Geographike Hyphegesis

Geographike Hyphegesis
Ausschnitt aus der Karte von Südostasien (Manuskript aus dem 15. Jahrhundert)

Die Geographike Hyphegesis (Γεωγραφικὴ Ὑφήγησις) ist ein um das Jahr 150 erstellter Atlas von Klaudios Ptolemaios . Er beruht in Teilen auf älteren Quellen, so etwa auf den Arbeiten von Marinos von Tyros und Hanno dem Seefahrer.

Inhaltsverzeichnis

Umfang

Bei der Geographike handelt es sich um eine umfassende Darstellung der bekannten Welt des 2. Jahrhundert n. Chr. mit etwa 8000 Ortsangaben durch ein Koordinatensystem. Sie ist damit der historisch erste bekannte Versuch, Teile der als Kugel erkannten Erde in einer Kartenprojektion zutreffend darzustellen.

Problematik

Die moderne Interpretation der antiken Koordinatenangaben führte bislang zu einem unerklärlichen Widerspruch hinsichtlich ihrer Lagetreue in Bezug auf die beiden von Ptolemäus vorgeschlagenen Kartenprojektionen, darunter die quadratische Plattkarte: Ptolemaios hat dabei das damals gängige Grundmaß des Stadions verwandt, welches ziemlich genau ein Fünftel eines Kilometers ausmacht, allerdings könnte er auch die meisten Orte aus älteren und zeitgenössischen Karten übertragen haben, welche abweichende Maßeinheiten verwendeten.

Für die Unsicherheiten weiter verantwortlich ist Ptolemäus' Arbeitsmethode, den Ortsangaben Berichte Dritter (nämlich: von Fernhändlern) über ihre Reisewege zugrunde zu legen. Außerdem ist das Werk nur als Kopie aus dem Spätmittelalter erhalten. Wegen der beschriebenen Art der Datensammlung aus mehreren Berichten unterschiedlicher Qualität, allgemein des Problems der Umrechnung von Distanzangaben in Grade, späterer Veränderungen vor allem von Siedlungen durch entstandene Wüstungen und Umbenennungen sowie wegen der mutmaßlichen Fehler bei der Vervielfältigung in den mittelalterlichen Skriptorien sind viele Ortsangaben außerhalb des antiken Römerreichs nur schwer eindeutig zuzuordnen, - wenngleich sich bei einigen (etwa Marionis und Marionis altera) Erwägungen zu ihrer örtlichen Lage und Verkehrswegfunktion geradezu aufdrängen.

Interpretation durch Alfred Stückelberger und andere

Inwieweit sich die Angaben auf der Grundlage des Codex Seragliensis GI 57 (einer Abschrift der Geographike Hyphegesis, hergestellt am Ende des 13. Jahrhunderts) präzisieren lassen, wie dies von Alfred Stückelberger (Universität Bern) in seinem 2006 veröffentlichten Werk versucht wird, ist vorläufig nicht ersichtlich. Der Codex Seragliensis GI 57 ist eine bedeutende, vor 2006 nie vollständig ausgewertete Karten-Handschrift, die heute im Topkapı-Museum in Istanbul verwahrt wird.

Interpretation durch Dieter Lelgemann und andere

Wissenschaftlern der TU Berlin gelang es nun, mit Hilfe einiger Referenzpunkte (CCAA, Weichselmündung, Bonn) die Karte auf ein modernes Koordinatensystem zu übertragen.

In der Geographike sind erstmals viele Orte so mit Koordinaten versehen, dass sich daraus Karten bzw. ein Atlas zeichnen ließe, wenn die Angaben nicht mit einer Vielzahl von Fehlern behaftet wären. Soweit die Orte in Ptolemäus' Werk dem historischen Römerreich zurechnen, lassen sich die Ortsbezeichnungen teilweise lokal zuordnen (so ist etwa Argentoratum der Ort, der sich an der Stelle der heutigen Stadt Straßburg befand). Außerhalb des antiken Römerreichs liegende Orte lassen sich dagegen nur ausnahmsweise örtlich zuordnen.

Ein Fortschritt bei der Bestimmung solcher Ortslagen wurde 2010 durch die Ergebnisse eines Projekts des Instituts für Geodäsie und Geoinformationstechnik der Technischen Universität Berlin unter Leitung von Dieter Lelgemann erzielt, das sich mit den Koordinaten-Angaben des Ptolemäus zur Magna Germania, Gallia Belgica, Raetia, Noricum und zur Insel Thule befasste.

