- Fenetyllin
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Strukturformel (R)-Form (oben) und (S)-Form (unten) Allgemeines Freiname Fenetyllin Andere Namen Summenformel C18H23N5O2 CAS-Nummer - 3736-08-1
- 1892-80-4 Fenetyllinhydrochlorid
PubChem 102710 ATC-Code N06BA10
DrugBank DB01482 Arzneistoffangaben Wirkstoffklasse Wirkmechanismus Verschreibungspflichtig: BtMG Eigenschaften Molare Masse 341,41 g·mol−1 Schmelzpunkt 227–229 °C oder 237−239 °C (zwei verschiedene morphologische Modifikationen) (Fenetyllin·Hydrochlorid) [1]
Löslichkeit löslich in Wasser (Fenetyllin·Hydrochlorid)
Sicherheitshinweise Bitte beachten Sie die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln EU-Gefahrstoffkennzeichnung [2] Keine Einstufung verfügbarR- und S-Sätze R: siehe oben S: siehe oben LD50 Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. Fenetyllin ist ein Amphetamin-Derivat und Arzneistoff (Sympathomimetikum), der als Stimulans genutzt wird. Es war unter dem Handelsnamen Captagon® im Verkehr.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte und Verwendung
Fenetyllin wurde 1961 auf den deutschen Arzneimarkt gebracht[4] und 25 Jahre lang als Alternative zu Amphetamin benutzt. Unter anderem wurde es zur medikamentösen Behandlung von ADHS eingesetzt, weniger gebräuchlich für Narkolepsie oder als Antidepressivum, wobei sich die Indikation für Amphetamine in der Vergangenheit häufig änderte. So waren in den 1950er-Jahren Müdigkeit oder Asthma noch ein Anwendungsgebiet dieser Wirkstoffe.
Seit Fenetyllin 1986 von UNODC in die Liste der gefährlichen Drogen aufgenommen wurde, ist es in vielen Ländern als illegaler Suchtstoff eingestuft. Fenetyllin steht auf der Verbotsliste der Welt-Antidoping-Agentur und in deren Laboren wurde zwischen 2003 bis 2005 sechsmal positiv auf Fenetyllin getestet.
In Deutschland ist Fenetyllin nicht als Fertigarzneimittel erhältlich. Das von 2003 bis 2010 auch in Deutschland vertriebene Arzneimittel Captagon® ließ sich jedoch über internationale Apotheken aus dem Ausland (Belgien) importieren. Die Abgabe unterlag der BtMVV.
Fenetyllin ist gemäß BtMG Anlage III ein verkehrs- und verschreibungsfähiges Betäubungsmittel, das jedoch mangels eines zugelassenen Fertigpräparats praktisch nicht verfügbar ist. In rechtlicher Hinsicht steht es damit dem Amphetamin gleich.
Einordnung
Es gehört zur Wirkstoffklasse der Amphetamine/Weckamine[5] und hat mit den Wirkstoffen Amphetamin und Methamphetamin den Phenylethylaminkern sowie die prinzipielle Pharmakodynamik gemein. Deutliche Unterschiede bestehen jedoch in der Pharmakokinetik.
Wirkung
Wie Amphetamin durchdringt Fenetyllin die Blut-Hirn-Schranke und löst dadurch eine Kaskade katecholaminerger Wirkungen im zentralen Nervensystem (ZNS) aus. Hinzu treten sympathomimetische Wirkungen auf das Herz-Kreislauf-System.
Zu den Wirkungen auf das ZNS gehören, ähnlich wie bei dem wirkungsverwandten Wirkstoff Methylphenidat, eine Veränderung des dopaminergen und noradrenergen Gehirnstoffwechsels. So wird laut aktueller Forschung davon ausgegangen, dass durch die Verminderung der Dopamintransporterdichte (DAT) am Corpus striatum eine höhere Dopamin-Konzentration am synaptischen Spalt erfolgt, kurz die Dopaminkonzentration in Teilbereichen des Gehirns erhöht wird.[6] Insbesondere erfolgt dies im präfrontalen Cortex (Frontallappen). Dies führt zu den typischen Amphetaminwirkungen wie erhöhte Aufmerksamkeit, Leistungsbereitschaft und anderes (siehe Methylphenidat/Amphetamin).
