Franz Ernst Neumann

Franz Ernst Neumann
Franz Ernst Neumann, porträtiert von Carl Steffeck, 1886

Franz Ernst Neumann, (* 11. September 1798 in der Nähe von Joachimsthal in der Uckermark; † 23. Mai 1895 in Königsberg) war ein deutscher Physiker und gilt als einer der Begründer der theoretischen Physik.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kindheit und Jugend

Geboren als unehelicher Sohn der geschiedenen Gräfin Charlotte Friderike Wilhelmine von Mellin und ihres Gutsverwalters Franz Ernst Neumann, wurde Neumann vorwiegend vom Vater und den Großeltern väterlicherseits erzogen. Erst in seiner Jugend erfuhr er von seiner Mutter und damit seiner adligen Abstammung. Er wuchs trotz des Vermögens seiner Mutter in einfachen Verhältnissen auf.

Er entwickelte schon früh einen starken Charakter, Kampfgeist und Patriotismus, so dass er als Kriegsfreiwilliger im Alter von nur 15 Jahren im Kolberg-Regiment während der Freiheitskriege gegen Napoleon mitkämpfte. In der Schlacht von Ligny im Jahre 1815 wurde er von einer Kugel getroffen, die ihm Teile des Gesichts zerfetzte. Er verlor dadurch fast das Leben und musste das Sprechen wieder erlernen.

Neumann machte im Werder-Gymnasium in Berlin 1817 sein Abitur. Er erwarb sich schon damals, größtenteils außerhalb des schulischen Unterrichtes, eine große mathematische Kenntnis.

Studium

Obwohl er schon früh den Wunsch geäußert hatte, Mathematik zu studieren, begann er gemäß dem Wunsch seines Vaters zuerst ein Studium der Theologie in Berlin, studierte anschließend in Jena und kam im Jahre 1819 zurück nach Berlin. Finanziert wurde sein Studium durch ein Stipendium des Unterrichtsministeriums und des Geologen Leopold von Buch.

Neumann studierte und schrieb seine Dissertation bei dem Mineralogen Christian Samuel Weiss. Er hielt eine Reihe von Vorlesungen über Mineralogie in Berlin und übernahm die Betreuung des Berliner Mineralien-Kabinetts.

Er interessierte sich während des Studiums und der ersten akademischen Arbeiten in Berlin stark für die Arbeiten der französischen Mathematiker wie Adrien-Marie Legendre und Jean Baptiste Joseph Fourier.

Akademische Karriere

Durch seine Arbeit in Berlin bekannt, erhielt er 1826 einen Ruf an die Universität Königsberg. Dort freundete er sich mit dem Astronomen Friedrich Wilhelm Bessel und dem Naturwissenschaftler Karl Gottfried Hagen an. Nach Hagens Tod im Jahr 1829 wurde Neumann zum ordentlichen Professor für Mineralogie und Physik ernannt. Mitte der 1840er Jahre wurde er zum Rektor der Universität gewählt. Seine Lehrtätigkeit gab er 1877 auf; war aber als Emeritus an der Universität Königsberg tätig.

Privat

1830 heiratete Neumann Hagens Tochter Florentine, die nur acht Jahre später starb und ihm fünf Kinder hinterließ.

Sein Sohn Carl Gottfried Neumann (1832–1925) studierte an der Albertus-Universität Königsberg und wurde 1858 Privatdozent und 1863 a. o. Professor für Mathematik an der Universität Halle. Er war außerdem Lehrstuhlinhaber für Mathematik in Basel (1863), Tübingen (1865) und Leipzig (1868).

Sein Sohn Franz Ernst Christian Neumann (1834–1918) war ein Pathologe und Hämathologe.

Sein Sohn Friedrich Julius Neumann (1835–1910) war ein Nationalökonom.

Die Tochter Luise Neumann (Malerin) (1837-1934) schrieb seine Lebensgeschichte „Franz Ernst Neumann, Erinnerungsblätter“. Seinen Nachlass übergab sie dem Stadtgeschichtlichen Museum Königsberg, das ein Neumann-Zimmer einrichtete.[1]

Wissenschaftliches Werk

Franz Ernst Neumanns Forschungen erstreckten sich auf Probleme in der Kristallographie, der spezifischen Wärme, der Wellentheorie des Lichts, Induktionsströme und mathematischen Methoden in der Physik.