Den Projektergebnissen zufolge können die von Ptolemäus für diesen Teil der Welt benannten Orte in vier Gruppen zusammengefasst werden. Die ersten drei Gruppen betreffen dabei Orte, deren Koordinaten gemeinsame geodätische Mess- oder Verzerrungsfehler zugrunde liegen, die sich herausrechnen lassen. Bei der vierten Gruppe liegen nicht systematisierbare Fehler vor, sie blieben deshalb unberücksichtigt.

Gruppe 1: Orte mit entzerrbaren Koordinaten, deren Lage sicher ist, - Beispiele für diese historischen Orte und die zugeordneten heutigen Orte: Calisia bei Kalisz, Celamantia bei Komárno, Asciburgium bei Moers

Gruppe 2: Orte mit entzerrbaren Koordinaten, deren Lage wahrscheinlich ist, - Beispiele für diese historischen Orte und die zugeordneten heutigen Orte: Amisia bei Fritzlar (Ortsteil Geismar), Luppia bei Bernburg, Eburodunum bei Brünn

Gruppe 3: Orte mit entzerrbaren Koordinaten, deren Lage unsicher ist, - Beispiele für diese historischen Orte und die zugeordneten heutigen Orte: Phabiranum bei Bremerhaven (Heidenschanze bei Sievern), Leuphana bei Hitzacker, Treva bei Bad Oldesloe, Marionis bei Schönberg (Mecklenburg), Marionis altera bei Güstrow (Ortsteil Lalendorf), Coenoenum bei Waren

Dabei kann wegen der Völkerwanderung der jeweils angegebene heutige Ort nicht einfach als die siedlungsgeschichtliche Fortsetzung des zugeordneten historischen Orts angesehen werden.

Vergleichbare Entzerrungsversuche zu Orten außerhalb der Magna Germania und der Insel Thule (bei Trondheim in Norwegen gelegen), etwa zur Lage von Teleda (vermutlich Telawi) oder zu Hypodromus Aethiopiae sind bisher nicht bekanntgeworden.

Das zeitgenössische wissenschaftliche Anliegen des Ptolemäus besteht darin, Orte in der Germania magna, die nach seiner Erkenntnis eine gleiche Entfernung zwischen Pol und Äquator teilen, zu „Klimaten“ zusammenzufassen. Der Begriff „klima" wird also nicht zur Beschreibung von Klimazonen im modernen Sinne verwendet, sondern es handelt sich dabei um „einen Landstrich, dessen Teile den gleichen Neigungswinkel der einfallenden Sonnenstrahlen gegen den Horizont aufwiesen und somit alle unter der gleichen ,Breite' lagen" [1]. Diese Einteilung der germanischen Orte in „klimata" könnte auf Vermessungen der römischen Armee zurückzuführen sein, die für die Feldzüge in Germanien zwischen 14 v.Chr. und 16 n.Chr. erstellt wurden und von den römischen Garnisonen am Rhein ausgingen. Anscheinend hatte Ptolemaios Zugriff darauf[2].

Literatur

  • Germanien in der Weltkarte des Klaudios Ptolemaios. In: Abenteuer Archäologie. Nr. 1, Spektrum der Wissenschaft, Heidelberg 2004, S. 9.
  • Alfred Stückelberger, Gerd Graßhoff (Hrsg.): Ptolemaios, Handbuch der Geographie (Griechisch-Deutsch). Schwabe Verlag, Basel 2006, ISBN 3-7965-2148-7 (Werk in 2 Halbbänden. 1020 Seiten mit 24 Abbildungen und 29 Karten, mit CD-ROM).
  • Andreas Kleineberg, Christian Marx, Eberhard Knobloch und Dieter Lelgemann (Hrsg.): Germania und die Insel Thule. Die Entschlüsselung von Ptolemaios´ "Atlas der Oikumene". Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2010, ISBN 978-3-534-23757-9.

Weblinks

Anmerkungen und Einzelnachweise

  1. Honigmann, Ernst: Die sieben Klimata und die Poleis episemoi. Eine Untersuchung zur Geschichte der Geographie und Astrologie im Altertum und Mittelalter (Heidelberg 1929), S.4; hier zitiert nach Kleineberg e.a. (siehe Literatur) S.25
  2. Kleineberg e.a., S.22 und 25

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