Generalstreik

Generalstreik

Ein Generalstreik ist eine Streikaktion der gesamten Arbeiterschaft eines Landes oder einer Region. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts favorisierte die anwachsende internationale Arbeiterbewegung den Generalstreik für die Durchsetzung ökonomischer oder politischer Ziele.

Extra-Ausgabe des Vorwärts vom 9. November 1918

Inhaltsverzeichnis

Näheres

Generalstreiks sind wegen ihrer umfassenden Unterbrechung des Alltags überaus wirksam. Unterschiedliche Bereiche des öffentlichen Lebens (Verkehr, Post, Ver- und Entsorgung) kommen zum Erliegen. Meist können Arbeitswillige aufgrund einer gewerkschaftlichen Organisation am Streikbruch gehindert werden. Wenn der Generalstreik von den Gewerkschaften organisiert wird, setzt er ein hohes organisatorisches Niveau der Gewerkschaften voraus.

Häufig bilden schwerwiegende ökonomische Ungerechtigkeiten oder soziale Unruhen die auslösenden Motive für einen Generalstreik.

Neben ökonomischen Ursachen kann ein Generalstreik auch politische Ursachen haben, wie zum Beispiel beim Kapp-Putsch in der Weimarer Republik, wo der Generalstreik schließlich mit zur Niederschlagung des Putsches führte.

Ziel zahlreicher sozialdemokratischer, sozialistischer und anderer linker Bewegungen war, durch eine organisierte Lähmung die „sanfte Revolution“ des Landes durchzuführen. Wenn Staat und Verwaltung infolgedessen ausgeschaltet sind, wären die Arbeiter in der Lage, die Gesellschaft gemäß neuer Linien zu reorganisieren. Diese Philosophie wurde von den Industriearbeitern der anarchosyndikalistischen Gewerkschaften besonders im frühen 20. Jahrhundert bevorzugt.

Beispiele

Luxemburg

In Luxemburg kam es am 31. August 1942 zu einem sogenannten Generalstreik gegen die deutsche Besatzungsmacht.[1] Der Grund hierfür war die Zwangsrekrutierung junger Luxemburger in die Wehrmacht.

Am 30. August 1942 verkündete der Chef der Zivilverwaltung in Luxemburg, Gustav Simon, den obligatorischen Militärdienst für fünf Luxemburger Jahrgänge. Daraufhin bricht eine Protestwelle aus, die verschiedene Formen annimmt (Verweigerung des Hitlergrußes, Austritt aus der Volksdeutschen Bewegung). In den darauffolgenden Tagen bricht in einigen Teilen Luxemburgs ein Streik aus. Bis heute ist die Frage umstritten, ob sich um einen von den Widerstandsbewegungen organisierten Streik handelte oder um spontane Aktionen der Bevölkerung.

Bei der brutalen Niederschlagung wurde ein Exempel statuiert. 21 teilweise willkürlich ausgewählte Streikende wurden verhaftet, kamen vor das Standgericht und wurden am darauffolgenden Tag in Hinzert erschossen.

Schweizer Landesstreik

Der Landesstreik war ein Generalstreik, der vom 11. bis zum 14. November 1918 in der Schweiz stattfand. Es beteiligten sich etwa 400'000 Arbeiter und Gewerkschafter. Der Landesstreik wurde von den Gerichten als nicht mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit vereinbar eingestuft und als Landfriedensbruch bewertet, was mit Gefängnis-Strafen für die Streikführer endete.

