Elektromagnetische Umweltverträglichkeit

Elektromagnetische Umweltverträglichkeit

Elektromagnetische Umweltverträglichkeit (EMVU) bezeichnet die Einflüsse elektromagnetischer Felder (EMF) auf die Umwelt, insbesondere den Menschen. Das Thema ist seit Jahrzehnten als Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) ein zentrales Thema der Elektrotechnik unter dem Gesichtspunkt der zulässigen gegenseitigen Störungen elektrischer Geräte. Mögliche gesundheitliche Gefahren werden unter dem Stichwort Elektrosmog behandelt.

Inhaltsverzeichnis

Wahrnehmung

Ein Problem bei der Bewertung der elektrischen und magnetischen Felder oder elektromagnetischen Wellen ist deren Unsichtbarkeit. Sie können in der Regel nur mit technischen Hilfsmitteln sichtbar bzw. messbar gemacht werden. Zudem sind sie häufig unvermeidbar. Bereits eine Gasflamme erzeugt ein elektromagnetisches Feld. Energiereiche Strahlen sind eine meist nicht sichtbare Gefahr.

Das Thema ist auch unter Menschen mit technischer Bildung zum Teil sehr umstritten. Das Thema wird unter dem Stichwort Elektrosmog sehr gegensätzlich und erregt diskutiert. Streit besteht über den Zusammenhang von bestimmten messbaren Feldstärken und möglichen Wirkungen.

Wirkungen

Studien in Bezug auf Strahlung, die von Mobiltelefonen (Handys) ausgeht, liefern bislang keine allgemein anerkannten Ergebnisse. Ein elektromagnetisches Feld erzeugt zumindest dielektrische Erwärmung in wasserhaltigem Gewebe. Das ist fühlbar, wenn die thermischen Effekte bedeutsam sind.

Resonanzerscheinungen können bereits bei geringem Energieeintrag sehr große Wirkungen haben. Das gilt auch für die Moleküle des menschlichen Körpers. Sein hoher Wassergehalt wirkt dagegen generell als Schutz. Die Resonanzfrequenzen für Wasser wiederum sind dazu genau bekannt und für solche Frequenzen gelten strenge Grenzwerte. Es sind bisher keine Studien bekannt, die solche Resonanzeffekte im lebenden Körper oder am Molekülmodell gezielt untersucht haben.

Rechtliche Grundlagen

Seit der Verabschiedung der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über elektromagnetische Felder – 26. BImSchV) vom 16. Dezember 1996 unterliegt dieses Fachgebiet in Deutschland einer gesetzlichen Regelung. Die Einhaltung der entsprechenden Grenzwerte ist vom Anlagenbetreiber bei der Umweltbehörde vor Inbetriebnahme nachzuweisen.

Auf europäischer Ebene gibt es die Empfehlung des Rates vom 12. Juli 1999 zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung gegenüber elektromagnetischen Feldern (0 Hz bis 300 GHz) (1999 / 519 /EG). Darin werden im Teil A die einschlägigen physikalischen Größen im Zusammenhang mit der EMF-Exposition definiert. In Teil B der Empfehlung werden die Unterscheidungen der folgend verwendeten Basisgrenzwerte und Bezugswerte erläutert. Der Anhang stellt die empfohlenen Basisgrenzwerte und Bezugswerte dar.

Grenzwerte

In Deutschland soll der Schutz der Bevölkerung vor elektromagnetischen Feldern und Strahlung durch frequenzabhängige Grenzwerte mit der 26. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz geregelt werden. Diese Verordnung gilt für ortsfeste Anlagen. Für mobile Geräte gilt die Europanorm 1999/5/EG. Für EM-Felder am Arbeitsplatz gibt es zusätzlich die berufsgenossenschaftliche Unfallverhütungsvorschrift BGV B11. All diese Normen beruhen auf Empfehlungen der Internationalen Kommission für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung[1], eines die Weltgesundheitsorganisation beratenden Sachverständigengremiums.

