Ertebøllekultur

Ertebøllekultur

Die Ertebølle-Kultur ist eine spätmesolithische Kultur, die zwischen 5100 v. Chr. und 4100 v. Chr. (kalibrierte Daten nach Hartz/Heinrich/Lübke, 2000) in Dänemark und Norddeutschland verbreitet war. Sie ist nach dem Fundort Ertebølle am Ostufer des Limfjordes in Jütland, in der Nähe von Farsø benannt, in Deutschland nach einem weiteren Fundort auch Ertebølle-Ellerbek-Kultur (nach H. Schwabedissen).

Am dänischen Fundort stieß man auf einen 140 m langen, 30 bis 40 m breiten und bis zu 1,50 m hohen Muschelhaufen, der zwischen den Jahren 1893 und 1897 untersucht wurde. Er enthielt neben unzähligen Speiseresten reiche Hinterlassenschaften der Ertebølle-Kultur. Derartige Abfallhaufen wurden an verschiedenen Orten in Europa gefunden. Trotzdem handelt es sich entgegen früheren Annahmen nicht um eine Muschelhaufen-Kultur. An der schleswig-holsteinischen Küste konnten keine Muschelhaufen nachgewiesen werden, sie liegen wohl aufgrund der Landsenkung unter dem heutigen Meeresspiegel.

Inhaltsverzeichnis

Siedlungen

Die Wohnplätze konnten vor allem an der Küste nachgewiesenen werden. Grund sind die so genannten Køkkenmøddinger ("Küchenabfallhaufen"), die schon den Antiquaren des 19. Jahrhunderts auffielen. Diese überwiegend aus Muschel- oder Schneckenschalen bestehenden Haufen wurden teilweise in der folgenden neolithischen Trichterbecherkultur weiter aufgesucht (Åmølle, Krabbesholm, Norsminde, Visborg). Daneben sind auch Inland-Siedlungen bekannt, wie Ringkloster und Muldbjerg I im Ǻmose auf Seeland und Ellerbek in Schleswig-Holstein. Die ersten Funde dieser Kultur in Deutschland wurden bei der Ausbaggerung des Kieler Hafens zwischen 1876 und 1903 gemacht.

Materielle Kultur

In Unterwasserausgrabungen fanden sich sehr gut erhaltene Angelhaken, Fischspeere, Fischzäune, Netze, Querangeln, Reusen und Reste von Booten und Paddeln. Pfeil und Bogen dienten als Jagdwaffen, typisch für diese Zeit sind die Holmegard- und Tybrind-Bögen. In der Silexindustrie sind querschneidige Pfeilspitzen typisch. An der Timmendorfer Nordmole wurde eine bisher für Nordeuropa einzigartige geschäftete mesolithische Flintklinge gefunden.

Keramik

Im Laufe der Ertebølle-Kultur tritt in Norddeutschland die erste Keramik in Form von unverzierten, spitzbodigen Gefäßen und Tonlampen auf, die auf Anregungen aus dem südlich angrenzenden oder dem baltischen Bereich (Narva-Kultur) zurückgehen. In Schlamersdorf (Krs. Stormarn) wurden spitzbodige Gefäße gefunden von denen eines eine Randverzierung mit Fingernageleindrücken und winzigen Einstichen im Randbereich zeigt. Ihre Datierung auf 5.300 - 5.200 v. Chr. weist sie als älteste Ertebøllekeramik aus. In Seedorf, Krs. Segeberg datiert die früheste Keramik dieser Kultur von 4.900 - 4.800 v. Chr. In Südskandinavien taucht diese Keramik erst 4.600 v. Chr. auf. Die Gefäße sind in Wulst- oder Schrägaufbautechnik hergestellt. Ihre Wanddicken schwanken zwischen 5 und 15 mm.

Wirtschaft

Marine Ressourcen scheinen für die Ernährung zumindest saisonal wichtig gewesen zu sein. Neben Seefischen (Dorsch, Plattfisch) und Muscheln wurden auch Barsche und Hechte erbeutet. Robben, Seehunde und Tümmler (Wale) wurden gejagt. Daneben spielte Wild eine Rolle, in den Muschelhaufen Jütlands finden sich die Knochen von Rothirsch, Wildrind, Reh und Wildschwein. Zur Jagd wurden Pfeil und Bogen und der Hund eingesetzt. Es finden sich undeutliche Hinweise auf eine beginnende Neolithisierung, insbesondere in Form von vereinzelter Tierhaltung. In Tybrind Vig wurden ein fast völlig erhaltener Einbaum und ein Bruchstück vom Heck eines hochbordigen Bootes entdeckt. Ersterer ist etwa 9,50 Meter lang und 0,65 Meter breit. Die gefundenen Paddel sind aus Eschenholz. Sie haben ein herzförmiges Ruderblatt und einen mehr als 1 Meter langen Holzschaft. Zwei der Paddel sind auf dem Ruderblatt verziert.

Bestattungen

Bestattungen finden sich vor allem in den Muschelhaufen. Friedhöfe sind aus Vedbaek, Bøgebakken und Skateholm bekannt. Die jüngsten Untersuchungen (1978-1987) stammen wieder vom Fundplatz Tybrind Vig in der Nähe von Middelfart auf Fünen. Darunter eine Doppelbestattung.

Literatur

  • S. H. Andersen: Tybrind Vig. A Preliminary Report on a Submerged Ertebølle Settlement on the West Coast of Fyn. - In: Journal Danish Archaeology 4, 1985,
  • S. H. Andersen: Mesolithic dug-outs and paddles from Tybrind Vig, Denmark. - In: Acta Arch. 57, 1987.
  • S. H. Andersen: Norsminde, ein Muschelhaufen mit später Ertebølle- und früher Trichterbecherkultur. In: J. Hoika u. J. Meurers-Balke (Hrsg.): Beiträge zur frühneolithischen Trichterbecherkultur im westlichen Ostseegebiet. Unters. u. Mat. zur Steinzeit Schleswig-Holstein 1 (Schleswig - Neumünster 1994).
  • Sönke Hartz/D. Heinrich/H. Lübke, Frühe Bauern an der Küste. Neue C14 Daten und aktuelle Aspekte zum Neolithisierungsprozeß im Norddeutschen Ostseeküstengebiet. Prähist. Zeitschr. 75, 2000, 129ff
  • Stutz, Liv Nilsson, Embodied rituals & ritualized bodies : tracing ritual practices in late mesolithic burials (Lund, Wallin & Dahlholm 2003) Acta archaeologica Lundensia Series in 8; no. 46.
  • Raymond R. Newell/Trinette Constandse-Westermann, The significance of Skateholm 1 and Skateholm 2 to the mesolithic of western Europe (Amsterdam, I.P.P. 1988).

Weblinks


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