- Ehringsdorf
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Ehringsdorf Stadt WeimarKoordinaten: 50° 58′ N, 11° 21′ O50.95916666666711.347222222222220Koordinaten: 50° 57′ 33″ N, 11° 20′ 50″ O Höhe: 220 m ü. NN Lage von Ehringsdorf in Weimar
Ehringsdorf ist zusammen mit Oberweimar ein Ortsteil von Weimar. Der Ort wurde erstmals am 7. Juli 1252 als Hyringstorf urkundlich erwähnt. Die Ilm, der Park an der Ilm und der Schlosspark Belvedere begrenzen Ehringsdorf. Der Ortsteil Oberweimar-Ehringsdorf hat knapp 6.000 Einwohner (2009).
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte
Seit 1908 wurden hier in den Travertinbrüchen des Ilmtales pleistozäne Menschenreste gefunden, deren Alter mindestens 120.000 Jahre beträgt (Eem-Warmzeit), wahrscheinlich jedoch etwa 200.000 Jahre. Weltberühmt wurde Ehringsdorf 1925, als im hiesigen Steinbruch ein weitgehend vollständiges Schädeldach eines Menschen aus dieser Zeit gefunden wurde, der „Ehringsdorfer Urmensch“.
Geschichte
Gräber aus der Jungsteinzeit belegen, dass das Areal zu den ältesten Siedlungsgebieten Weimars gehört.
1265 wurde der Ort erstmals als Hyringestorf urkundlich erwähnt, 1254 als Irrungestorff: wohl Dorf eines Iring. Ab 1280 existierte ein Rittergeschlecht von Iringesdorf. 1330 wurde eine Marienkapelle geweiht und 1365 als Kirche Unserer lieben Frauen (Marienkirche) erstmals urkundlich erwähnt. 1408 schenkte der Landgraf Friedrich den Ort Ehringsdorf dem Kloster Oberweimar. 1525 erging für Weimar und Umgebung der fürstliche Befehl zur Annahme des neuen lutherischen Glaubens, die Pfarrkirche wurde evangelisch. 1613 kam es durch heftige Regenfälle zur Thüringer Sintflut, die Ilm soll – mit entsprechenden Todesopfern und Sachschäden – über 8 Meter angestiegen sein. Unter Wasserfluten hatte der Ort auch sonst häufig zu leiden. Besonders schlimm wütete die Pestseuche 1635/36 und 1639 im Dreißigjährigen Krieg. 1640 wurde das Dorf von schwedischen Soldaten ausgeraubt. Die Einwohnerzahl ging während des Krieges auf die Hälfte zurück.
Ab 1734 wurde in Ehringsdorf in zunächst kleinem Maßstab Travertin abgebaut. Von 1724 bis 1732 wurde das Schloss Belvedere als Lust- und Jagdschloss der Weimarer Herzöge gebaut, dann ein Landschaftspark angelegt. Nach der Schlacht von Jena und Auerstedt 1806 errichteten Franzosen ein großes Feldlager zwischen Ehringsdorf und Belvedere. Es kam zu systematischen schweren Plünderungen in Weimar und auch Ehringsdorf. Selbst die Innenausstattung der Marienkirche wurde ausgeraubt.
Karl Heydenreich aus Oberweimar kaufte 1836 das kleine Ehringsdorfer Rittergut, das dann 1856 von Richard Heydenreich erworben wurde. Die zum Rittergut gehörende „Einfach-Bierbrauerei“ wurde besonders seit den 1870er Jahren erheblich ausgebaut, zur Rittergutsbrauerei Heydenreich in Ehringsdorf. Die Familie Heydenreich besaß in Weimar fünf eigene Gaststätten und drei Hotels. 1900 stiftete Richard Heydenreich den Einwohnern eine repräsentative Friedhofskapelle. Nach dem Tod des Vaters 1913 übernahm der aus dem Krieg zurückgekehrte Wilhelm Heydenreich das Gut und die Brauerei.
Ab 1850 wurde der Kalksteinabbau erheblich verstärkt. So fand in Weimar beim Bau des Sophienstifts, des Großherzoglichen Theaters, des Goethe- und Schiller-Archivs und des Hotels Elephant Ehringsdorfer Travertin Verwendung. 1874 wurde die Ilmbrücke an der Kipperquelle in Ehringsdorf errichtet, 1883 Wasserleitung und Kanalisierung angelegt. 1895 pflanzte die Gemeinde auf dem Turnplatz eine „Bismarck-Eiche“. 1905 erfolgte die Elektrifizierung, ab 1906 gab es eine Fernsprechanlage. Der Erste Weltkrieg unterbrach den wirtschaftlichen Aufschwung.
Jüngere Ortsgeschichte
Am 1. Oktober 1922 erfolgte die Eingemeindung der Vororte Oberweimar und Ehringsdorf nach Weimar, die seither ein gemeinsamer Ortsteil sind. Über die lange Belvederer Allee ist der Ortsteil mit dem Stadtzentrum Weimar verbunden.
Ehringsdorf wurde, wie Weimar, im April 1945 von US-Truppen und Anfang Juli von der Roten Armee besetzt. Diese richtete im Schloss Belvedere ihre Kommandantur ein. Im September 1945 wurde die Bodenreform durchgeführt, das Rittergut (278 ha) und die Brauerei entschädigungslos enteignet. Das Rittergut wurde an Neubauern aufgeteilt, die sich besonders in Neu-Ehringsdorf Gehöfte errichteten. Die Verwaltung der Brauerei übernahm die Sowjetische Militäradministration, danach die Konsum-Genossenschaft. 1952 wurde die LPG „Ulrich von Hutten“ gegründet, unter Zwang erreichte man 1960 die „Vollgenossenschaftlichkeit“. Ab 1956 wurde der Travertinabbau durch Einführung des Großbohrloch-Sprengverfahrens im nunmehrigen VEB Kalk- und Travertin-Werk Ehringsdorf intensiviert.
