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Das Bruttonationaleinkommen / BNE (Gross National product/GNP bzw. Gross National Income/GNI), bis 1999 auch Bruttosozialprodukt genannt (BSP), ist ein zentraler Begriff aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR). Diese stellt die Leistung einer Volkswirtschaft innerhalb einer Rechnungsperiode (meist ein Kalenderjahr) unter Berücksichtigung von Steuern, Subventionen, Abschreibungen, Abgaben, u. a. dar.[1] Das Bruttonationaleinkommen wird hierbei als Einkommensindikator einer Volkswirtschaft angesehen, da es die wirtschaftliche Leistung an den Erwerbs- und Vermögenseinkommen misst.
Inhaltsverzeichnis
Begriffliche Einordnung
Das Bruttonationaleinkommen ist der Wert der Endprodukte und Dienstleistungen, die in einer bestimmten Periode durch Produktionsfaktoren, die sich im Eigentum von Inländern befinden, produziert werden.
Es schließt dabei die Käufe der Konsumenten von Nahrungsmitteln, Bekleidung, Benzin, neuer Automobile, Haarschnitte und andere Dienstleistungen ein; es umfasst zudem den Kauf von Maschinen und Anlagen durch Unternehmen; ferner schließt es Wohnbauten, die von Haushalten und Unternehmen gekauft werden, als auch Gebäude wie Einkaufszentren, Fabriken, Verwaltungsgebäude und Lagerhäuser ein; es erfasst zudem sowohl die Käufe von Gütern und Dienstleistungen seitens des Staates, als auch den Überschuss unserer Exporte über unsere Importe. Folglich kann man sich unter dem Bruttonationaleinkommen (BNE) den gesamten Betrag der laufenden Produktion vorstellen. Somit stellt es eine wichtige Kennzahl der VGR dar.
Berechnung des BNE ausgehend vom BIP
Das Bruttonationaleinkommen wird berechnet, indem man vom Bruttoinlandsprodukt zum Einen die Erwerbs-und Vermögenseinkommen abzieht, die an das Ausland geflossen sind, zum Anderen jedoch die von Inländern aus dem Ausland empfangenen Einkommen addiert:
Bruttoinlandsprodukt - an die übrige Welt gezahlte Einkommen + aus der übrigen Welt empfangene Einkommen = Bruttonationaleinkommen
Berechnung
Es ist die Summe des Wertes des von allen Bewohnern eines Staates innerhalb einer bestimmten Periode (ein Jahr) bezogenen Einkommens aus Arbeit (Arbeitnehmerentgelt) und Kapital (Unternehmens- und Vermögenseinkommen) – soweit ist es das Volkseinkommen – zuzüglich der Produktions- und Importabgaben abzgl. der Subventionen (Gütersteuern minus Gütersubventionen) – soweit ist es das Nettonationaleinkommen – zuzüglich der Abschreibungen.
Man unterscheidet zwischen Inlands- und Inländerkonzept. Das Inlandskonzept erfasst die wirtschaftliche Leistung in einem Wirtschaftsbereich unter Einbezug der Einpendler und Nichtbeachtung der Auspendler. Im Gegensatz zum Inlandskonzept des Bruttoinlandsprodukts wird beim Inländerkonzept des Bruttonationaleinkommens nicht das Gebiet betrachtet, in dem die Leistung erbracht wurde, sondern die in diesem Gebiet wohnenden Personen, an welche die Einkommen aus den wirtschaftlichen Leistungen zufließen. Das bedeutet, dass beim Inländerkonzept Personen, die nach ihrem Arbeitsort einem anderen Wirtschaftsbereich zugerechnet werden (im Ausland arbeitende Inländer) in die Leistungsberechnung miteinfließen, während im Wirtschaftsbereich arbeitende Personen, die nach ihrem Wohnort einem anderen Wirtschaftsbereich zugeordnet werden (im Inland arbeitende Ausländer), unberücksichtigt bleiben. Also:
Bruttonationaleinkommen = alle von Inländern erwirtschafteten Einkommen (egal ob im Inland oder im Ausland erzielt)
Bruttoinlandsprodukt = alle im Inland erwirtschafteten Einkommen (egal ob von Inländern oder von Ausländern erzielt)
Die Bewertung erfolgt zu Marktpreisen, das heißt, einschließlich der Gütersteuern (Produktions- und Importabgaben) und abzüglich der Gütersubventionen.