Karte zum Generalstreik der Bergarbeiter des Ruhrgebiets 1905 (Die Woche, 3/1905)

Ruhrgebiet und Weimarer Republik

Die deutschen Gewerkschaften nannten den Streik der Bergarbeiter des Ruhrgebiets im Januar 1905 wegen seiner Größe und seiner erheblichen Auswirkungen auf die Güterproduktion im ganzen Land einen „Generalstreik“.[2] Im März des Jahres 1920 riefen in der jungen Weimarer Republik die SPD und Gewerkschaften als Reaktion auf den Kapp-Putsch zu einem Generalstreik auf. Die Arbeitsniederlegungen begannen am 15. März 1920 und waren die größten in der deutschen Geschichte. Über 12 Millionen Menschen beteiligten sich daran.[3] Wegen des Generalstreikes scheiterte der Putsch dann auch. Auch im Rahmen des Mitteldeutschen Aufstands wurde von linken Kräften zum Generalstreik (KPD und USPD) aufgerufen, der zumindest in der Lausitz, in Teilen des Ruhrgebiets und Thüringen sowie in Hamburg befolgt wurde.

Deutschland Bizone – Der Generalstreik von 1948

Im Zuge der Wirtschafts- und Währungsreform vom 20. Juni 1948 stieg die Nachfrage in der Bizone so stark an, dass auch eine erhebliche Ausweitung des Angebots mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten konnte. Die damit ausgelösten massiven Preiserhöhungen führten zu einer stark gesunkenen Lohnquote und sorgten in der Bevölkerung für große Unruhe. So kam es nach verschiedenen Gewerkschaftsaufrufen im Jahr 1948 fortlaufend zu mehreren großen Demonstrationen in vielen Städten der Bizone Deutschlands. Erste Planungen für einen Generalstreik begannen am 26. Oktober 1948. Bundesvorstand und Bundesbeirat des DGB verständigten sich an diesem Tag aufgrund der Preisentwicklung, die von DGB und den Gewerkschaften »als Folge der Politik des Wirtschaftsrates in Frankfurt« angesehen wurde, auf ein koordiniertes Vorgehen, »dass dem Missverhältnis zwischen Löhnen und Preisen ein Ende gemacht werden muss«. Deshalb wurden »energische Maßnahmen« anvisiert und ein Generalstreik kam zur Vorbereitung. Am 28. Oktober 1948 wurden zwischenzeitlich Streiks und Proteste für Preisregulierung, Lohnerhöhung und Mitbestimmung in Stuttgart durchgeführt. Im Anschluss daran kam es zu schweren Unruhen. Da die Polizei nicht Herr der Lage wurde, setzte die hinzugezogene US-Militärpolizei Tränengas und Panzer ein.[4] Diese Ereignisse gingen als die sogenannten „Stuttgarter Vorfälle“ in die Geschichte ein. Der eigentliche Generalstreik fand am 12. November 1948 daher nur unter großen Auflagen der Besatzungsmächte statt. Man wollte eine Wiederholung der „Stuttgarter Vorfälle“ vermeiden. Der Protest formierte sich gegen die Politik Ludwig Erhards.[5] Bis zu 9,25 Mio. Teilnehmende, die in den Ausstand getreten sind, sind belegt. Die Bizone hatte damals 11,7 Mio. Beschäftigte. Die Streikbeteiligung lag damit bei ca. 79%. Konrad Adenauer, Vorsitzender der CDU, forderte kurze Zeit nach dem Streik Ludwig Erhard in einem Telegramm auf, mit allen »zur Verfügung stehenden Mitteln gegen unbegründete Preissteigerungen« vorzugehen und die »Angleichung zurückgebliebener Löhne und Bezüge an das Preisniveau zu beschleunigen«.[6]

Frankreich 1968

Der größte Generalstreik der neueren europäischen Geschichte – der erste wilde Generalstreik überhaupt – waren die Mai-Unruhen 1968 in Frankreich.

