Gewerbehaus (Bremen)

Gewerbehaus (Bremen)
Gewerbehaus mit Ansgar-Säule
links: Venusgiebel, rechts: Mercatorgiebel

Das Gewerbehaus in Bremen ist ein repräsentatives Bauwerk aus dem frühen 17. Jahrhundert und Sitz der ältesten deutschen Handwerkskammer der 1849 gegründeten Handwerkskammer Bremen. Es steht am Ansgarikirchhof und ist seit 1973 denkmalgeschützt.[1]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Auszug aus dem Merianplan von 1641: Die Kosthäuser sind links von der Ansgariikirche

Wandschneiderhaus von 1619/21

Bevor die Wandschneider ihr Domizil errichteten standen auf dem Gelände zwei Häuser, das Hochzeits- und dat Kosthuus[2], die der Eltermann Cord Zierenberg 1618 den Wandschneidern verkauft hatte. Es war das Verdienst des Wandschneidermeisters Diedrich Dieckhoff d.J. (1560–1624), der 1597 Ratsherr wurde, dass die Wandschneider sich ihren Sitz schufen.

Das Haus im Stil der Weserrenaissance wurde von 1619 bis 1621 im Auftrag der Tuchhändler und Wandschneider errichtet. Die Entwürfe stammten von dem SteinhauermeisterJohann Nacke. Das kleinere, südliche Kosthaus und das größere, nördliche Kosthaus wurden zu einem Gebäude zusammengefasst. Die östliche Hauptfassade erhielt deshalb zwei Giebeln, den südlichen Venusgiebel und den nördlichen Mercatorgiebel und zwei verschieden große Portale. Nacke leitete den Bau bis zu seinem Tod im Jahr 1620, danach übernahm Steinhauer Ernst Krassmann die Leitung der Arbeiten.

Im Wandschneiderhaus fanden neben den Amtsgeschäften und Versammlungen der Handwerkersozietät vor allem familiäre Feiern wie Hochzeiten statt, so dass sich die ältere Bezeichnung Kost- und Hochzeitshaus auch einbürgerte. Das Hochzeitsbild Hochzeit zu Cana des Malers Franz Wulfhagen, vermutlich vom oberen nördlichen Festsaal, stammt von 1660, war bis etwa 1862 im Gebäude und befindet sich seitdem im Focke-Museum.

Kramer-Amtshaus seit 1685

Inschrift in der Vorhalle

Seit 1657 geriet die Wandschneidersozietät in größer werdende finanzielle Probleme. 1675 verfügte der Rat das alle Hochzeiten nur in diesem Gebäude stattfinden durften. Auf Grund anderer sinkenden Einnahmen der Wandschneider blieb diesen 1685 nur der Verkauf der Kosthäuser für 5000 Reichstaler an die konkuriende Zunft der Kramer übrig. Es hieß es nun Kramer-Amtshaus und wurde als Veranstaltungsgebäude genutzt. Der Kauf wurde durch eine noch vorhandene Sandsteintafel (heute im Eingangsbereich)dokumentiert.

Zu den Veranstaltungen im Kramer-Amtshaus gehörten auch Auftritte der Gaukler, der Poppendantzers oder der Linen Dantzers (auf Leinen tanzen). Staatsgäste nahmen hier Quartier, so auch am 9 Dezember 1709 Zar Peter der Große. 1825 wurde von 12 Konzerten berichtet. Von 1849 bis 1861 nutzten die Methodisten) durch Prediger Ludwig Sigismund Jacoby die Räumlichkeiten um für ihre Kirche zu werben.

1780 fand ein Umbau unter Leitung des Eltermann der Seiden-Krämer Ernst Trüper (1714–1797) statt. Die beiden oberen Festsäle im nördlichen Kosthaus wurden dabei unterteilt. Die bemalte Balkendecke über dem Alten Festsaals im Ergeschoss wurde verkleidet. 1792 wurde der vorhandene Keller im nördlichen Großen Kosthaus um 5,50 Meter nach Westen erweitert. Eine Tafel, die davon zeugt, ist heute in der Gastätte Alte Gilde zu sehen.

Seit 1849 war in Bremen eine neue Verfassung gültig, wonach eine neue Gerwerbekammer eingeführt wurde und eine größere Gerwerbefreiheit galt, die 1861 durch eine Verordnung mit der Aufhebung der bisherigen Gewerbeprivilelegien realisiert wurde. Damit war das Schicksal der Kramerinnung besiegelt. Die neue Gewerbekammer suchte für sich ein Domizil und kaufte 1861 mit erheblicher Unterstützung durch den Senat für 35.000 Louisdor (heute 8 Mio. Euro) das Gebäude vom Krameramt.

