Gregorius Magnus

Gregorius Magnus
Gregor I. beim Diktieren der Gregorianischen Gesänge (aus dem Antiphonar des Hartker von St. Gallen, um 1000)
Gregors (zweiter von rechts) mit Benedikt von Nursia, Laurentius von Rom und Johannes dem Täufer auf einem Bild von Andrea Mantegna (1459)


Der Heilige Gregor I., genannt der Große (* um 540 in Rom; † 12. März 604, Rom) war von 590 bis 604 Papst der römisch-katholischen Kirche. Er ist auch unter dem Namen Gregor Dialogus bekannt, gilt als einer der bedeutendsten Päpste überhaupt und ist der jüngste der vier großen lateinischen Kirchenlehrer der Spätantike.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Gregor entstammte einer uralten, hochangesehenen römischen Patrizier-Familie, den Anicii, die im 5. Jahrhundert zwei der letzten weströmischen Kaiser gestellt hatten und auch in Ostrom zur Oberschicht zählten. Gregor war ein Urenkel Papst Felix' II. (III.) († 492).[1] Gregors Vater Gordianus war hoher Beamter der Stadt Rom, und auch Gregor folgte anfangs der Familientradition und ging nach einer gründlichen rhetorischen und juristischen Ausbildung zunächst einer weltlichen Karriere als Politiker nach. Nach seiner Amtszeit (wahrscheinlich) als Praefectus urbi der Stadt Rom - dem höchsten Amt, das ein Senator in Italien bekleiden konnte - entschied er sich 575 jedoch für ein Leben als Mönch - vielleicht nicht zuletzt aufgrund fehlender Perspektiven für eine weitere Karriere in kaiserlichen Diensten. Der weströmische Senat befand sich seit dem Gotenkrieg (535–552) ohnehin in Auflösung. Die elterliche Villa auf dem Monte Celio wandelte er in ein Benediktinerkloster um. Sein Vorgänger als Papst, Pelagius II., holte ihn 579 in den Kirchendienst und sandte ihn als Apokrisiar nach Konstantinopel, wo er sechs Jahre lang blieb und aufgrund eher schlechter Griechischkenntnisse mitunter mit Verständigungsschwierigkeiten zu kämpfen hatte. Nach seiner Rückkehr wurde Gregor Berater Pelagius' II. und am 3. September 590 selbst zum Papst gewählt - der erste Mönch, der in dieses Amt gewählt wurde.

Seit den Rückeroberungskriegen unter Justinian I. stand die Stadt Rom zumindest nominell unter der Herrschaft des oströmischen Kaisers. Gregor war nicht auf einen Konflikt mit Kaiser Maurikios (582-602) aus, dessen Hauptaugenmerk auf der Verteidigung des Imperiums an Euphrat und Donau lag; er riskierte aber dessen Ungnade, als er 593 eigenmächtig einen teilweisen Abzug der Langobarden aushandelte und auf ihre Forderung nach einem jährlichen Tribut von 500 Goldpfund einging. Um den Titel „ökumenischer Patriarch“ kam es zudem zu Auseinandersetzungen mit dem Patriarchen von Konstantinopel Johannes IV. Nesteutes. Gregor war der bereits von Innozenz I. aufgestellte Anspruch der Vormacht Roms in der Gesamtkirche bewusst, ohne dass er diesen bedingungslos forciert hätte. Gegenüber den noch immer nicht unbedeutenden Gruppen von Altgläubigen trat Gregor dagegen in der Regel intolerant auf; so gab er im Jahr 599 Order, die Heiden Sardiniens durch Folter und Beugehaft zum Übertritt zum Christentum zu zwingen. Historisch bedeutend wurde seine Entscheidung, Missionare nach Britannien zu entsenden. In Folge dessen trat der angelsächsische König Æthelberht zum katholischen Glauben über. Damit wurde der Grundstein für ein neues gesamtabendländisches Kirchenbewusstsein gelegt, mit dem römischen Papsttum an der Spitze.