Die Verordnung über elektromagnetische Felder erfasst zwei Frequenzbereiche:

1. Hochfrequenz:

ortsfeste Sendefunkanlagen mit einer Sendeleistung von 10 Watt EIRP (äquivalente isotrope Strahlungsleistung) oder mehr, die elektromagnetische Felder im Frequenzbereich von 10 Megahertz bis 300.000 Megahertz erzeugen,

2. Niederfrequenz:

ortsfeste Anlagen zur Umspannung und Fortleitung von Elektrizität:

a) Freileitungen und Erdkabel mit einer Frequenz von 50 Hertz und einer Spannung von 1000 Volt oder mehr,

b) Bahnstromfern- und Bahnstromoberleitungen einschließlich der Umspann- und Schaltanlagen mit einer Frequenz von 16,7 oder 50 Hertz,

c) Elektroumspannanlagen einschließlich der Schaltfelder mit einer Frequenz von 50 Hertz und einer Oberspannung von 1000 Volt oder mehr.

In der 26. BImSchV sind damit für den Niederfrequenzbereich nur für zwei technische genutzte Frequenzen (50-Hz-Energienetz und Bahnstromversorgung) Grenzwerte angegeben. Diese gelten für alle Bereiche, in denen sich Menschen dauerhaft aufhalten.

Für andere Frequenzen im Frequenzbereich bis 300 GHz hat die ICNIRP Empfehlungen herausgegeben (ICNIRP guidelines 1998), die für den allgemein öffentlichen Bereich in die EU-Richtlinie 1999/519/EG und für den Bereich von Arbeitsplätzen in die EU-Richtlinie 2004/40/EG übernommen wurden [2]. Für den privaten Bereich gelten damit keine Grenzwerte. Für den Geltungsbereich der EU-Vorordnung gelten bis 100 kHz lediglich Grenzwerte für Wärmewirkungen nach dem Ohmschen Gesetz. Erst ab 100 kHz sind SAR-Werte festgelegt.

Grenzwerte für Hochfrequenzanlagen

Die Verordnung über elektromagnetische Felder gibt folgende Grenzwerte an:

Effektivwert der Feldstärke, quadratisch gemittelt über Sechs-Minuten-Intervalle (Frequenz f in MHz einsetzen)

Frequenz (f)
Megahertz (MHz)
elektrische Feldstärke
Volt pro Meter (V/m)
magnetische Feldstärke
Ampere pro Meter (A/m)
10–400 27,5 0,073
400–2.000 1{,}375 \sqrt f 0{,}0037 \sqrt f
2.000–300.000 61 0,16

Repräsentative Werte von Quellen hochfrequenter Strahlung werden vom Bundesamt für Strahlenschutz wie folgt angegeben:

Quelle Elektrische Feldstärke
Volt pro Meter V/m
Elektrische Feldstärke
Volt pro Meter V/m
Rundfunksender Mittelwelle
1,4 MHz, 1,8 MW Leistung
450 V/m
im Abstand von 50 m
90 V/m
im Abstand von 300 m
Rundfunksender Kurzwelle
6–10 MHz, 750 kW Leistung
121,5 V/m
im Abstand von 50 m
27,5 V/m
im Abstand von 220 m

Grenzwerte für Niederfrequenzanlagen

Effektivwerte der elektrischen Feldstärke und der magnetischen Flussdichte nach der 26. BImSchV:

Frequenz (f)
Hertz (Hz)
Elektrische Feldstärke
Kilovolt pro Meter (kV/m)
Magnetische Flussdichte
Mikrotesla (µT)
50-Hz-Felder 5 100
16,7-Hz-Felder 10 300

Repräsentative Werte magnetischer Flussdichten von Haushaltsgeräten werden vom Bundesamt für Strahlenschutz wie folgt angegeben:

Die Werte gelten für einen Messabstand von 30 Zentimetern

Gerät Flussdichte
Mikrotesla (µT)
Gerät Flussdichte
Mikrotesla (µT)
Haarföhn 0,01–7 Waschmaschine 0,15–
Rasierapparat 0,08–9 Bügeleisen 0,12–0,3
Bohrmaschine 2–3,5 Geschirrspüler 0,6–3
Staubsauger 2–20 Kühlschrank 0,01–0,25
Leuchtstofflampe 0,5–2 Computer < 0,01
Mikrowellengerät 4–8 Fernsehgerät 0,04–2
Radio (tragbar) 1 Küchenherd 0,15–0,5

Grenzwerte für Mittelfrequenzanlagen

Bisher wird der Frequenzbereich zwischen 50 Hz und 10 MHz nicht von der aktuellen 26. BImSchV oder einer gültigen Europäischen Regelung erfasst. Niederfrequente und mittelfrequente elektromagnetische Felder oberhalb von 50 Hz sind allgegenwärtig.

Die Empfehlung der ICNIRP gilt für alle technisch nutzbaren Frequenzen. Die 26. BImSchV in der aktuellen Fassung von 1996 nennt den Bereich zwischen der Netzfrequenz von 50 Hz und der Untergrenze für Hochfrequenz bei 10 MHz nicht. Für den unteren Frequenzbereich unter 10 MHz sind die technischen Regeln der elektromagnetischen Verträglichkeit einzuhalten.

Herkunft der Grenzwerte

Bevor Grenzwerte definiert und in Verordnungen erlassen werden, gibt es Empfehlungen, beispielsweise von der ICNIRP.[3]

Die aktuelle Empfehlung der ICNIRP gilt für elektromagnetische Felder von 0 Hz bis 300 GHz.[4]

In der Empfehlung wird generell auf das Ohmsche Gesetz in vektorieller Form verwiesen, das die Umsetzung elektromagnetischer Felder in Gewebe an deren skalarer Leitfähigkeit orientiert. Die technischen Grenzwerte für Feldstärken sind daher rechnerisch von Basisgrenzwerten abgeleitet. Diese Basisgrenzwerte beziehen sich auf die Erregung von elektrischen Strömen im Körper (Beeinflussung der Nerventätigkeit) und auf die maximal zulässige Erwärmung einzelner Körperregionen. Die Erregung elektrischer Ströme im Körper, ein nichtthermischer Effekt, tritt bei Frequenzen von 0 Hz bis 10 MHz auf. Bei höheren Frequenzen ist der menschliche Körper durch den hohen Wassergehalt ein schlechter Leiter. Die Wärmewirkung ist bedeutsam bei Frequenzen oberhalb von 100 kHz. Dissoziative (trennende) Strahlung, die Gewebe durch Zersetzung der Strukturen und Zerlegung von Molekülen unmittelbar zerstört, wird bei höheren Frequenzen wirksam.

Während Ströme und Temperaturerhöhung im lebenden Körper nicht direkt messbar sind, handelt es sich bei den abgeleiteten Grenzwerten um direkt messbare Feldgrößen. Bei Einhaltung der abgeleiteten Grenzwerte ist sichergestellt, dass auch die Basisgrenzwerte eingehalten werden. Abhängig von der Frequenz führt ein äußeres Feld einer bestimmten Stärke zu unterschiedlich starken Effekten im Körper. Deshalb sind auch die abgeleiteten Grenzwerte frequenzabhängig. Beispielsweise muss die Feldstärke von Mobilfunk-Sendeanlagen der Frequenz 935 MHz unter 42,0 V/m (bzw. 0,11 A/m oder 4,76 W/m²) bleiben. Für einen UKW-Rundfunksender (zwischen 87,5 und 108 MHz) gilt ein Grenzwert von 28 V/m.

Die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte wird von den zuständigen Immissionsschutzbehörden der Länder und von der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen überwacht. Die Einhaltung der technischen Grenzwerte muss durch die Hersteller und Betreiber der technischen Einrichtungen eigenverantwortlich sichergestellt werden. Für alle technischen Geräte, auch für Haushaltsgeräte wie z. B. Mikrowellenöfen und Mobiltelefone gelten dazu in Produktnormen festgelegte Grenzwerte bezüglich der abgestrahlten Feldstärken oder Leistungsdichten.

