Elagabal (Gottheit)

Elagabal (Gottheit)

Elagabal ist ein antiker Gott, der in der Stadt Emesa (heute Homs in Syrien) verehrt wurde. Im Zeitraum von 219 bis 222 n. Chr. dehnte sich sein Kult, von Kaiser Elagabal verbreitet, auf die Stadt Rom aus und von dort aus (wohl nur in geringem Ausmaß) auf weitere Teile des Römischen Reichs; ansonsten blieb er weitgehend auf Emesa beschränkt.

Inhaltsverzeichnis

Ursprung

Die früher umstrittene Herkunft und Bedeutung des Namens ist heute geklärt. Er besteht aus ilah (Gott) und gabal (Berg). Die ursprüngliche Bedeutung war „der Gott Berg“ (nicht „Gott des Berges“).[1] Das Wort ist entweder arabisch oder aramäisch; im Aramäischen ist allerdings gabal in dieser Bedeutung nicht belegt. Die Verehrung von Bergen als Gottheiten war im Nahen Osten verbreitet. Gemeint ist hier der felsige Festungshügel im Süden von Homs, auf dem sich der große, prunkvolle Elagabal-Tempel befand; dieser „Berg“ ist allerdings nur 30 m hoch (gabal kann auch eine Anhöhe bezeichnen). Es dürfte sich um einen lokalen Kult handeln, der später von einwandernden arabischen Nomaden, die dort sesshaft wurden, übernommen wurde.

Geschichte

Der Elagabal-Tempel von Emesa mit dem heiligen Stein auf einer Münze des 3. Jahrhunderts

Schon im 1. Jahrhundert v. Chr. wurde Emesa von arabischen Königen beherrscht, die wohl bereits Elagabal als Schutzgott betrachteten. Der älteste Beleg für den Kult und den Gottesnamen ist eine Stele aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. Obwohl Elagabal nur regional verehrt wurde, erhoben seine Anhänger in Emesa den Anspruch, dass er der Sonnengott und als solcher der höchste aller Götter sei. Als oberster Gott entsprach er dem griechischen Zeus bzw. dem römischen Jupiter, und wie diesem war ihm der Adler als vornehmster Vogel heilig. In seiner Eigenschaft als Sonnengott wurde er mit dem griechischen Helios gleichgesetzt und daher sein Name von der Volksetymologie als Heliogabalos gedeutet.

Die arabischen Herrscher von Emesa waren Vasallen des römischen Reichs, bis Kaiser Domitian dieser Eigenständigkeit ein Ende setzte. Ebenso wie das 155 km östlich gelegene Palmyra erlebte Emesa etwa ab dem Beginn der römischen Kaiserzeit dank seiner Lage an der Karawanenstraße zum Persischen Golf einen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung.

Im Zentrum des Elagabal-Kults stand ein bienenkorbförmiger, höckriger schwarzer Stein (Meteorit?), der im Tempel aufbewahrt wurde. Solche Steine wurden von verschiedenen Völkern im Mittelmeerraum, besonders den Phöniziern bzw. Puniern verehrt. Man nennt sie Bätyle (auch Betyle, griechisch Baitýlia oder Baítyloi), abgeleitet von aramäisch bet el („Haus Gottes“, vgl. hebräisch Bethel). Ein ähnlicher Steinkult bestand in Carrhae (Harran), wo der Bätyl dem Mondgott Sin zugeordnet war.

Im 3. Jahrhundert stand der Elagabal-Kult in voller Blüte; auswärtige Machthaber übersandten jährlich kostbare Weihegaben für den Tempel. Die Würde des Oberpriesters war in einer Familie erblich, die wohl von dem alten Fürstengeschlecht von Emesa abstammte. In der späten Adoptivkaiserzeit war der Oberpriester ein gewisser Julius Bassianus; der Name „Bassianus“, den auch seine Nachkommen führten, war wohl von dem Priestertitel Basus abgeleitet. Julius Bassianus hatte zwei Töchter. Die ältere, Julia Domna, heiratete den künftigen Kaiser Septimius Severus (193–211), dessen Sohn und Nachfolger Caracalla auch den Namen Bassianus erhielt. Die jüngere, Julia Maesa, war die Großmutter zweier Kaiser. Der ältere von ihnen war Varius Avitus Bassianus, der unter dem Namen „Elagabal“ in die Geschichte einging, obwohl er diesen nur dem Gott vorbehaltenen Namen nicht getragen hat. Er hatte 217 als Dreizehnjähriger in Emesa die Oberpriesterwürde übernommen; im folgenden Jahr wurde er (als angeblicher unehelicher Sohn Caracallas) zum Kaiser ausgerufen. Er überführte den heiligen Stein nach Rom und erhob den Elagabal-Kult zur römischen Staatsreligion. Dadurch erhielt die Elagabal-Verehrung kurzzeitig welthistorische Bedeutung. Auf dem Palatin wurde ein großer Elagabal-Tempel errichtet.