Berechnet wird das Bruttonationaleinkommen, indem man vom Bruttoinlandsprodukt die Erwerbs- und Vermögenseinkommen abzieht, die an das Ausland geflossen sind, und im Gegenzug die von Inländern aus dem Ausland empfangenen Einkommen addiert (Beispielrechnung für Deutschland 2004 in Milliarden Euro):
Bruttoinlandsprodukt 2.215,65 − an die übrige Welt gezahlte Einkommen + 0,35 (Saldo) + aus der übrigen Welt empfangene Einkommen = Bruttonationaleinkommen 2.216,00 1999 wurde die Bezeichnung „Bruttosozialprodukt“ (BSP) im Zuge der Einführung des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen und in Angleichung an den internationalen Sprachgebrauch für Zwecke der amtlichen Statistik durch den Begriff „Bruttonationaleinkommen“ ersetzt. War das Bruttosozialprodukt früher der Hauptmaßstab zum Vergleich von Volkswirtschaften, verwendet man heute zu diesem Zweck meist das Bruttoinlandsprodukt.
Produktionswert (Herstellkosten, PW) - Vorleistungen (ohne importierte VL) - Importe = Bruttowertschöpfung (unbereinigt) - unterstellte Bankgebühr = Bruttowertschöpfung (bereinigt) + Gütersteuern (Tind) - Gütersubventionen (Z) = Bruttoinlandsprodukt (BIP) + Saldo der Primäreinkommen mit der übrigen Welt = Bruttonationaleinkommen - Abschreibungen = Nettonationaleinkommen (Primäreinkommen) - Produktion- und Importabgaben an die Staatskasse + Subventionen aus der Staatskasse = Volkseinkommen Der Zusammenhang des Bruttonationaleinkommens mit den anderen Kenngrößen der VGR
Abgrenzung zum Bruttoinlandsprodukt
Das Bruttonationaleinkommen ist dem Bruttoinlandsprodukt zwar sehr ähnlich, dennoch gibt es einen entscheidenden Unterschied. Dieser entsteht, weil ein Teil des in einem Land produzierten Outputs durch Produktionsfaktoren erstellt wird, die sich im Auslandseigentum befinden. Man differenziert daher zwischen dem Inländerkonzept (auch Wohnortkonzept, angewandt z. B. beim Bruttonationaleinkommen) und dem Inlandskonzept (auch Arbeitsortkonzept, angewandt z. B. beim Bruttoinlandsprodukt):
- Inländerkonzept
Dieses Konzept berücksichtigt alle zu einer Raumeinheit gehörenden wirtschaftenden Bereiche(Inländer), unabhängig davon, wo diese tatsächlich tätig sind.
- Inlandskonzept
Bei diesem Konzept werden alle innerhalb einer definierten Raumeinheit(zB.:Nationalstaat) erbrachten Leistungen, unabhängig davon, zu welcher Nationalität die wirtschaftenden Subjekte gehören, berücksichtigt. Beispiel:
Wenn also der Bäcker "B" in Deutschland wohnt aber seine Bäckerei in der Schweiz hat und dort Brote backt, dann zählt die Wertschöpfung dieser Brote zwar zum Deutschen BNE, nicht aber zum Deutschen BIP. Anders herum verhält es sich, wenn die Metzgerin "M" in der Schweiz wohnt aber ihre Metzgerei in Deutschland hat. In diesem Fall zählt die Wertschöpfung von "M" zum Deutschen BIP aber nicht zum Deutschen BNE.
Bei der Beurteilung der Beispiele spielt die Nationalität (Staatszugehörigkeit) des "B" bzw. "M" keine Rolle. Es ist einzig und allein entscheidend, wo sie ihren ständigen Wohnsitz haben.
Abgrenzung zum Nettonationaleinkommen
Die Unterscheidung zwischen Brutto- und Nettonationaleinkommen stellt darauf ab, ob der Verschleiß an den Produktionsanlagen, die Wertminderung des Kapitalstocks durch technischen Fortschritt etc. anhand der Abschreibungen berücksichtigt werden oder nicht. Folglich erfasst das Netto-Nationaleinkommen die Einkommen der „Inländer“ um die Abschreibungen vermindert. Davon ausgehend kann nun das Volkseinkommen sowie das verfügbare Einkommen berechnet werden. Das Volkseinkommen hängt eng mit dem Bruttonationaleinkommen zusammen, im Gegensatz dazu enthält es jedoch keine Abschreibungen und indirekte Steuern.
