Färberwaid

Färberwaid
Färberwaid
Färberwaid (Isatis tinctoria)

Färberwaid (Isatis tinctoria)

Systematik
Rosiden
Eurosiden II
Ordnung: Kreuzblütlerartige (Brassicales)
Familie: Kreuzblütengewächse (Brassicaceae)
Gattung: Waid (Isatis)
Art: Färberwaid
Wissenschaftlicher Name
Isatis tinctoria
L.

Der Färberwaid (Isatis tinctoria L.) oder Deutsche Indigo ist eine zweijährige Pflanze aus der Familie der Kreuzblütengewächse (Brassicaceae). Er stammt aus Westasien, wurde aber bereits vor vielen Jahrhunderten in Europa als Färberpflanze kultiviert. Aus dem Färberwaid wurde in Deutschland Indigo (Indigoblau) gewonnen. Erst an der Luft oxidiert der Farbstoff und wird langsam blau.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Im ersten Jahr bildet die zweijährige Pflanze eine Blattrosette mit 20 bis 30 cm langen lanzettlichen und ganzrandigen Blättern von blau-grüner Färbung. Diese sind meist kahl, nur später gebildete sind behaart. Färber-Waid erreicht in der Regel eine Größe von 30 bis 150 Zentimetern.

Im zweiten Jahr wachsen bis zu 120 bis 150 cm hohe aufrechte Stängel, die oben verzweigt und kahl, unten mit einzelnen Haaren besetzt sind. Die untersten Blätter sterben zur Blütezeit ab.

Färber-Waid blüht zwischen Mai und Juli. Die Blütenstände bestehen aus mehreren Trugdolden mit gelben, rapsähnlichen Blüten, welche sich am Stängelende zu einem ausladenden Gesamtblütenstand verbinden. Die Einzelblüten sind tragblattlos, die vier gelben Blütenblätter haben einen Durchmesser von 4 bis 8 Millimetern, sind spatelig-zungenförmig und an der Spitze abgerundet. Es sind zudem vier gelblich-grüne, schmale, eiförmige Kelchblätter vorhanden. Der Fruchtknoten ist keulenförmig und flach. Die bläuliche Frucht ist ein Schötchen von 0,8 bis 2 Zentimetern Länge und 3 bis 7 Millimetern Breite mit je ein bis zwei ölhaltigen Samen. Sie hängt an einem 5 bis 8 Millimeter langen Stiel, der sich zum Fruchtansatz hin verdickt.

Verbreitung

Der Färberwaid stammt aus Westasien, wurde allerdings bereits im Mittelalter in Europa kultiviert und gilt daher als Archäophyt. Der Färberwaid wächst heute hauptsächlich als verwilderte Pflanze in Europa. Als Standorte werden trockene Hänge, Felsen und trockene Ruderalstellen bevorzugt.

Systematik

Neben der Nominatform wird unterschieden:

  • Isatis tinctoria subsp. koelzii (Rech.f.) Jafri: (Pflanze und Früchte kleiner, Afghanistan, Pakistan)

Verwendung

Der Waidstein in Sömmerda, mit ihm wurde im Mittelalter Färberwaid zermalmt

Die Blätter enthalten das farblose Glykosid Indican, das nach der Ernte enzymatisch in Zucker und Indoxyl gespalten und zu Indigo oxidiert wird (Fermentation). Die vollständige Umwandlung nach einem Färbevorgang nimmt etliche Stunden in Anspruch.

Die Behauptung, hiervon leite sich der Ausdruck blaumachen ab, ist nur eine von mehreren ungesicherten Vermutungen (siehe hierzu den Artikel Blauer Montag).

