Franz Kuhn

Franz Kuhn

Franz Kuhn (* 10. März 1884 in Frankenberg/Sachsen; † 22. Januar 1961 in Freiburg im Breisgau) war ein deutscher Jurist, Sinologe und literarischer Übersetzer.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Franz Kuhn war der Sohn des Bürgermeisters von Frankenberg. Von 1894 bis 1897 besuchte er ein Gymnasium in Dresden-Neustadt und anschließend bis zum Abitur eine Oberschule in Meißen. Ab 1903 studierte er Jura an der Universität Leipzig, von 1904 bis 1907 an der Universität Berlin und von 1907 bis 1908 wieder in Leipzig, wo er 1908 sein erstes Staatsexamen ablegte und 1909 promovierte. Ab Februar 1909 war er Referendar am Amtsgericht in Dresden.

Da Kuhn bereits während der Semester in Berlin am dortigen Seminar für Orientalische Sprachen einen Chinesischkurs absolviert hatte, wurde er im August 1909 an die deutsche Gesandtschaft in Peking als Dolmetscher-Eleve abgeordnet. Sein Chinaaufenthalt währte von 1909 bis 1912; zeitweise übte er dabei die Funktion eines Vizekonsuls in Harbin aus.

1912 schied Kuhn aus dem auswärtigen und juristischen Dienst aus und studierte von 1913 bis 1919 Sinologie an der Universität Berlin. Während des Ersten Weltkriegs war er als Übersetzer für das Auswärtige Amt tätig. In den Zwanzigerjahren begann er dann, klassische chinesische Belletristik ins Deutsche zu übersetzen. Ab 1925 arbeitete er vorwiegend für den Insel-Verlag in Leipzig; die 1930 erschienene Übersetzung des Jin Ping Mei wurde - auch international - ein großer Verkaufserfolg und brachte Kuhn den Durchbruch. Allerdings kam es in den Dreißigerjahren zu Auseinandersetzungen mit dem Leiter des Insel-Verlags, Anton Kippenberg, über den Umfang der Kuhnschen Übersetzungen (Kürzungen des Originaltextes waren vertraglich vereinbart), so dass Kuhn auch in anderen Verlagen veröffentlichte.

Während der Zeit des Nationalsozialismus führte der erotische Inhalt des Kin Ping Meh zu Konflikten mit den nationalsozialistischen Machthabern; das Buch stand um 1942 zeitweise auf einer Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums, konnte allerdings wenig später erneut und unbehelligt erscheinen. Zwischen 1943 und 1945 verlor Kuhn bei drei Luftangriffen in Berlin, Freiburg im Breisgau und Dresden den größten Teil seiner Bibliothek und seiner Manuskripte.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs übersiedelte Kuhn nach Badenweiler, wo er während der wirtschaftlich schweren Jahre bis 1951 lebte. Allmählich wurden seine alten Werke wieder aufgelegt, und nach dem Wiederaufbau seiner Bibliothek war ihm auch die Arbeit an neuen Übersetzungen möglich. 1951 zog er wieder nach Freiburg im Breisgau. Während der Fünfzigerjahre erfuhr Kuhns Arbeit auch zunehmend öffentliche Würdigung: 1955 stellten ihm die Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes und das baden-württembergische Kultusministerium die Mittel zu einer fünfmonatigen Weltreise zur Verfügung. Kuhn hielt sich vier Wochen lang in Hongkong auf und reiste über Australien, die Vereinigten Staaten und Kanada zurück. Es erschienen noch drei weitere größere Übersetzungen. Kuhns Fassung des "Jou Pu Tuan" wurde allerdings 1959 in der Schweiz wegen der angeblich "unzüchtigen" Illustrationen beim Verleger beschlagnahmt, der Drucksatz vernichtet; in Deutschland konnte das Werk posthum 1964 erscheinen. In den letzten Lebensjahren unternahm Kuhn zahlreiche Reisen in ganz Europa. Er starb während eines Kinobesuchs in Freiburg im Breisgau und wurde in Bad Reichenhall beigesetzt.