Als „Mönchspapst“ nannte sich Gregor „Knecht der Knechte Gottes“, was bis heute Bestandteil der päpstlichen Titulatur blieb. In seiner Grabinschrift wird er zudem als consul Dei, also als „Gottes Konsul“ bezeichnet. Die Armenfürsorge wurde ein wichtiges Element seines Pontifikats. Die Getreideversorgung der damals wohl noch immer etwa einige Zehntausend Einwohner zählenden Stadt Rom, die eigentlich dem Kaiser oblag, war mangelhaft, weshalb Gregor die riesigen Ländereien der Kirche in Süditalien und Sizilien neu organisierte und bewirtschaften ließ. Zu Anfang jeden Monats fand eine allgemeine Verteilung von Lebensmitteln statt. Ebenso mahnte Gregor die anderen Bischöfe, dass der Darbende nur dann für die Predigt empfänglich sei, wenn ihm zuvor eine „helfende Hand“ gereicht wurde. Almosen betrachtete er als Gott dargebrachtes Opfer, das letztlich Gnade im Gottesgericht erwirkt.

Gregor schrieb den Begriff „Papst“ als ausschließliche Amtsbezeichnung für den Bischof von Rom fest. Mit ihm trat das Papsttum von der Spätantike ins Mittelalter über.

Nachwirken

Gregor I. (Idealporträt von Antonello da Messina, um 1472/1473)

Durch seine zahlreichen Schriften erlangte Gregor über Jahrhunderte in der katholischen Kirche hohe Bedeutung. Daneben findet er als einer von ganz wenigen westlichen Heiligen auch in der orthodoxen Kirche viel Beachtung und Verehrung.

Obwohl weder das gregorianische Sakramentar noch der gregorianische Choral seine Schöpfungen sind, wurde ihm im Mittelalter deren Urheberschaft zugesprochen, um ihnen zusätzliche Autorität zu geben. Dem katholischen Messbuch gab Gregor in der Liturgie seine noch heute gültige Form.

Gedenktage

  • katholischer Gedenktag: 3. September (der Tag seiner Wahl zum Papst 590)
  • katholischer gebotener Gedenktag: 12. März (Tag der Bestattung 604)
  • evangelischer Gedenktag: 12. März (Tag der Bestattung 604)
  • anglikanischer Gedenktag: 3. September (der Tag seiner Wahl zum Papst 590)
  • orthodoxer Gedenktag: 12. März (Tag der Bestattung 604)

Die Heiligsprechung erfolgte 1295 durch Papst Bonifatius VIII. Seine Attribute sind die Tiara, Buch, Taube, Arme bedienend. Er ist Patron des kirchlichen Schulwesens, der Bergwerke; des Chor- und Choralgesanges; der Gelehrten, Lehrer, Schüler, Studenten, Sänger, Musiker, Maurer, Knopfmacher; gegen Gicht und Pest.

Werke

Gregors Stil ist literarisch anspruchsloser als der der anderen Kirchenväter, seine Sprache ist näher am gesprochenen Wort und vermeidet bewusst die Schmuckmittel und gebildeten Reminiszenzen einer griechisch und klassisch lateinisch gebildeten Elite, wie sie Augustinus und Hieronymus noch voraussetzen konnten. Die Einfachheit seines Stils ist nicht nur Ausdruck der gewandelten Bildungsverhältnisse seiner Zeit, sondern auch bewusste Entscheidung für einen „demütigen Stil“ (stilus humilis), der die Wahrheit des Evangeliums in den Mittelpunkt stellt und der kunstvollen Form als Ausdruck der Weltweisheit misstraut, dabei Schlichtheit des Ausdrucks durchaus mit Stärke des Gefühls und dem Gestus leidenschaftlicher Überzeugung zu verbinden weiß. Den Erfolg und die Beliebtheit seiner Werke im Mittelalter und deren Einfluss auf die Volksfrömmigkeit hat dieser Stil wesentlich mitbegünstigt: seine exegetischen Schriften gehören zu den am häufigsten exzerpierten, seine Dialogi zu den meistgelesen Werken im Mittelalter.