Zur Farbstoffgewinnung streifte man im Juni des zweiten Standjahres die Blätter der Pflanzen bis auf die Herzblätter ab. Eine weitere Ernte war dann nochmals im September möglich. Sodann wurde die in der Waidmühle zermalmten Blattmasse nach einem Tag Lagerung zu handgroßen Klößen geformt, die man trocknen ließ. Die getrockneten Klöße setzte man zu Haufen auf und hielt diese über mehrere Wochen feucht. Während der sodann einsetzenden Gärung erfolgte die vorbeschriebene Aufspaltung des Indican.[1]

Für das im Herstellungsprozess des Farbstoffs benötigte Alkali wurde Waidasche aus Buchenholz verwendet. Wegen des Holzschutzeffektes (gehemmtes Pilzwachstum) eignet sich die aus Färberwaid gewonnene blaue Farbe auch zum Streichen von beispielsweise Türen, Deckenbalken und Kircheninnenräumen.

Aus den Wurzeln der Färberwaidpflanze wird der Waidbitterlikör hergestellt. Außerdem wird die Färberwaidwurzel (Isatidis Radix) als traditionelles chinesisches Heilmittel (chines. Bezeichnung: Banlangen) zur Bekämpfung von Grippeinfektionen (aber auch Masern und Mumps) verwendet. Banlangen war vor allem während der SARS-Epidemie in China sehr gefragt gewesen, obwohl eine Wirkung gegen Viren nicht nachgewiesen werden konnte.

Geschichte

Die Pflanze wird seit dem Altertum als Färberpflanze kultiviert. Die Kelten rieben sich vor kriegerischen Auseinandersetzungen mit Färberwaid ein, weil ihnen die dadurch blau gefärbte Haut einen noch schaurigeres Aussehen verlieh.[2] In Deutschland wird der Färberwaid seit dem 9. Jahrhundert, hauptsächlich in Thüringen angebaut. Die Stadt Erfurt erlangte als Zentrum des Waidhandels Macht und Reichtum, ebenso wie die anderen Waidstädte. Zur Verarbeitung waren Waidmühlen erforderlich. Färberwaid war etwa bis ins 16. Jahrhundert sehr wichtig für die Herstellung von blauem Leinen. Er wurde dann durch die Einfuhr von echtem Indigo aus dem tropischen Schmetterlingsblütler Indigofera tinctoria zurückgedrängt. Mit der kommerziellen Herstellung synthetischen Indigos ab dem Jahr 1897 verschwand auch der natürliche Indigo vom Markt.

Die dominierende Farbe des Mittelalters war wahrscheinlich die Farbe des Färberwaids: Blaugrün.

Nach dem Mauerfall gab es vor allem in Thüringen eine starke Nachfrage nach der blauen Farbe aus Färberwaid zur originalgetreuen Restaurierung von Kirchen und anderen Gebäuden.

Durch Züchtung gibt es mittlerweile auch gelbe bis rote Farbtöne. Waid hat heutzutage als Ökofarbe eine gewisse Bedeutung.

