- Einzelsprachlich
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Eine Einzelsprache ist eine menschliche Sprache, die ihren Sprechern ein vollständiges und abgeschlossenes Zeichensystem zur Kommunikation untereinander bietet. Beispiele für Einzelsprachen sind Deutsch, Japanisch (als Ethnosprachen) oder Esperanto (als Plansprache). Oft ist "Einzelsprache" ein Synonym für Abstandsprache.
Eine Einzelsprache unterscheidet sich von bloßen Fach- und Gruppensprachen durch die Vollständigkeit; mit den Wörtern und Regeln einer Einzelsprache können sich Sprecher in allen Kommunikationssituationen verständigen. Fach- und Gruppensprachen dagegen ergänzen oder modifizieren Teile einer Einzelsprache. Sie bauen auf dem Grundgerüst der Einzelsprache auf; würden aber auf sich gestellt keine Kommunikation ermöglichen (so braucht auch die Fachsprache des Rechts Verben wie sein aus dem "normalen" Deutschen).
Einzelsprachen untereinander unterscheidet man oft durch das Kriterium des Nicht-Verstehens. Sprecher A und Sprecher B haben jeweils eine Muttersprache und sprechen nur diese. Wenn A zu B in seiner Sprache spricht, und B das Gesagte nicht versteht, dann sind die beiden Muttersprachen jeweils unabhängige Einzelsprachen. Es gibt allerdings sowohl Varietäten von Einzelsprachen, bei denen die gegenseitige Verständlichkeit mit anderen Sprechern derselben Einzelsprache nicht gegeben ist (beispielsweise Walliserdeutsch und Standarddeutsch), als auch unterschiedliche Einzelsprachen, bei denen die gegenseitige Verständlichkeit sehr wohl gegeben ist (beispielsweise Schwedisch und Norwegisch oder Serbisch und Kroatisch). Viel hängt dabei auch von der Einzelperson ab. Ein Sprecher, der bereits 5 Sprachen fließend beherrscht, kann sich leichter in einen fremd klingenden Dialekt einhören als jemand, der bereits große Schwierigkeiten mit der eigenen Muttersprache hat. Dazu kommt noch, dass zwei Sprachen in der geschriebenen Form für den jeweils anderen besser oder auch schlechter verständlich sein können.
Eben weil das Verständnis-Kriterium überhaupt nicht scharf anwendbar ist, sondern bestenfalls Hinweise geben kann, sind weitere Kriterien nötig: Untersuchungen, wie weit sich Wortschatz, Grammatik und Phonetik decken. Aber auch Kriterien, die nicht linguistisch sind, werden angewendet: Ist die Sprache eine Amtssprache? Gibt es eine Institution, die die Sprache standardisiert? Wie umfangreich ist die Literatur und die Präsenz in anderen Medien? Wie groß ist die Anzahl der Muttersprachler?
Eine weitere sprachwissenschaftliche Definition ist daher, dass eine Einzelsprache einen schriftsprachlichen allgemeinen Standard besitzt, der im öffentlichen und privaten Bereich das allgemeine schriftsprachliche Mittel darstellt.
Inhaltsverzeichnis
Einzelsprache oder Dialekt?
Die unscharfe Definition, ab wann man einander versteht, macht die Abgrenzung zwischen echten Einzelsprachen einerseits und Dialekten andererseits immer zu einer politisch (oder soziologisch) motivierten ideologischen Entscheidung, die oft sogar bewusst linguistische Fakten ignoriert. Genau aus diesen Gründen sind die nachfolgenden Beispiele umstritten:
Dialekte, die als Einzelsprachen gelten
Vom Verstehenskriterium her werden diese Sprachen linguistisch allgemein als Dialekte klassifiziert, aber politisch gelten sie als eigene Sprachen. Die Motivation ist in allen Fällen die politische Abgrenzung von der Hauptsprechergruppe, die in einem anderen Staat lebt. Daher findet man solche Fälle vor allem in Europa und Asien, den zwei Kontinenten, in denen vor allem einheimische Sprachen und nicht Kolonialsprachen Amtssprachen sind.
