Erich Priebke

Erich Priebke

Erich Priebke (* 29. Juli 1913 in Hennigsdorf) war im Zweiten Weltkrieg als SS-Führer an den Erschießungen bei den Ardeatinischen Höhlen beteiligt. Er wurde 1998 in Italien als Kriegsverbrecher zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, welche jedoch aus Altersgründen in Hausarrest umgewandelt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Priebke ist gelernter Hotelfachmann und arbeitete bis 1935 in verschiedenen Hotels in Europa. 1936 kehrte er nach Deutschland zurück und arbeitete für die Gestapo in der Zeit des Nationalsozialismus als Dolmetscher für Italienisch. Bald wurde er verbeamtet und in den Kriminaldienst der Gestapo übernommen, wo er für den Kontakt zu anderen Polizeidiensten, vor allem mit dem faschistischen Italien, zuständig war.

Ab Februar 1941 arbeitete Priebke an der deutschen Botschaft in Rom als Verbindungsoffizier zur italienischen Polizei. Nach dem Sturz Mussolinis wechselte Italien die Fronten und stellte sich auf die Seite der Alliierten. Als Vergeltungsmaßnahme für ein Partisanenattentat der Kommunisten unter Rosario Bentivegna auf deutsche Soldaten einer SS-Polizeigrenadierdivision in der Via Rasella am 23. März 1944 – eine ferngezündete Bombe tötete 33 Soldaten sowie eine Anzahl unbeteiligter Italiener als Passanten – wurde den in Rom stationierten deutschen Einheiten kurz darauf von Berlin die Erschießung von Geiseln im Verhältnis von 10 Geiseln pro getötetem Deutschen befohlen. In den Ardeatinischen Höhlen, einem Steinbruchgelände nahe Rom, wurden am 24. März 1944 auf Anforderung der Deutschen von 330 Geiseln durch die italienische Kommandantur 335 Zivilisten zur sofortigen Erschießung überstellt. Einer der Beteiligten war Erich Priebke. Nach der Erschießung der Geiseln in Fünfergruppen stellte Priebke fest, dass fünf Zivilisten mehr als beabsichtigt erschossen worden waren. Zum Kriegsende 1945 diente Priebke zuletzt im Dienstgrad eines SS-Hauptsturmführers.

Nach 1945

Priebke lebte nach dem Krieg 20 Monate in englischer Kriegsgefangenschaft auf italienischem Boden. Nach seiner Flucht aus dem Lager in Rimini wohnte er zunächst unbehelligt bei seiner Familie in Sterzing/Vipiteno bis zum Oktober 1948. Anschließend versteckten ihn Franziskanermönche auf Ersuchen von Alois Hudal im Franziskanerkloster Bozen.[1] Möglicherweise mit Hilfe kirchlicher Stellen organisierte er sich auch einen Reisepass des Internationalen Roten Kreuzes unter dem Falschnamen Otto Pape aus Lettland und entkam so von Genua nach Argentinien. Dort lebte Priebke bald wieder unter seinem echten Namen und mit gültigen argentinischen Papieren in Bariloche in Argentinien, wurde dort Vorsitzender des Trägervereins der Deutschen Schule und genoss hohes Ansehen in der Deutschen Gemeinde und bei den Einheimischen. Seine Vergangenheit war den dortigen Menschen zwar nicht in allen Details bekannt, aber selbst in der Deutschen Botschaft wurde Stillschweigen über seine Kriegsverbrechen bewahrt.

Nach Wiederaufnahme der deutsch-argentinischen Beziehungen 1952 hatte er sich für den deutschen Pass registrieren lassen und ihn erhalten. 1993 stellten deutsche Ermittler einen Auslieferungsantrag, Priebke wurde in Argentinien darauf unter Hausarrest gestellt.

Der römische Militärstaatsanwalt Antonino Intelisano, der für den Distrikt Rom zuständig war und nicht der Generalbehörde angehörte, entdeckte 1994 durch einen Zufall, als er im Fall Erich Priebke ermittelte, haufenweise vergilbte Akten in einem Schrank in der Allgemeinen Militäranwaltschaft in Rom. Dieser Schrank wurde daraufhin als „Schrank der Schande“ bekannt, da in diesem 2.274 Fälle von vergessenen NS-Kriegsverbrechen in Italien im Zweiten Weltkrieg „provisorisch archiviert“ wurden.