Waidanbau in Thüringen

In Thüringen, so auch im Raum Pferdingsleben, wurde Färberwaid auf Flächen von rund 50 Acker (etwa 11,5 ha) in Brachfeldern angebaut. Dadurch wurde die durch Karl den Großen eingeführte Dreifelderwirtschaft durchbrochen. Die Aussaat erfolgte in der Vor- und Nachweihnachtszeit auf den Schnee in Breitsaat. Mit zunehmender Verbesserung der Pflegebedingungen wurde wegen Optimierung des Saatguteinsatzes in Reihensaat übergegangen. Dabei säte man auf einer Fläche von 1 Gothaer Acker (etwa 2270 m²) ½ Erfurter Metze (etwa 14,9 l) Saatgut. Mit dem Sprießen der Pflanzen begann unter Einsatz von vielen Arbeitskräften die mühsame Unkrautbekämpfung. Zur Erntezeit rutschten die Bauern und ihre zahlreichen Hilfskräfte, etwa Wanderarbeiter aus der Lausitz, auf Knien von Pflanze zu Pflanze und hieben mit dem meißelähnlichen Waideisen dicht über der Wurzel die möglichst noch geschlossene Blattrosette ab. Drei bis vier Mal im Jahr wiederholte sich der Vorgang. Dann wurden die Waidblätter gewaschen, angetrocknet und zur Waidmühle gebracht. Dort wurde das senkrecht stehende Mühlrad, oft aus Seeberger Sandstein, von Zugtieren im Kreis gedreht, wobei die Pflanzen in der Mühlpfanne zerquetscht wurden. Die entstandene breiige Masse wurde sodann auf Haufen fest zusammengeschlagen und in den wettergeschützten Tennen der Scheunen einen Tag lang liegen gelassen. Dabei begann die Zersetzung der Pflanzen in einer Gärung, die zur chemischen Umsetzung führte. Frauen und Kinder formten nun aus dem Brei etwa faustgroße Klöße, deren Größe vom jeweilig geltenden Recht abhing. Die Klöße wurden auf Horden getrocknet, die in überdachte Waiddarren geschoben wurden. Nach zwei bis drei sonnigen Trocknungstagen karrte man den Waid zum vorgeschriebenen Markt, anfangs z.B. aus Pferdingsleben nach Gotha, später nach (Bad) Langensalza und Erfurt. Er durfte in den Dörfern nicht gelagert werden. Der Anbau und die Verarbeitung des Färberwaids zu Indigo waren allerdings nicht unproblematisch. In Zeiten großer Hungersnöte verbrauchte der Waidanbau ausgedehnte landwirtschaftlich nutzbare Flächen. Das Gewerbe verursachte mit den Gärungs- und Färbeprozessen einen bestialischen Gestank und das Abwasser wurde stark belastet. Der ästhetische Nährwert blauer Kleidung wog diese Nachteile aber offensichtlich auf.[3] In der Folge des Dreißigjährigen Krieges und durch die Konkurrenz des billig importierten Indigo verlor der Waidanbau allmählich seine Bedeutung. Anfang des 20. Jahrhunderts stellte die letzte Waidmühle in Pferdingsleben ihre Arbeit ein.

Literatur

  • F. Fischer: Das blaue Wunder Waid. Wiederentdeckung einer alten Nutz- und Kulturpflanze. 91 Seiten, vgs Verlagsgesellschaft, Köln 1997.
  • Dietmar Aichele, Heinz-Werner Schwegler: Die Blütenpflanzen Mitteleuropas, Band 3, Nachtkerzengewächse bis Rötegewächse. Seite 290, Franckh-Kosmos, Stuttgart 1995. ISBN 3-440-06193-0
  • K. U. Heyland, H. Hanus, E. R. Keller: Ölfrüchte, Faserpflanzen, Arzneipflanzen und Sonderkulturen. In: Handbuch des Pflanzenbaues, Bd. 4, S. 527-531, ISBN 3800132036
  • Fritz Lauterbach: Geschichte der in Deutschland bei der Färberei angewandten Farbstoffe mit besonderer Berücksichtigung des mittelalterlichen Waidbaues. Leipzig, 1905
  • Hansjürgen Müllerott: Quellen zum Waidanbau in Thüringen, Arnstadt, 1993
  • Hansjürgen Müllerott: Isatis herba oder die Waidpflanze, Arnstadt, 1991
  • Horst Benneckenstein: Waidstadt Erfurt, Erfurt, 1991, ISBN 3-13368-068-4

Einzelnachweise

  1. Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10, Leipzig 1907, Stichwort „Isatis“
  2. Färberwaid: Anti-Krebs-Wirkstoff aus der Natur. In: „Medizinauskunft.de“. Berliner Ärzte-Verlag GmbH, 16. August 2006, abgerufen am 19. Mai 2011 (deutsch): „Färberwaid, eine Pflanze, mit der sich die alten Briten und Kelten blau anmalten, damit sie im Krieg Furcht erregender wirkten, ist eine reiche Quelle für die krebsvorbeugende Substanz Glucobrassicin.“
  3. Harald Paland: Blau, Praxis der Naturwissenschaften - Chemie, Nr.6/60, S. 26-29, Aulis Verlag 2011

Weblinks

 Commons: Isatis tinctoria – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

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