Ferdinando Galiani

Ferdinando Galiani
Abbé Galiani

Ferdinando Coelestinus Galiani – auch genannt Abbé Galiani – (* 2. Dezember 1728 in Chieti, Königreich Neapel; † 30. Oktober 1787 in Neapel, Königreich Neapel) war ein italienischer Diplomat, Ökonom und Schriftsteller in der Zeit der Aufklärung.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Galiani wurde als eines von sieben Kindern des Marchese Matteo Galiani, Bezirksverwalter von Chieti, und dessen Ehefrau Maria Ciaburra geboren. Die Familie Galianis entstammte dem alten Beamtenadel des Königreichs Neapel. Von 1735 an wurden er und sein älterer Bruder durch ihren Onkel, Erzbischof Celestino Galiani, einen der einflussreichsten Männer im Königreich, in Neapel unterrichtet. Neapel war damals die drittgrößte Metropole Europas und das Haus des Onkels, die Casa Galiani, das intellektuelle Zentrum. Von 1740 bis 1742 besuchten die Brüder die Klosterschule der Cölestiner im Rom, weil sich ihr Onkel dort in diplomatischer Mission aufhielt. Zu seinen Lehrern zählten Giambattista Vico, Appiano Buonafede und Antonio Genovesi, zu seinen Förderern Bartolomeo Intieri (1678–1757). 1744 wurde er in die Accademia degli Emuli (Akademie der Eifrigen) aufgenommen. In diesen Akademien präsentierte die Jugend Neapels in Abhandlungen ihr akademisches Wissen. Eine parodistische Satire auf akademische Lobhudeleien betitelt „Componimenti…“ machte Galiani erstmals auch außerhalb Neapels bekannt.

Mit 22 Jahren veröffentliche er sein Hauptwerk Della Moneta - Libri Cinque (Über das Geld - fünf Bücher), es erschien anonym. Auch dieses Werk zeigt seine meisterhafte Fähigkeit, seinen Stil nach Belieben an das gedachte Publikum anzupassen. Als Belohnung für seine Leistung als Wirtschaftstheoretiker erhielt er die Pfründen des Bistums Centola und der Abtei San Lorenzo. Um über das Geld aus diesen Pfründen verfügen zu können, musste der junge Nationalökonom, der nie Theologie studiert hatte, die niederen Priesterweihen entgegennehmen. Ein päpstlicher Dispens gestattete ihm nun, den Titel Monsignore zu führen und sich als infuliert zu betrachten. So ging der Freigeist als Abbé Galiani in die Geschichte ein.[1]

Eine Reise durch Oberitalien wurde für ihn zum schriftstellerischen Triumphzug. In Rom wurde er von Papst Benedikt XIV. empfangen. 1755 ernannte ihn König Karl IV. von Neapel zum Mitglied der Akademie von Herculanum, welche die Aufgabe hatte, die Ausgrabungsarbeiten im antiken Herculaneum zu leiten und die Funde zu beschreiben.

Von 1759 bis 1769 war Galiani Sekretär der neapolitanischen Gesandtschaft in Paris; in der höfischen Gesellschaft kam der kleinwüchsige und vielleicht allzu geistreiche Mann zunächst nicht an. Durch diplomatische Kreise kam er jedoch mit Persönlichkeiten der französischen Aufklärung (darunter d'Alembert, Denis Diderot, Baron Holbach, Helvétius und Friedrich Melchior Grimm) in Kontakt, bald wurde er der Liebling der Salons. Diderot formulierte es so: „Der Abbé ist unerschöpflich an geistvollen Wendungen und Zügen; ein Kleinod für Regentage…“ Berühmt wurde sein lange Jahre andauernder Briefwechsel mit Frau von Epinay. Seine Schriften wurden von Diderot, Voltaire und den anderen Enzyklopädisten gelobt.

1769 musste ihn sein Förderer, der Minister Tanucci, auf Anweisung des neapolitanischen Königs aus Paris abberufen. Mit welchen Gefühlen er Frankreich und die dortigen Freunde verließ, zeigt folgende Passage aus einem Brief an Frau von Epinay: „Man hat mich aus Paris herausgerissen, und man hat mir das Herz aus der Brust gerissen!“ Galiani hinterließ sein Buch Dialogues sur le commerce des blés (Dialoge über den Getreidehandel), das in Paris zum Bestseller wurde. Seiner Geliebten ließ er durch Frau von Epinay eine feste Rente zahlen. Als Trost dafür, dass er zum Opfer weltpolitischer Intrigen geworden war, wurde er im selben Jahr zum Sekretär des Obersten Handelsgerichtes in Neapel ernannt – bei verdoppeltem Salär. Neben anderen literarischen Arbeiten verfasste er eine Schrift über den neapolitanischen Dialekt. 1777 wurde er Vorsitzender der Domänenverwaltung, sein Rat war bei Hofe sehr geschätzt. 1782 wurde er erster Beisitzer des Obersten Finanzrates im Königreich Neapel. Galiani war nun berühmt.

Nach dem Ableben seiner Freunde d’Alembert, Diderot und Frau von Epinay nahm er langsam Abschied von dem alten Wunschtraum einer Rückkehr nach Paris. Er beschränkte sich auf seinen steten Briefwechsel mit Gesinnungsgenossen der Aufklärungszeit, mit Friedrich dem Großen, Katharina II. und vielen anderen europäischen Fürsten. Während er umfangreiche Kanalprojekte im Königreich Neapel plante, erlitt er 1785 einen schweren Schlaganfall. Er erholte sich zwar, doch war seine Gesundheit angeschlagen. Knapp zwei Jahre später besuchte er Venedig, Modena und Padua, wo er überall mit großen Ehren empfangen wurde.