Würdigung

Franz Kuhn, der 1932 den Lessingpreis und 1952 das Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland erhielt, war einer der produktivsten Übersetzer aus dem Chinesischen ins Deutsche während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der mit seinen Arbeiten die chinesische Literatur einem breiten Publikum zugänglich gemacht hat. In Fachkreisen werden seine Übersetzungen teils hoch gelobt, teils als unphilologische Nachdichtungen scharf kritisiert.

Werke

  • Der Gegenstand des Melodieschutzes nach § 13 Abs. II Gesetzes betr. das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst vom 19. Juni 1901, Leipzig 1909
  • Das Dschong lun des Tsui Schi, Berlin 1914

Übersetzungen

  • Chinesische Staatsweisheit, Darmstadt 1923
  • Chinesische Meisternovellen, Leipzig 1926
  • Eisherz und Edeljaspis oder Die Geschichte einer glücklichen Gattenwahl, Leipzig 1926; Neuauflage mit 26 chinesischen Holzschnitten, Insel TB bei Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975 ISBN 3-458-01823-9
  • Die Rache des jungen Meh oder Das Wunder der zweiten Pflaumenblüte, Leipzig 1927
  • Das Perlenhemd, Leipzig 1928
  • Jin Ping Mei oder Die abenteuerliche Geschichte von Hsi Men und seinen sechs Frauen, Leipzig 1930
  • Fräulein Tschang, Berlin [u.a.] 1931
  • Der Traum der roten Kammer, Leipzig 1932
  • Die Räuber vom Liang-Schan-Moor, Leipzig 1934
  • Die Jadelibelle, Berlin 1936
  • Das Juwelenkästchen, Dresden 1937
  • Mao Dun: Schanghai im Zwielicht, Dresden 1938
  • Die dreizehnstöckige Pagode, Berlin 1939
  • Mondfrau und Silbervase, Berlin 1939
  • Die drei Reiche, Berlin 1940
  • Das Rosenaquarell, Zürich 1947
  • Das Tor der östlichen Blüte, August Bagel Verlag, Düsseldorf 1949
  • Und Buddha lacht, Baden-Baden 1950
  • Der Turm der fegenden Wolken, Freiburg i. Br. 1951
  • Kin Ku Ki Kwan, Zürich 1952
  • Goldamsel flötet am Westsee, Freiburg i. Br. 1953
  • Wen Kang: Die schwarze Reiterin, Zürich 1954
  • Blumenschatten hinter dem Vorhang, Freiburg i. Br. 1956
  • Altchinesische Liebesgeschichten, Wiesbaden 1958
  • Die schöne Li. Vom Totenhemd ins Brautkleid, Wiesbaden 1959
  • Li Yü: Jou pu tuan, Ein erotischer Roman aus der Ming-Zeit, mit 60 chinesischen Holzschnitten, Verlag Die Waage, Zürich, 1959
  • Li Yü: Jou pu tuan, Ein erotischer Roman aus der Ming-Zeit, mit 60 chinesischen Holzschnitten, Frankfurt am Main 1986, ISBN 3-596-22451-9
  • Goldjunker Sung und andere Novellen aus dem Kin Ku Ki Kwan, Zürich 1960

Herausgeberschaft

  • Der kleine Goldfischteich, Leipzig 1935

Literatur

  • James R. Hightower: "Franz Kuhn and his Translation of the Jou P'u t'uan", Oriens Extremus, Band 8, 1961, S. 252-257
  • Hatto Kuhn: Dr. Franz Kuhn, Wiesbaden 1980
  • Hartmut Walravens: Franz Kuhn, Hamburg 1982
  • Peng Chang: Modernisierung und Europäisierung der klassischen chinesischen Prosadichtung, Frankfurt am Main [u.a.] 1991
  • Wolfgang Bauer: Entfremdung, Verklärung, Entschlüsselung, Bochum 1993

Weblinks


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