Besonders deutliche Beispiele für Sprachen, die politisch als eigenständige Sprachen gelten, aber unter sprachwissenschaftlichen Kriterien Dialekte einer anderen Sprache sind, sind unter anderem die Moldauische Sprache, Serbisch / Kroatisch / Serbokroatisch sowie Malaiisch und Indonesisch. Politisch ist speziell in der Schweiz auch das Jenische als Minderheitensprache anerkannt, während es sprachwissenschaftlich als sondersprachliche Variante oder Soziolekt des Deutschen eingestuft wird.
Im Beispiel von Serbisch und Kroatisch wird die Abgrenzung durch die Verwendung einer anderen Schrift (kyrillisch / lateinisch) gefördert.
Europa
- Elsässisch, Luxemburgisch = Dialekte des Deutschen
- Norwegisch (Bokmål) = Dialekt des Dänischen (oder umgekehrt)
- Färöisch = Dialekt des Isländischen (oder umgekehrt)
- Mazedonisch = Dialekt des Bulgarischen
- Moldauisch = Politisch motivierte Alternativbezeichnung des Rumänischen (kyrillische Schrift bis 1989)
- Galizisch (in Spanien) = Dialekt des Portugiesischen
- Valencianisch = Dialekt des Katalanischen
Asien
- Urdu (Pakistan) = Dialekt des Hindi (Indien) (oder umgekehrt; zusammen auch als Hindustani bezeichnet) (unterschiedliche Schrift)
- Dari (eine der zwei Hauptsprachen in Afghanistan) = Dialekt von Persisch
- Lao = Dialekt des Thai (oder umgekehrt) (unterschiedliche Schrift)
- Indonesisch = Dialekt des Malaiischen
Einzelsprachen, die als Dialekte gelten
Die Sprecher können sich untereinander nicht verstehen, aber die Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen Staat führt dazu, dass die Regierung die Einzelsprachen "gewaltsam" als Dialekte einer gemeinsamen Staatssprache oder als Dialekt der Sprache der herrschenden Volksgruppe deklariert.
- Nordchinesischer Dialekt, Kantonesisch, Wu (und weitere Sprachen) vs. Hochchinesisch (Verständigung über Standardsprache und mehr oder weniger einheitliche Schriftsprache)
- Arabisch: Gemeinsame Zugehörigkeit zum Islam und gemeinsame Schriftsprache verbindet untereinander unverständliche "Dialekte" (siehe Artikel für Details)
Verstehensgemeinschaften von Einzelsprachen
Viele Sprachen sind sehr nahe verwandt. Hier kann man zwischen Verstehen und Nicht-Verstehen eine weitere Stufe einschieben: Man versteht sich nicht auf Anhieb, aber man kann sich an die andere Sprache "gewöhnen", ohne explizit Grammatik und Wortschatz lernen zu müssen. In typischen Kommunikationssituationen sprechen Sprecher solcher Sprachen normalerweise jeweils ihre eigene Sprache untereinander. Bei sehr häufigem Kontakt kann eine neue Mischsprache entstehen.
- Deutsch, Niederdeutsch, Niederländisch, Afrikaans
- Dänisch, Norwegisch, Schwedisch
- Weißrussisch und Polnisch
- Weißrussisch, Ukrainisch und Russisch
- südslawische Sprachen (beispielsweise Serbokroatisch, Bulgarisch)
- westslawische Sprachen (vor allem Tschechisch und Slowakisch)
- iberische Sprachen (Spanisch, Portugiesisch, Katalanisch), Italienisch, Portuñol (Mischsprache zwischen Spanisch und Portugiesisch).
- Italienisch, Rumänisch
Wo allerdings das "Verständnis-Kriterium" bereits ein Gummikriterium ist, lassen sich Sprachen durch das "Verstehensgemeinschafts"-Kriterium nahezu beliebig zusammenstellen, man bedenke nur, dass viele Chinesen mit wenigen aufgeschnappten Worten in der Lage sind, englische Sätze zu bilden, da die grammatischen Basisstrukturen beider Sprachen sich ähneln, ohne dass irgendeine Form von Verwandtschaft besteht.
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