In begrenztem Umfang ist heute (2010) noch das Travertinwerk Traco mit Sitz in Bad Langensalza aktiv. Die Brauerei produziert weiterhin Bier, das dann in Pößneck abgefüllt wird.
Rund um das Vereinshaus „Zur Linde“ hat der Heimatverein Ehringsdorf 01 ein reges Vereinsleben zur Heimatpflege in Ehringsdorf entfaltet. Skurril, frech und deftig begrüßten seit 1951 lebende „Ehringsdorfer Urmenschen“ die Gäste der Gaststätte „Zur Linde“ in Ehringsdorf. Vater dieser Gesellschaft war der Maler und Grafiker Siegfried (Frieder) Kötscher (1886–1954), der bis zu seinem Tode in der Belvederer Allee 60 in Ehringsdorf wohnte. Seit der 750-Jahr-Feier des Ortes im Jahre 2002 ist der Brauch wieder aufgegriffen worden, dass die „Urmenschen“ der Linde auswärtige Besucher begrüßen.
Einwohnerentwicklung
- 1615: 157
- 1765: 210
- 1816: 241
- 1830: 382
- 1851: 444
- 1900: 1100
Sehenswürdigkeiten und Touristik
- Das Schloss Belvedere mit angrenzendem Schlosspark.
- Die Marienkirche wurde 1365 erstmals urkundlich erwähnt, eine Kapelle bereits 1330. Das Erdgeschoss des Turms stammt aus dem 12.Jahrhundert, 1255 entstand eine romanische Chorturmanlage, der Chor im 14.Jahrhundert und das Langhaus im 16. Jahrhundert. In den nächsten Jahrhunderten wurde die Kirche mehrfach restauriert und ihre Innenausstattung verschönert.
- Das frühere Gutshaus steht saniert im Gelände der Brauerei.
- Das Haus Hohe Pappeln an der Belvederer Allee wurde 1993/1994 mit Mitteln der Deutschen Stiftung Denkmalschutz restauriert. Henry van de Velde hatte es als sein Wohnhaus „Hohe Pappeln“ 1907 entworfen und 1908 bezogen.
- Auf dem Friedhof steht die im Jahre 1900 von dem Guts- und Brauereibesitzer Richard Heydenreich gestiftete Friedhofskapelle für die Ehringsdorfer, gleichzeitig Grabkapelle der Familie Heydenreich. Heute ist sie als Capella "Vox coelestis" bekannt und wird seit 2004 von dem Verein Vox coelestis als geistig kulturelles Zentrum genutzt.
- Ein Kriegerdenkmal auf dem Friedhof erinnert an die 59 im Ersten Weltkrieg gefallenen und vermissten Soldaten aus dem Ort. Die Gedenktafel wurde nach der Wende (DDR) restauriert.
- Durch Ehringsdorf führt der Ilm-Radweg. An ihm liegt seit 2007 mit dem „Hotel-Café Kipperquelle“ das erste Radfahrerhotel Thüringens. Es handelt sich dabei um einen nach langem Leerstand sanierten früheren Landgasthof.
- Die Kipperquelle ist eine aus 75 m aufsteigende Karst- und Verwerfungs-Quelle mit interessantem Biotop, da sich auch im kurzen Verlauf des Kipperbachs bis zur Ilm fortsetzt. Sie steht seit 1997 unter Naturschutz.
- Ein archäologisches Freigelände Weimar-Ehringsdorf wurde 2009 eröffnet. Ein Freundeskreis zur Errichtung eines Freilichtmuseums im Travertinsteinbruch Weimar-Ehringsdorf hatte 1998 bereits die Ernennung zum Geschützten Landschaftsbestandteil erreicht.
- Auf dem früher unbewaldeten Hainberg (300 m) im Belvederer Forst, in der Nähe des Schlosses Belvedere steht der auf Veranlassung der Großherzogin Maria Pawlowna 1828/29 erbaute Hainturm (16 m). Er verfiel nach einem Brand. 1908 gründete sich die Hainturmgesellschaft, baute den Turm bis 1909 wieder auf und entwickelte ihn zu einem beliebten Ausflugsziel. 1930 wurde der Turm durch einen Gastraum mit Terrasse erweitert. 1946 wurde die Hainturmgesellschaft verboten, ab 1953 gab es keine Bewirtschaftung mehr, und der Turm verfiel. 1999 gründete sich der Hainturmgesellschaft Weimar mit dem Ziel der Wiederherstellung des Turmes und seiner Umgebung neu. Der Hainturm wurde daraufhin wiederaufgebaut.
Persönlichkeiten
- Richard Heydenreich (1829–1913), Landkammerrat, Rittergutsbesitzer, baute aus einer kleinen Gutsbrauerei die große Rittergutsbrauerei Ehringsdorf auf, stiftete im Jahre 1900 die Friedhofskapelle und wurde im gleichen Jahr zum Ehrenbürger von Ehringsdorf ernannt
- Siegfried (Frieder) Kötscher (1886–1954): Maler und Graphiker, lebte und arbeitete in Ehringsdorf
Literatur
- Gunter Rentzsch, Gerd Schacke: 750 Jahre Ehringsdorf. Chronik. Hrsg. Heimatverein Ehringsdorf 01 e.V., Weimar 2002, ISBN 3-00-009372-9.
Weblinks
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