Nach der Ermordung dieses Kaisers (222) wurde der Stein nach Emesa zurückgebracht, da die neue Staatsreligion in Rom keinen Anklang gefunden hatte und mit römischen Sitten unvereinbar war. In Emesa blühte der Kult weiterhin. Kaiser Aurelian begab sich nach einem Sieg über die palmyrenische Herrscherin Zenobia 272 in den Elagabal-Tempel, um ein Gelübde einzulösen. Aurelian war ein Anhänger des Sonnengottes (Sol invictus, „unbesiegte Sonne“), den er als Schutzherrn des römischen Reichs verehren ließ.

In der älteren Forschung wurde die Ansicht vertreten, Elagabal und Sol invictus seien identisch. Daher wurden alle einschlägigen Quellenbelege als Hinweise auf Ausbreitung einer orientalischen Sonnenreligion im Westen des Reichs gedeutet. Zwar ist Invictus Sol Elagabalus inschriftlich bezeugt, aber die neuere Forschung (Henri Seyrig, S.E. Hijmans) hat zeigen können, dass der Kult des Sol invictus im Westen nicht orientalische, sondern in erster Linie einheimische Wurzeln hatte. Der Elagabal-Kult war eine syrische Religion, die nur unter Kaiser Elagabal kurzzeitig in Rom Fuß fassen konnte. Hinter der staatlichen Verehrung des Sol invictus hingegen stand eine religionspolitische Konzeption, die sich auf eine bereits bestehende, eigenständige römische Tradition stützen konnte.

Heilige Hochzeit

Im Elagabalglauben hatte der Gott zwei weibliche Begleiterinnen. In der arabischen Tradition von Emesa waren das die Kriegsgöttin al-Lāt und vermutlich die mit Aphrodite (Venus) gleichgesetzte al-Uzzā, die beide auch im Koran erwähnt sind. Daran orientierte sich Kaiser Elagabal, als er in Rom die „Heilige Hochzeit“ (Hieros gamos, siehe Hierogamie) des Gottes feierte. Dieser vermählte sich mit der jungfräulichen Athene (Minerva), die al-Lāt entspricht, und mit der karthagischen Urania (Dea Caelestis, Tinnit).

Kult

Für die Details des Elagabal-Kults in Emesa sind wir weitgehend auf die tendenziösen, scharf missbilligenden Berichte der Geschichtsschreiber (Cassius Dio, Herodian, Historia Augusta) über die kurzfristige spektakuläre Verpflanzung nach Rom unter Kaiser Elagabal angewiesen. Ihre Schilderungen legen die Annahme nahe, dass der römische Elagabal-Kult in fast allen Einzelheiten denjenigen von Emesa kopierte. Diesen Berichten zufolge fand täglich Gottesdienst statt, wobei der prunkvoll gekleidete und geschmückte, zahlreiche Amulette tragende Oberpriester zusammen unter Musikbegleitung (es werden insbesondere Blasinstrumente, Zimbeln und Trommeln erwähnt) mit Frauen vor dem Altar tanzte und sang. Die Priester waren beschnitten und durften kein Schweinefleisch essen. Zu den Opfergaben gehörte vor allem Wein. Tieropfer waren häufig, Berichte, wonach dem Gott Kinder geopfert wurden, sind nicht glaubwürdig. An Festtagen fanden glanzvolle Prozessionen statt, wobei der Bätyl mitgeführt wurde. Nach griechischem Vorbild (Pythische Spiele in Delphi) wurden in Emesa regelmäßig Sportfeste (Helia Pythia) zu Ehren Elagabals veranstaltet. Außerdem war Elagabal Orakelgott.

Ikonographie

Elagabal war nicht anthropomorph. In den Abbildungen erscheint er nie in Menschengestalt, sondern ist nur an der Beschriftung und an seinen Symbolen zu erkennen. Oft kommt der Adler vor, der gewöhnlich eine Krone im Schnabel trägt. Auf der Stele des 1. Jahrhunderts n. Chr. erscheint der Berg, von dem der Gottesname abgeleitet ist. Das wichtigste Element der Darstellungen ist der Bätyl, der oft auf einer Quadriga (Viergespann) gezeigt wird, also bei der Prozession. Ein Figurenkapitell, das von einer römischen Elagabal-Kultstätte stammt, zeigt den Bätyl mit dem Adler und den beiden Göttinnen.

Literatur

  • Henri Seyrig: Le culte du Soleil en Syrie à l’époque romaine. In: Syria. Revue d’art oriental et d’archéologie 48, 1971, S. 337–373.
  • Jean Starcky: Stèle d’Elahagabal. In: Mélanges de l’Université Saint-Joseph 49/2, 1975–1976, S. 501–520.
  • Christian Augé, Pascale Linant de Bellefonds: Elagabalos. In: Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae (LIMC). Band 3/1, Zürich/München 1986, S. 705–708 (Textteil) und Band 3/2, Zürich/München 1986, S. 542 (Abbildungen), ISBN 3-7608-8751-1.
  • Steven E. Hijmans: The Sun which did not rise in the East; the Cult of Sol Invictus in the Light of Non-Literary Evidence. In: Babesch. Bulletin Antieke Beschaving 71, 1996, S. 115–150.

Anmerkung

  1. Starcky, Stèle d'Elahagabal, S. 503f.

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