Generalstreik in Frankreich 2006

Am 28. März 2006 fand in Frankreich ein Generalstreik gegen die Arbeitsmarktreform von Ministerpräsident Dominique de Villepin statt, bei der der Kündigungsschutz von Jugendlichen bis 26 Jahren gelockert bzw. aufgehoben werden sollte. Der Kündigungsschutz sollte für die ersten beiden Jahre der Anstellung aufgehoben werden. Nach Angaben der Regierung sollte dies zur Verringerung der Jugendarbeitslosigkeit führen. Die Streikenden befürchteten entgegengesetzte Ergebnisse, weil Kündigungen ohne Frist und ohne Angabe von Gründen möglich seien. An dem Streik nahmen Angehörige vieler sozialer Schichten teil, einschließlich vieler Studenten, da zum Beispiel auch Hochschulabsolventen von der Lockerung des Kündigungsschutzes betroffen gewesen wären.

Generalstreiks in den französischen Überseedepartments 2009

2009 kam es in den französischen Überseedepartments Guadeloupe, Martinique und La Réunion zu wochenlangen Generalstreiks, die von schweren Unruhen begleitet wurden.[7]

Zulässigkeit

In Deutschland sind Generalstreiks, anders als etwa in europäischen Staaten wie Frankreich oder Italien, juristisch nicht vom Streikrecht gedeckt und somit rechtswidrig. Der Politische Generalstreik ist allerdings nicht ausdrücklich im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verboten, sondern wurde durch Gerichtsentscheidungen ausgeschlossen. Diese Entscheidungen basieren letztlich auf einem Gutachten (1952) und dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahre 1955, an denen beide Male Hans Carl Nipperdey zentral beteiligt war. Die einzige Ausnahme folgt aus Artikel 20 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ Dieser Passus, der einen Generalstreik zur Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zulässt, wurde auch in Erinnerung an die erfolgreiche Niederschlagung des Kapp-Putsches 1920 durch eine solche Maßnahme in das Grundgesetz eingefügt.

Siehe auch

Literatur

  • Helge Döhring (Hrsg.): Abwehrstreik…Proteststreik…Massenstreik? Generalstreik! Streiktheorien und -diskussionen innerhalb der deutschen Sozialdemokratie vor 1914. Grundlagen zum Generalstreik mit Ausblick, Edition AV, Lich 2009, ISBN 978-3-86841-019-8
  • Michael Halfbrodt: Generalstreik, Achtstundentag und Erster Mai. Ein Kapitel aus der radikalen Arbeiterbewegung. Ed. Blackbox, Bielefeld 1997.
  • Majerus, Benoît. 2007. “Generalstreik.” In Lieux de mémoire au Luxembourg. Usages du passé et construction nationale, eds. Sonja Kmec et al. Luxembourg: Edition Saint-Paul, p. 153-158.
  • Jörg Roesler: Die Wiederaufbaulüge der Bundesrepublik, Kapitel: Der Generalstreik vom 12. November 1948, Karl Dietz Verlag 2008, ISBN 978-3-320-02137-5
  • Georges Sorel: Über die Gewalt. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1981.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Zwangsrekrutierung und Generalstreik in Luxemburg
  2. Die Woche, Heft 3/1905 vom 21. Januar 1905, S. 97: „Aus Streitigkeiten […] ist im westfälischen Steinkohlenrevier ein Riesenaufstand erwachsen. Am Montag wurde schließlich der Generalstreik der Bergarbeiter proklamiert, obwohl deren Führer selbst vor diesem Schritt gewarnt hatten. Ein Ende ist, da die Unternehmer sich den Arbeiterforderungen gegenüber ablehnend verhalten, nicht abzusehen.“
  3. Deutsches Historisches Museum: Generalstreik 1920, abgefragt am 15. März 2009
  4. der Freitag - Ein Generalstreik, der keiner sein durfte
  5. Deutsche Bundesbank - Währungsreform 1948 - Die Folgen der Reform
  6. Stiftung Rosa Luxemburg - Die Wiederaufbaulüge
  7. Bernard Schmid, Aufruhr in den französischen „Überseegebieten“, Artikel vom 12. März 2009 http://www.labournet.de/internationales/fr/antillenstreik5.html (abgerufen am 15. September 2009)

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