Übersicht über den prinzipiellen Zusammenhang der Kenngrößen der VGR
Produktionswert (Summe der Produktionswerte der Unternehmen) - Vorleistungen = Bruttoinlandsprodukt (BIP) (Inlandskonzept) + Saldo der Primäreinkommen mit der übrigen Welt = Bruttonationaleinkommen (Inländerkonzept) - Abschreibungen = Nettonationaleinkommen (Primäreinkommen) - Produktion- und Importabgaben an die Staatskasse + Subventionen aus der Staatskasse = Volkseinkommen - direkte Steuern - Sozialversicherungsbeiträge + Transfereinkommen = verfügbares Einkommen der privaten Haushalte Internationaler Vergleich
Die 10 größten Volkswirtschaften 2005 (Bruttonationaleinkommen nach der Atlas-Methode) Nr. Staat BNE
(Mio. US-$)in % BNE / Kopf
(US-$)G8-Mitglied 1 USA 12.969.561 29% 43.104 ja 2 Japan 4.988.209 11% 39.149 ja 3 Deutschland 2.852.337 6% 34.654 ja 4 Volksrepublik China 2.263.825 5% 1.714 nein 5 Vereinigtes Königreich 2.263.731 5% 37.598 ja 6 Frankreich 2.177.670 5% 33.972 ja 7 Italien 1.724.894 4% 29.171 ja 8 Spanien 1.100.134 2% 24.384 nein 9 Kanada 1.051.873 2% 31.898 ja 10 Indien 793.017 2% 702 nein 15 Russland 639.080 1% 4.488 ja 17 Schweiz 408.702 1% 54.441 nein 18 Türkei 399.232 1% 9.564 nein 21 Österreich 303.641 1% 36.513 nein Europäische Union 13.543.425 30% 27.471 Europäische G8-Staaten 9.018.632 20% G8-Staaten 28.667.355 64% 32.972 Welt 44.983.338 100% 6.816 Quelle: Weltbank Bei direkten Vergleichen in US-Dollar ist zu beachten, dass manche Länder (in dieser Liste: China) ihre Währungen an den US-Dollar koppeln und somit unterbewertet sein können.
Kritik
Das BNE, welches in den 1940er Jahren von Simon Kuznets entwickelt worden war (auf deutsch damals BSP genannt), um zu überprüfen, ob die US-amerikanische Wirtschaft zu einer Teilnahme am Zweiten Weltkrieg im Stande wäre, wurde seither häufig als Wohlstandsfaktor missbraucht. Selbst Simon Kuznets bezeichnete "seinen" Indikator als "scientifically unsound" (ungefähr "wissenschaftlich unsolide".)
Versuche, treffende Indikatoren für tatsächlichen Wohlstand zu entwickeln, führten beispielsweise zum Index of Sustainable Economic Welfare und zum Genuine Progress Indicator, sowie zu sozialen Indikatoren. Während diese Indikatoren eine Vielzahl von Daten aggregieren, die nicht in das Bruttonationaleinkommen eingehen, bildete Amartya Sen die Wohlfahrtsfunktion als Alternative beispielsweise zum Median aus dem Produkt des Bruttonationaleinkommens und der relativen Gleichverteilung[2] dieses Einkommens.
Siehe auch
- Bruttoinlandsprodukt
- Liste der Länder nach Bruttoinlandsprodukt pro Kopf
- Kaufkraftparität
- Pro-Kopf-Einkommen
- Wohlfahrtsfunktion
Einzelnachweise
- ↑ Definition: Bruttonationaleinkommen - In: Wirtschaft und Schule(Abgerufen: 3. April 2008, 12.37 MEZ)
- ↑ Die Gleichverteilung ist Eins minus Ungleichverteilung (z.B. Ginikoeffizient).
Literatur
- Dr. Dieter Brümmerhoff: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. 4., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage. Oldenbourg Verlag, München Wien, 1992
- Olivier Blanchard und Gerhard Illing: Makroökonomie. 4., aktualisierte Auflage. Pearson Studium, München, 2006, ISBN 3-8273-7051-5
- Manfred Gärtner: macroeconomics. second edition. Prentice Hall, Europe, 2000
- Samuelson A. Paul und Nordhaus D. William: Grundlagen der Makro- und Mikroökonomie Band 1. 8.grundlegend überarbeitete deutsche Auflage. Köln, 1987, ISBN 3-7663-0985-4
- Kulke, Elmar: Wirtschaftsgeographie. Ferdinand Schoehningh, Paderborn, 2004
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