- Freiwillige Gerichtsbarkeit
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Mit dem Ausdruck freiwillige Gerichtsbarkeit bezeichnet man in Deutschland die von Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit, aber auch von Notaren und in geringem Umfang von anderen Behörden ausgeübte Tätigkeit in bestimmten Angelegenheiten der Rechtspflege. Die Vielzahl und Vielfalt verschiedenster Tätigkeitsbereiche, die zur freiwilligen Gerichtsbarkeit zählen, führt dazu, dass eine präzise Begriffsbestimmung nicht möglich ist. Maßgebend ist daher letztlich die ausdrückliche gesetzliche Zuweisung zur freiwilligen Gerichtsbarkeit, die bei den Gerichten verfahrensrechtlich von der streitigen Zivilgerichtsbarkeit abgegrenzt ist.
Praktisch wesentlicher Unterschied ist, dass sich das Verfahren und der Rechtsschutz nicht nach der Zivilprozessordnung (ZPO), sondern einer besonderen, den Gerichten größere Verfahrens- und Entscheidungskompetenz einräumenden Prozessordnung richtet. Zum 1. September 2009 hat das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) abgelöst. Das FamFG schafft eine klare Trennung zwischen den parteibestimmten ZPO-Verfahren und den Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Allerdings sind nach § 113 FamFG auch für bestimmte Familiensachen nach wie vor Bestimmungen und Verfahrensprinzipien der ZPO anwendbar.
Inhaltsverzeichnis
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
Einschlägige Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind insbesondere:
- Vormundschaftssachen
- Betreuungssachen (Betreuungsverfahren)
- Unterbringungssachen (Unterbringungsverfahren)
- Nachlasssachen
- Registersachen (Handelsregister; Genossenschaftsregister; Vereinsregister; Güterrechtsregister)
- Grundbuchsachen (Grundbuchordnung)
- Die Beurkundungstätigkeit der Notare (Beurkundungsgesetz)
Diese Bereiche lassen sich auch als Tätigkeiten im Rahmen der "Rechtsfürsorge" oder der "vorsorgenden Rechtspflege" bezeichnen.
Daneben sind der freiwilligen Gerichtsbarkeit aber auch zugewiesen:
- Echte Streitsachen privatrechtlicher Art, bei denen sich Beteiligte mit entgegengesetzten Interessen gegenüberstehen und das Gericht über subjektive Rechte der Beteiligten entscheidet.
- Öffentlich-rechtliche Streitsachen, bei denen sich ein Beteiligter und eine öffentlich-rechtliche Körperschaft oder Behörde gegenüberstehen und es um die Geltendmachung subjektiv öffentlich-rechtlicher Rechte geht (Beispiele: Anfechtung von Verwaltungsakten nach §§ 37 ff. der Bundesrechtsanwaltsordnung oder nach § 111 der Bundesnotarordnung).
Zuständigkeiten in der freiwilligen Gerichtsbarkeit
Die ordentlichen Gerichte sind u. a. zuständig für:
- Familiensachen (Familiengericht)
- Nachlasssachen (Nachlassgericht)
- Registersachen, wie Vereins-, Güterrechts- und Handelsregister
- Teilungssachen
- Vormundschafts-, Pflegschafts- und Betreuungssachen (Betreuungsgericht)
- Grundbuchsachen (Grundbuchamt)
- Unterbringungsachen (Betreuungsgericht)
Als Sonstige Behörden sind z. B. zuständig:
- Standesamt (Geburten-, Heirats-, Familien- und Sterbebuch)
- Patentamt (Anmeldung und Löschung von Patenten)
Der Notar erledigt u. a.:
- Registeranmeldungen
- Dingliche Belastung
- Grundstückkaufverträge
- Beurkundung von Gesellschaftsverträgen
- Beurkundung von Schenkungen
- Beurkundung von Vollmachten (auch Vorsorgevollmachten)
Rechtsnatur der Tätigkeit in der freiwilligen Gerichtsbarkeit
Während die Tätigkeit der Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Streitsachen und im höheren Rechtszug als Rechtsprechung im Sinne des Art. 92 des Grundgesetzes anzusehen ist, gilt dies für die Ausgangsentscheidung nur zum Teil. Soweit die Entscheidung dem Richter vorbehalten ist, spricht man von Rechtsprechungssachen kraft Herkommens. Ansonsten liegen Rechtspflegeakte vor, die teilweise auch als verwaltungsähnliche Tätigkeit qualifiziert werden.
Verfahren
In der freiwilligen Gerichtsbarkeit gibt es keine Klage. Das Gericht wird von Amts wegen oder auf Antrag tätig. Es gibt keine Kläger und Beklagten, sondern Beteiligte, die teilweise auch als Betroffene oder als Antragsteller und Antragsgegner bezeichnet werden. Es herrscht überwiegend kein Anwaltszwang (anders teilweise bei der weiteren Beschwerde und in Familiensachen). Die Verhandlungen sind meist nicht öffentlich. In vielen Fällen wird ohne mündliche Verhandlung nach Aktenlage entschieden.
Während bei streitigen Prozessen der Verhandlungsgrundsatz (Beibringungsgrundsatz) herrscht, gibt es in der freiwilligen Gerichtsbarkeit den Grundsatz der Amtsermittlung, d.h. das Gericht bestimmt selbst, welche Ermittlungen es anstellt und welche Beweismittel es heranzieht.
Entschieden wird in der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht durch Urteil, sondern durch Beschluss. Die Ausgangsentscheidung ist vom Gesetz in vielen Fällen dem Rechtspfleger übertragen, dann entscheidet erst auf Rechtsmittel hin das Landgericht als Beschwerdeinstanz.
Literatur
- Bassenge, Roth (2009): FamFG/RPflG: Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Verlag Müller; Heidelberg, 12. Auflage, ISBN 978-3811436077
- Bork, Jacoby, Schwab und weitere (2009): FamFG: Kommentar zum Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Gieseking Buchverlag, 1. Auflage, ISBN 978-3769410518
- Bumiller, Harders (2009): Freiwillige Gerichtsbarkeit: Kommentierung des neuen FamFG. Beck Juristischer Verlag, 9. Auflage, ISBN 978-3406581885
- Keidel, Engelhardt, Sternal (2009): FamFG Familienverfahren. Freiwillige Gerichtsbarkeit: Freiwillige Gerichtsbarkeit. Beck Juristischer Verlag, 16. Auflage, ISBN 978-3406589027
- Knöringer (2009): Freiwillige Gerichtsbarkeit: Examenskurs. Verfahrensgrundsätze, Nachlaß-, Grundbuch-, Vormundschafts- und Betreuungssachen Beck Juristischer Verlag, 4. Auflage, ISBN 978-3406525377
- Kersten / Bühling, Formularbuch und Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 23. Auflage, Köln 2010, Verlag: Carl Heymanns, ISBN 978-3452272782
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