Gewerbehaus seit 1861

Stahlstich des Wandschneiderhauses (damals Kramer-Haus) nach einer Zeichnung von F. W. Kohl von 1848: Beide Portale sind erkennbar

Nach der Einführung der Gewerbefreiheit kaufte die seit 1849 bestehende Bremer Gewerbekammer am 24. September 1861 das Amtshaus für 35.000 Goldtaler; der Kaufpreis kam indes vom Bremer Staat, dem das Haus fortan gehörte.[3] Für die neue Nutzung des ab 1863 so bezeichneten Gewerbehauses fanden größere Umbauten des Gebäudeinneren nach Plänen des Architekten Simon Loschen statt. Außerdem wurde das größere nördliche Portal in die Mitte versetzt, das kleinere Portal (vermutlich ein Scheinportal) vom nördlichen Kosthaus entfiel. 1874 erfolgte an der Hofseite ein Anbau für die Technische Anstalt. 1912/1913 wurde das Gebäudeinnere abermals umgebaut, was jedoch auf die Gestaltung der Fassade keinen Einfluss hatte.

Das Ansgar-Denkmal wurde 1865 nach einem Entwurf von Carl Steinhäuser als Marmorgruppe auf einem Sandsteinsockel zwischen Ansgariikirche und Gewerbehaus aufggestellt. Anlass war der 1000. Todestag von Erzbischof Ansgar. 1944 wurde das Denkmal durch den einstürzenden Turm der Ansgari-Kirche zerstört.

Wiederaufbau 1948 bis 1959

Durch ein Bombardement im Zweiten Weltkrieg wurde das Gewerbehaus am 6. Oktober 1944 nahezu vollständig zerstört. Das Eingangsportal war durch Splitterschutzmauern besonders gesichert und blieb deshalb erhalten. Lediglich die Figur über dem Portal von der römischen Göttin der Handwerker Minerva wurde später durch Georg Arfmann erneuert.

Der Wiederaufbau begann 1948 (Jahreszahl im Fries) unter Leitung von Gustav Ulrich mit der Rekonstruktion des friesgeschmückten Erdgeschosses. 1951 war das Erdgeschoss fertiggestellt und die Handwerkskammer sowie die Kreishandwerkerschaft zogen ein.

Von 1955 bis 1956 wurde das Obergeschoss hinzugefügt, das vorläufig aber ein Behelfsdach erhielt. Der barocke Südgiebel mit seinen Rokokozwickeln wurde aus erhaltenen Teilen von einem kriegszerstörten Bürgerhaus und diversen neuen ergänzenden Teilen rekonstruiert.

Es folgte ab 1957 die Renovierung zur zivilen Nutzung des Kellers, der 1935 zum Luftschutzraum umgebaut war. Am 28. April 1958 konnte im Gewölbekeller mit seinen viereckigen Pfeilern eine Gaststätte mit dem Namen Alte Gilde eingeweiht und verpachtet werden.

Die Rekonstruktion der beiden Ostgiebel aus der Weserrenaissance erfolgte in nur fünf Monaten und konnte am 20 Dezember 1959 fertiggestellt werden.

1965 konnte schließlich die Fassaden farblich und durch einige Vergoldungen gestaltet werden.

1970 bis 1972 wurden die großen Räumlichkeiten im Erdgeschoss – Vorhalle, Haupthalle und Innungssaal – nach Plänen von Karl Dillschneider neu gestaltet. Saal und Halle erhielten Teakholzverkleidungen.

1997/98/99 erfolgte aus Anlass zum 150jährigen Bestehen der Handwerkskammer Bremen Umbauten und eine Renovierung. Der bisherige große, rechte Innungssaal wurde nun als Handwerkssaal bezeichnet. Der Alte Kammersaal wurde zur Garderobe. Der große Neuer Kammersaal im Obergeschoss des rechten, nördlichen großen Kosthauses wurde in Wandschneidersaal umbenannt. Der im Ergeschoss neu entstandene kleine Saal, links vom Eingang, erhielt den Namen Innungssaal. 1999 wurde die Fassade renoviert.

Das Gebäude ist seit seinem Wiederaufbau Sitz der Handwerkskammer Bremen, die das Hause am 12. Mai 1959 von der Stadt erwarb.