Anfang Oktober desselben Jahres stellte sein Arzt unheilbare Wassersucht fest; wenige Wochen später verstarb Galiani im Alter von 58 Jahren. Er wurde in der Himmelfahrtskirche der Cölestiner, in Neapel-Chiaia, an der Seite seines Onkels, des Erzbischofs Celestino Galiani, beigesetzt. Er galt als einer der geistreichsten Menschen seines Jahrhunderts.

Werke

  • Della moneta gilt als ein klassisches Werk der italienischen Nationalökonomie.

Karl Marx fasste Galianis ökonomische Analysen vorwiegend im Sinne der Arbeitswerttheorie auf: Der Wohlstand wird aufgefasst als ein Verhältnis zwischen zwei Personen.[2] Die Mühe (fatica) ist das einzige, das dem Ding Wert gibt.[3] "Das Geld ist von zweierlei Art, ideales und reales; und es wird in zwei verschiedenen Weisen gebraucht, um die Dinge zu schätzen und um sie zu kaufen. Zum Schätzen ist das ideale Geld geeignet, ebenso wie das reale und vielleicht auch besser. Der andere Gebrauch des Geldes besteht im Kauf jener Dinge, die es schätzt... Die Preise und die Kontrakte werden in idealem Gelde geschätzt und in realem Gelde verwirklicht."[4] "Es ist die Schnelligkeit des Geldumlaufs und nicht die Menge des Metalls, was macht, daß viel oder wenig Geld vorhanden zu sein scheint."[5] "Die Metalle besitzen die Eigentümlichkeit und Besonderheit, daß in ihnen allein alle Verhältnisse zurückgeführt sind auf eines, das ist ihre Quantität, daß sie von der Natur keine verschiedene Qualität erhalten haben, weder im innern Bau, noch in der äußern Form und Bearbeitung."[6]

Wladimir Karpowitsch Dmitrijew sah Galiani hingegen als den Entdecker der Grenznutzenlehre an.[7] Denn für ihn sei die Austauschrelation der Güter abhängig von der subjektiven Wertung des Individuums. Dabei habe er die primäre Nützlichkeit (utilità primaria), d. h. die Wichtigkeit der Bedürfnisse, die das Ding erfüllt, unterschieden von der spezifischen Nützlichkeit, die von dem Grad abhängt, in dem das Bedürfnis erfüllt worden ist.

  • In Dialogues sur le commerce des blés analysierte Galiani die Hungersnot in Neapel (1763-1766) und kam zu dem Schluss, dass die Sicherstellung der Grundversorgung nicht nur unter ökonomischen Gesichtspunkten zu betrachten sei, sondern dass der Staat bei den „öffentlichen Gütern“ verpflichtet sei, die Produktion zu garantieren. In seinem gesamten ökonomischen Werk wies er darauf hin, dass das Wohlergehen eines Landes von der demokratischen, marktwirtschaftlichen Sicherung des Geldwertes, von gut funktionierenden staatlichen Institutionen und einem wachen sozialen Gewissen abhänge.
  • Die Briefe des Abbé Galiani (Mit Einleitung und Anmerkungen von Wilhelm Weigand, München und Leipzig ²1914; eine Auswahl findet sich in Galiani, Helle Briefe, Die Andere Bibliothek hg. v. H. M. Enzensberger) Nach seiner Rückkehr aus Paris korrespondierte Galiani mit seinen Pariser Freunden aus dem Kreis der Ezyklopädisten und der Salons (u. a. Madame Necker, Madame d'Epinay). Diese Briefe gehören mit zu den interessantesten und geistreichsten Spiegelungen des europäischen Geisteslebens am Vorabend der französischen Revolution.

Literatur

  • Ferdinando Galiani: Nachrichten vom Vesuv. Galiani-Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-86971-000-6
  • Werner Tabarelli: Ferdinando Galiani – Über das Geld. Verlag Wirtschaft und Finanzen, Düsseldorf 1999, ISBN 3-87881-132-2
  • Thomas Markwart: Die Erfindung der Gestalt. Abbé Galiani und das utopische Rokoko, in:Die theatralische Moderne. Peter Altenberg, Karl Kraus, Franz Blei und Robert Musil in Wien, Hamburg 2004, S. 143-154.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=738&kapitel=1#gb_found Der Abbé Galiani
  2. "La ricchezza è una ragione tra due persone." Galiani, Della Moneta, S. 221. In Vol. III von Custodia Sammlung der Scrittori classici Italiani di Economia Politica. Parte Moderna. Milano 1803. Zit. nach Karl Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie. Franz Duncker, 1859; MEW Bd. 13, S. 21. Für Marx ist "ricchezza" am besten mit "Tauschwert" wiedergegeben.
  3. Galiani, S. 74, zit. nach MEW 13, S. 43, Anm.
  4. Galiani, S. 112f., zit. nach MEW 13, S. 71.
  5. Galiani, S. 99, zit. nach MEW 13, S. 85.
  6. Galiani, S. 126f., zit. nach MEW 13, S. 129, Anm.
  7. V. K. Dmitriev: Economic Essays on Value, Competition and Utility. Translated by D. Fry and edited with an Introduction by D. M. Nuti. Cambridge University Press 1974. ISBN 0-521-20253-1. S. 186f.

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