rhein abwärts nach Mainz. Der Bau der Donausüdstraße verkürzte diese Strecke von 46 n. Chr. an, auch schon vor dem Bau der Kinzigtalspange um mehrere Tagesmärsche. Die Strecke Augsburg Mainz fuehrte vor dem Bau der Kinzigtalspange, also zwischen den Jahren 46 und 74 vom damals westlichsten Punkt der Donausüdstraße bei Brigobanis nach Süden zum Hochrhein und von dort über das Rheinknie bei Basel nach Mainz.

Der von Guntia (Günzburg) aus gesehen westliche Teil der Donausüdstraße verlief einige Kilometer südlich der Donau schnurgerade flußaufwärts zunächst bis zum Berg Bussen. Dieser in der sanften Hügellandschaft weithin sichtbare Gipfel des höchsten Berges Oberschwabens, hat den Erbauern als Peilmarke gedient. die Straße überquert die südlichen flachen Ausläufer dieses Berges. Westlich des Bussens führte die Straße entlang der Donau bis zum Donauursprung (Caput Danubii) nahe beim Kastell Hüfingen, am östlichen Fuße des Schwarzwaldes. Dort an der Grenze zwischen den römischen Provinzen Rätien und Obergermanien war sie mit einer älteren Römerstraße verbunden, die nach Süden zum Hochrhein führte. Die Erbauer wollten die Donausüdstraße in erster Linie als schnelle Verbindung zwischen den Legionslagern Augsburg, Straßburg und Mainz. Sie sollte nicht vorhandene Siedlungen verbinden. Die Straße folgt daher weder dem mäandernden Verlauf der oberen Donau noch stellt sie eine Verbindung zwischen den damals schon bestehenden Ortschaften dar. Sie führt geradlinig meist in deutlichem Abstand an römischen Dörfern und Kastellen (z. B. Emerkingen und Unterkirchberg) vorbei. Unmittelbar an der Straße gelegene Siedlungen (vici) wie das Kastell Rißtissen sind Orte, die erst nach dem Bau der Straße entstanden sind. In den ersten 30 Jahren ihres Bestehens war die Donausüdstraße überwiegend Militärstraße. Mit dem Ausbau der Kinzigtalspange unter Kaiser Vespasian, einer Verbindung vom Kastell Tuttlingen über Rottweil durch das Kinzigtal nach Straßburg in den Jahren 73–74 n. Chr. erreichte die Donausüdstraße ihre größte militärische und handelspolitische Bedeutung. In dieser Periode wurden in mehreren der bis dahin aus hölzernen Blockhütten bestehenden Donaukastellen zum ersten Mal repräsentative steinerne Gebaeude errichtet. Diese neue Bedeutung hatte fand nach ungefähr 20 Jahren ihr Ende als Kaiser Trajan um 97 n. Chr. weiter nördlich eine noch direktere, noch kürzere Verbindung von Augsburg über Günzburg durch das Neckartal nach Straßburg und Mainz schuf.

Konrad Miller, der Altmeister der Römerforschung in Oberschwaben,[1] konnte zum Verlauf von römischen Militärstraßen in Oberschwaben nur Lückenhaftes berichten. 1891 untersuchte er zusammen mit dem Geometer Denzel die Südstraße an einundzwanzig Stellen. Sie fanden einen 4,7 bis 5,5 m breiten seitlich abgeböschten Straßenkörper mit beidseitigen Straßengräben. Der gekofferte, winterfeste Straßenkörper bestand aus einer 20–40 cm starken Steinlage, über der sich örtlicher Kies befand. Die Roemer nannten eine so konstruierte in diesem Falle ungepflasterte Strasse „via glareata“ oder „glarea strata“. Die Spurweite römischer Strassenfuhrwerke betrug einheitlich 120 Zentimeter. Auf der Donausüdstrasse konnten zwei sich begegnende Fahrzeuge bei einer Fahrbahnbreite von rund fünf Metern ohne zeitraubende Ausweichmanöver aneinander vorbeifahren. Außerhalb der Ortschaften lag die Straße in einem 14 bis 21 m breiten, gemähten Ödlandstreifen, der bei gutem Wetter das Marschieren in Sechser- und Achterreihen erlaubte. Kompakte, nicht in die Länge gezogene Marschverbände erhöhten die Sicherheit der Truppen bei Überfällen.[2] 1986 wurde die Donausüdstraße bei Neu-Ulm und 1990 bei Unterfahlheim letztmals angeschnitten und untersucht. Eine sichere Beurteilung des Alters der angeschnittenen Straßenabschnitte gestaltete sich schwierig, weil die Straße nach Abzug der Roemer im 4. Jahrhundert in verschiedenen Streckenabschnitten zum Teil bis heute weiter benutzt und repariert wurde. Schon Karl der Grosse reparierte um das Jahr 800 systematisch eine grosse Zahl der heruntergekommenen Römerstrassen in seinem Reich.

Die Donausüdstraße wird vielfach in aktuellen Landkarten als „Römer- oder Heerstraße“ ausgezeichnet. Oft verlaufen auch heute noch benutzte Straßen und Feldwege abschnittsweise auf ihrer Trasse. Wäre die Donausüdstraße heute noch durchgängig begeh- oder befahrbar, wäre sie noch immer die kürzeste Verbindung zwischen dem Schwarzen Meer und dem Schwarzwald.

Literatur

  • Margot Klee: Das frührömische Kastell Unterkirchberg. In: Museum Ulm (Hrsg.): Römer an Donau und Iller. Neue Forschungen und Funde. Thorbecke, Stuttgart 1996, S. 30–41.
  • Rainer Kreutle: Römische Straßen im Ulmer Raum. In: Museum Ulm (Hrsg.): Römer an Donau und Iller. Neue Forschungen und Funde. Thorbecke, Stuttgart 1996, S. 117–123.
  • H. Schmid, Hans Eberhardt: Überlegungen zum Verlauf frührömischer Militärstraßen in Oberschwaben. In: LDA Baden-Württemberg (Hrsg.): Archäologie im Umland der Heuneburg. Stuttgart 1999, S. 97–102.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. H. Schmid, H. Eberhardt: Überlegungen zum Verlauf frührömischer Militärstraßen in Oberschwaben. In: LDA Baden-Württemberg (Hrsg.): Archäologie im Umland der Heuneburg. Stuttgart 1999, S. 97.
  2. Rainer Kreutle: Römische Straßen im Ulmer Raum. In: Museum Ulm (Hrsg.): Römer an Donau und Iller. Neue Forschungen und Funde. Thorbecke, Stuttgart 1996, S. 120.

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