Schweizer Grenzwerte

In der Schweiz existiert seit 2000 die Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung[5] (vgl. dazu ionisierende Strahlung), welche die Immissionen vorsorglich begrenzt. Demnach gelten allgemein die von der WHO empfohlenen Grenzwerte. Für Orte mit empfindlicher Nutzung, wie zum Beispiel Schlaf-, Wohn-, Schul-, und Krankenzimmer, werden zusätzlich Vorsorgliche Emissionsbegrenzungen festgelegt. Sie betragen, vereinfacht gesagt, 10 % (Hochfrequenz) bzw. 1 % (Niederfrequenz, Magnetfeld) der allgemeinen Grenzwerte. Bei der Berechnung des Schweizer Vorsorgewertes wird die Gebäudedämpfung berücksichtigt, da es um den Schutz des Innenraums geht. Diese Anlagengrenzwerte beziehen sich jeweils auf eine Anlage, sie können in der Summe also überschritten werden. Als Anlage gelten alle Sendeantennen die in einem engen räumlichen Zusammenhang stehen.

Grenzwerte-Vergleich für elektrische Wechselfelder 50 Hz

26. BImSchV (Elektrosmogverordnung) 5000 V/m
WHO, ICNIRP, IRPA, Strahlenschutzkommission 5000 V/m
DIN/VDE 0848 (für die Bevölkerung) 7000 V/m
DIN/VDE 0848 (für den Arbeitsplatz) 20.000 V/m
Computernorm TCO (30 cm Bildschirmabstand) 10 V/m
Computernorm MPR (50 cm Bildschirmabstand) 25 V/m

Weitere Grenzwertempfehlungen

Es gibt eine Reihe Empfehlungen für Grenzwerte, die sich nicht ausschließlich an den nachgewiesenen gesundheitlichen Wirkungen orientieren. Sie kommen von Vereinigungen und Strömungen, die der Mobilfunktechnik kritisch gegenüberstehen und Gefahren im Bereich der gültigen Grenzwerte vermuten. Sie geben deshalb eigene Vorsorgewerte heraus. Ein Beispiel ist die ECOLOG-Empfehlung 2003 für UMTS/E-Netz/D-Netz (900–2100 MHz) mit 2 V/m (10 mW/m² = 10.000 µW/m²[6]

Siehe auch

Literatur

  • Elisabeth Cardis et al.: Brain tumour risk in relation to mobile telephone use: results of the INTERPHONE international case–control study, International Journal of Epidemiology 2010;1–20 doi:10.1093/ije/dyq079
  • No Change in Brain Tumor Incidence During a Time When Cell Phone Usage Increased, Journal of the National Cancer Institute Advance Access published on December 4, 2009, J. Natl. Cancer Inst. 2009 101: NP; doi:10.1093/jnci/djp444
  • IARC CLASSIFIES RADIOFREQUENCY ELECTROMAGNETIC FIELDS AS POSSIBLY CARCINOGENIC TO HUMANS, PRESS RELEASE N° 208, 31 May 2011 http://www.iarc.fr/en/media-centre/pr/2011/pdfs/pr208_E.pdf

Weblinks

Einzelnachweise

  1. ICNIRP e. V.
  2. EU-Richtlinie 2004/40/EG
  3. Scientific Secretariat of the International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection, angesiedelt bei dem Deutschen Bundesamt für Strahlenschutz (German Radiation Protection Agency), Oberschleissheim, Oberbayern, Germany)
  4. Exposure to high frequency electromagnetic fields, biological effects and health consequences (100 kHz-300 GHz) - Review of the Scientific Evidence and Health Consequences. Munich: International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection; 2009. ISBN 978-3-934994-10-2.
  5. NISV
  6. ECOLOG-Empfehlung 2003, PDF-Datei; 3,65 MB

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