1995 wurde Priebke nach Italien überstellt und dort im August 1996 von einem Militärgerichtshof in Rom zunächst freigesprochen. Der Freispruch führte zu weltweiten Protesten.[2] Am 15. Oktober 1996 erklärte ein Kassationsgericht den Freispruch für nichtig, so dass Priebke nochmals vor Gericht musste. Diesmal wurde ein Strafmaß von 15 Jahren verhängt. Aufgrund von Amnestiegesetzen wurde die Strafe um zehn Jahre reduziert und zugleich die Untersuchungshaft angerechnet. Im Frühjahr 1998 wurde Erich Priebke dann von einem Militär-Berufungsgericht in Rom zu lebenslanger Haft verurteilt. Trotz seiner Verurteilung blieb er uneinsichtig und behauptete am 3. Mai 2000 in einem Interview der Süddeutschen Zeitung: „Drahtzieher der Inszenierung, die heute gegen mich stattfindet, sind die Wiesenthal-Zentren gewesen“.[3]

Aufgrund seines angeschlagenen Gesundheitszustands verbüßt Priebke die Haft in Hausarrest. Anfang Juni 2007 erreichte Priebkes Anwalt, dass er sich mit Einschränkungen und Ankündigung bei der Polizei frei in Rom bewegen darf. Amos Luzzatto, führender Vertreter der jüdischen Gemeinde, warf dem Gericht daher vor, die Haftstrafe Priebkes zu umgehen.[4] Am 19. Juni 2007 wurde die Lockerung des Hausarrests wieder zurückgenommen.

Priebkes Verteidiger plädierten in seinem Namen auf Handeln aufgrund Befehlsnotstand, was seine Ankläger bestritten. Auch Priebkes hohes Alter und sein schlechter Gesundheitszustand werden von Kritikern des Verfahrens als Grund für eine eventuelle Begnadigung oder Amnestie angeführt.

Im Juni 2010 war Erich Priebke darüber hinaus als Kandidat der rechtsextremen NPD für das Amt des Bundespräsidenten im Gespräch.[5]

Im Oktober 2010 wurden angeblich wieder Hafterleichterungen eingeräumt.[6]

Siehe auch

Literatur

  • Erich Priebke und Paolo Giachini: Autobiographie: „Vae victis“, Rom: Associazione Uomo e Libertà, 2003
  • Gerald Steinacher. Nazis auf der Flucht. Wie Kriegsverbrecher über Italien nach Übersee entkamen 1946-1955, StudienVerlag, Innsbruck-Wien-Bozen 2008, ISBN 978-3-7065-4026-1

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Herbert Lackner: „Die Hakenkreuzfahrer: Brisante Details über die Flucht hochrangiger Nazi-Verbrecher“, profil (Zeitschrift) online vom 13. August 2008, abgerufen am 28. August 2011
  2. J. Friedrich: Der Sühnehunger will gestillt sein. Das Urteil gegen den SS-Mann Erich Priebke rief weltweit Empörung hervor. In: taz, 12. August 1996; Manfred Messerschmidt: Vielleicht ein Fall Militärjustiz. Verbirgt sich hinter der Empörung über das milde Urteil gegen den SS-Hauptmann Erich Priebke Sühnehunger? In: taz, 17./18. August 1996; Gerhard Schreiber: Der Fall Priebke: Wo bleibt die Sühne? Die Schuld ist bewiesen, doch die Proteste gegen das Urteil reißen nicht ab. In: Rheinischer Merkur, 23. August 1996
  3. Zitat bei Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 473
  4. Paul Kreiner: Freiheiten eines Häftlings Sächsische Zeitung, 14. Juni 2007
  5. Liedermacher Frank Rennickes Wiederbelebungskampagne einer angeschlagenen Partei
  6. Artikel bei Spiegel Online, abgerufen am 6. Oktober 2010

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