Kristallographie und Mineralogie

Neumannsche Linien auf einem Meteoriten

Seine bedeutendsten Untersuchungen über Eigenschaften von Kristallen und Mineralien, die er zwischen 1830 und 1834 schrieb, betrafen die spezifische Wärme. Er entwickelte eine genauere Fassung der Methode der Mischungen und erweiterte das Dulong-Petit-Gesetz von einfachen auf zusammengesetzte Substanzen. Die Entdeckung, dass die spezifische Wärme von Wasser sich mit der Temperatur erhöht, stammt ebenfalls aus dieser Zeit. Ihm wird oft die Entdeckung der Neumannsche Linien in Meteoriten zugeschrieben, diese wurden aber von Johann G. Neumann entdeckt[2]

Wellentheorie des Lichts

In den 1830ern untersuchte er weiterhin verschiedene Aspekte der Wellentheorie des Lichts. Die Frage, ob Licht Wellennatur habe (wie Christian Huygens als erster erklärte) oder sich aus Korpuskeln (wie Sir Isaac Newton glaubte) zusammensetze, schien damals zugunsten der Wellentheorie entschieden, wobei man jedoch einen feinstofflichen Äther annahm, in dem sich die Wellen fortbewegen. 1832 entwickelte Neumann eine Theorie der Doppelbrechung, für die er den Äther als elastisches Medium auffasste, das entsprechend Claude Naviers Elastizitätsgleichungen behandelt werden könnte. Neumanns Theorie setzte zu den schon angenommenen transversalen Wellen noch longitudinalen Wellen voraus.

Elektromagnetismus

Mitte der 1840er forschte Neumann auf dem Gebiet des Elektromagnetismus. 1845 veröffentlichte er eine allgemeine Theorie der Induktionsströme für geschlossene Stromkreise. Zwei Jahre später verallgemeinerte er seine Theorie auf veränderte Intensitäten des Stroms. Neumanns Arbeiten bildeten eine Grundlage für deutsche Forschungen auf diesem Gebiet, bis sie allmählich von Maxwells Theorien abgelöst wurden.

Lehre

Neumanns pädagogische Leistungen sind unumstritten. Sein Beitrag zur Gründung der theoretischen Physik beruhte vorwiegend auf dieser Pädagogik, mit der er die quantitativen Traditionen der Mathematik und der damaligen Physik zusammenführte, und die viele seiner Schüler nachhaltig geprägt hat. In seinen Vorlesungen beharrte er stets auf exakter Vorgehensweise, ja prägte gar ein ethisches System aus exakter Denkweise und naturwissenschaftlichem Weltbild, dass bis heute das Bild der Physiker von sich bestimmt.

Schriften

Neumanns Veröffentlichungen wurde hauptsächlich von seinen Schülern herausgegeben.

  • Karl Gottfried Neumann (Hrsg.): Vorlesungen über die Theorie des Magnetismus. Leipzig 1881.
  • Pape (Hrsg.): Einleitung in die theoretische Physik. Leipzig 1883.
  • von der Mühll (Hrsg.): Vorlesungen über elektrische Ströme. Leipzig 1884.
  • Dorn (Hrsg.): Vorlesungen über theoretische Optik. Leipzig 1885.
  • O. E. Meyer (Hrsg.): Vorlesungen über die Theorie der Elasticität. Leipzig 1885.
  • Karl Gustav Neumann (Hrsg.): Vorlesungen über die Theorie des Potentials. Leipzig 1887.
  • Wangerin (Hrsg.): Vorlesungen über die Kapillarität. Leipzig 1894.

Einzelnachweise

  1. Robert Albinus: Königsberg Lexikon. Würzburg 2002, ISBN 3-88189-441-1.
  2. Johan G. Neumann, Über die krystallinische Struktur des Meteoreisens von Braunau. Naturwissenschaftliche Abhandlungen Wien 3 (1849) 45-56.

Weblinks

  • Literatur von und über Franz Ernst Neumann im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • Der Nachlass von Franz Ernst Neumanns befindet sich in der Handschriftenabteilung der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen Cod. Ms.F.E.Neumann. Acc. Mss. 1995.9: 126–127. 306:8. 310. 313-315 [1]
  • Familienarchiv der Franz-Neumann-Stiftung in der Stiftung Königsberg [2]

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