Fassadengestaltung

Portal

Die beiden Giebel der Längsseite vermitteln, ebenso wie das zentrale große Rundbogenportal mit den korinthischen Säulen, den Eindruck, als handele es sich bei dem Gebäude um ein Haus. Tatsächlich sind jedoch zwei Kosthäuser zusammengefügt worden.

Oben, im linken Venusgiebel befindet sich die Sandsteinfigur von einem Steinmetz und rechts im Mercatorgibel die Figur eines Maurers.

Über dem Portal wird die Figur Justitia von Minerva und Herkules flankiert. Das Ensemble symbolisiert Gerechtigkeit, Weisheit und Kraft.

Der Südgiebel zur Hutfilterstraße wurde auf Anregung von Denkmalpfleger Rudolf Stein durch erhaltene Teile des Wrissenbergischen Giebels vom Haus Langenstraße Nr. 34 gestaltet. Der ursprünglich hierfür zu kleine Giebel aus dem Barock mitRokokoelementen von 1756 musste um eine Staffel erhöht und zudem verbreitert werden.

Umgebung

Auf dem Platz vor dem Gewerbehaus, dem Ansgarikirchhof, befindet sich die Ansgar-Säule von Kurt-Wolf von Borries. Sie erinnert an die hier im Krieg zerstörte mittelalterliche Ansgarii-Kirche und wurde 1965 zu Ehren des 1100. Todestags des Heiligen St. Ansgar aufgestellt.[4]

Literatur und Zeichnungen

Literatur
  • Dieter Riemer: Die Handwerkskammer Bremen und ihr Gewerbehaus - 150 Jahre. Hg.: Handwerkskammer Bremen, Bremen 2011.
  • Karl Dillschneider: Dreihundertfünfzig Jahre Gewerbehaus (1619–1969). In: Mitteilungen des Vereins für Niedersächsisches Volkstum, Heft 83 (neu Heft 46), Bremen 1969
  • Ernst Grohne: Das Gewerbehaus als Bau- und Kunstdenkmal. In: 75 Jahre Gewerbekammer zu Bremen, S. 65–76, Bremen 1924.
  • Rudolf Stein: Das alte Wandschneiderhaus (Gewerbehaus) zu Bremen von 1619/21 und seine Wiederherstellung 1948 bis 1959. In: Deutsche Kunst- und Denkmalpflege, S. 37–51, 1964.
Zeichnungen, Bilder
  • Friedrich Wilhelm Kohl: Das Krameramthaus in Bremen, Lithographie, Bremen 1845/46; beide Portale noch sichtbar.
  • Georg Hunckel: Lithographie vor dem Umbau 1863, veröffentlicht bei J.G. Kohl, Bremen 1870.
  • Simon Loschen (?): neogotische Eingangshalle, Bildkartei des Landesamtes für Denkmalpflege, Zeichnung um 1862.
  • Simon Loschen (?): neogotische Treppe, Zeichnung um 1862.
  • Simon Loschen (?): neogotische Conventsaal, Zeichnung um 1862. In diesem Hauptsaal befand sich ein Fries mit 26 Darstellungen von der Entwicklungsgeschichte und mit Köpfen von Philosophen, Künstlern, Schriftstellern und Wissenschaftlern.
  • Das neue Gewerbehaus in Bremen; kolorierter Holzstich. In: Illustrierte Zeitschrift (?), Bremen 1865.
  • Der Kaisersaal im Gewerbehaus zu Bremen. Holzstich um 1870; Der Saal ist in seiner Ausstattung von 1862/63 dargestellt. Der Kaisersaal lag neben dem Hauptsaal im Obergeschoss. Er enthietl die Brustbilder von 26 der ältstesten deutschen Kaiser und die Wappen der deutschen Staaten.
  • Carl Ludwig Fahrbach: Gewerbehaus. Ölgemälde von 1891, im Besitz der Handwerkskammer Bremen.

Weblinks

 Commons: Gewerbehaus Bremen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Denkmaldatenbank des LfD
  2. Neben den Hochzeiten wurden hier die Hochzeitsgäste untergebracht. Die alte Bezeichnung Kost findet sich heute noch in Kost und Logis
  3. Kai von Häfen: 150 Jahre Sitz der wohl ältesten Handwerkskammer der Welt. In: Weser-Kurier vom 24. September 2011, S. 13.
  4. k: kunst im öffentlichen raum bremen
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