Missbrauch
Bei einer Überdosierung von Fenetyllin werden große Mengen der Neurotransmitter Noradrenalin und Dopamin aus den Speichervesikeln im zentralen Nervensystem freigesetzt. Dies kann zu Krämpfen, Herz-Kreislauf-Zusammenbruch und psychiatrischen Notfallzuständen führen. In der Regel erfolgt die Applikation oral. Wie bei anderen Wirkstoffen dieser Art werden auch weitere Applikationsformen angewandt, die teilweise extreme Risiken bergen, wie im Folgenden beschrieben.
Die dauerhafte, hoch dosierte, nicht bestimmungsgemäße Einnahme von Fenetyllin führt zu einem ähnlichen Bild wie die hoch dosierte, dauerhafte, nicht bestimmungsgemäße Einnahme von Methamphetamin (meist in verunreinigter Form als Straßendroge „Crystal (-Speed)“ bekannt) bei nasaler oder rektaler bzw. intravenöser Applikation.
Insbesondere sind dies der Angriff (autonomer) Reserven des Körpers, die Verzehrung der Energiereserven (Fett, Muskelgewebe), allmählicher Zerfall der Persönlichkeit/des Bewusstseins. Bedingt ist dies hauptsächlich durch ein Ausbleiben des Schlafs (über mehrere Wochen), dem deutlich erhöhten Energiebedarf, der jedoch durch die sehr starke Appetithemmung und die mangelnde Nahrungsaufnahme nicht gedeckt wird und der enorm rasch einhergehenden Verzehrung von Vitalstoffen wie Vitaminen. Ein solch extremer Missbrauch amphetaminartiger Wirkstoffe kann daher binnen weniger Wochen zum Tod führen.
Eine akute Überdosierung kann bei vorbestehenden Herzkrankheiten zum plötzlichen Herztod führen, insbesondere, wenn die Überdosierung mit hoher körperlicher Beanspruchung zusammentrifft.
In weiteren Fällen kann infolge Flüssigkeitsmangels der Tod nach Herz-Kreislauf-Versagen eintreten, wenn extreme körperliche Beanspruchung über mehrere Stunden und eine hohe oder oft wiederholte Einnahme des Wirkstoffs zusammentreffen (bspw. Discothek).
Doping
Der Bundesligatrainer Peter Neururer hat Doping mit Captagon im Fußball Ende der 1980er Jahre als „gang und gäbe“ bezeichnet. „Es ist mir bekannt, dass früher Captagon genommen worden ist. Viele Spieler waren verrückt danach“, wird Neururer zitiert: „Das war überall bekannt und wurde praktiziert. Bis zu 50 Prozent haben das konsumiert. Nicht nur in der zweiten Liga.“ [7][8]
Einzelnachweise
- ↑ Merck Index, 9. Auflage, Merck & Co., 1976, S. 519, ISBN 0-911910-26-3.
- ↑ In Bezug auf ihre Gefährlichkeit wurde die Substanz von der EU noch nicht eingestuft, eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
- ↑ Fenetyllin bei ChemIDplus.
- ↑ http://www.epsy.de/psychopharmaka/zeittafel.htm.
- ↑ Mutschler u.a., Arzneimittelwirkungen, 2001.
- ↑ Krause/Krause, München, 2001.
- ↑ [1]
- ↑ [2]
Literatur
- Kristen G, Schaefer A, von Schlichtegroll A.: Fenetylline: therapeutic use, misuse and/or abuse. Drug and Alcohol Dependence. 1986 Jun; 17(2-3): 259-71.
- Ellison T, Levy L, Bolger JW, Okun R.: The metabolic fate of 3H-fenethylline in man, European Journal of Pharmacology 13: 123, 1970.
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