  • Liber regulae pastoris (I-IV). PL 77,13–128. Kritische Ausgabe von F. Rommel mit franz. Übersetzung von Ch. Morel, Paris 1992 (= Sources Chrétiennes, 381–382). Ausgabe der altenglischen Übersetzung von I. Carlson, Stockholm 1975–1978. Deutsche Übersetzung von G. Kubis, Graz 1986, ISBN 3-222-11690-3
    Behandelt die Gründe für die Entscheidung zum Amt des Seelsorgers, die für dieses Amt erforderlichen Tugenden, die Aufgaben des Seelsorgers und die Notwendigkeit der täglichen Selbstbesinnung und Selbstprüfung.
  • Moralia in Iob (I-XXXV). PL 75, 519–1162; PL 76, 9–782. Kritische Ausgabe von M. Adriaen, CCSL 143 (1979), 143A (1979), 143B (1985).
    Ein ungewöhnlich breit angelegter Hiobkommentar in 35 Büchern, begonnen während des Aufenthalts in Konstantinopel und vollendet um 595, der das Buch Hiob nach dem Prinzip des dreifachen Schriftsinns interpretiert: einerseits litteral in der wörtlichen Bedeutung des Textes, andererseits moralisch-tropologisch in der Beziehung auf die moralische Situation des einzelnen Menschen und allegorisch-typologisch in der Beziehung auf die Heilstatsachen der Geschichte Christi und seiner Kirche.
  • Homiliae in evangelia (I-II). PL 76, 1075–1314; deutsche Übersetzung von Michael Fiedrowicz, Freiburg 1997-1998 (= Fontes Christiani, 28.1-2), ISBN 3-451-23811-X, 3-451-23812-8
    Vierzig exegetische Predigten zu Evangelienperikopen, wahrscheinlich im Lauf des Kirchenjahres 590/91 vorgetragen und 592 schriftlich herausgegeben. Die zwanzig Predigten des ersten Buches diktierte Gregor und ließ sie in seiner Gegenwart durch einen kirchlichen Notar vortragen, die zwanzig Predigten des zweiten Buches hielt er selbst.
  • Homiliae in Ezechielem (I-II). PL 76, 781-1072. Kritische Ausgabe von M. Adriaen, CCSL 142 (1971). Deutsche Übersetzung von Gegorg Bürke, Einsiedeln: Johannes-Verlag, 1983
    22 exegetische Predigten aus dem Jahr 593, mit fortlaufender Erklärung von Ez 1-3 und Ez 40.
  • Homiliae in canticum canticorum. Kritische Ausgabe von P. Verbraken, CCSL 144 (1963), p.3–46.
    Zwei Predigten über eine Stelle des Hoheliedes (Ct 1,1-8), nicht zu verwechseln mit der unter den Werken Gregors überlieferten Expositio super cantica canticorum (PL 79,471-548), die heute meist Robert von Tumbalena zugeschrieben wird.
  • In librum I Regum expositiones (I-VI). PL 79,17-468. Ed. P. Verbraken, CCSL 144 (1963), p.49–614
    Kommentar zum 1. Buch der Könige.
  • Dialogi de vita et miraculis patrum Italicorum (I-IV): PL 77,127–431. Kritische Ausgabe von U. Moricca, Rom 1924 (= Fonti per la Storia d'Italia, 57). Deutsche Übersetzung von Joseph Funk, Bibliothek der Kirchenväter, 2. Ausgabe, Reihe II, 3 (1933).
    Vier Bücher über das Leben und die Wundertaten von Heiligen Italiens, um den Nachweis anzutreten, dass nicht nur der Orient, sondern auch Italien wundertätige aszetische Heilige besaß. Das zweite Buch ist ganz dem Hl. Benedikt von Nursia gewidmet. (Nach Ansicht einiger Forscher „erfand“ Gregor Benedikt als Exempel des Idealmönchs, andere, wie Johannes Fried, halten es hingegen für möglich, dass die Benediktsvita gar nicht von Gregor stammt, da dieser Benedikt sonst nie erwähne.) Das vierte Buch will mit einer Sammlung von Jenseitsvisionen und Erscheinungen Verstorbener den Glauben an das Leben nach dem Tod bekräftigen. Das Werk hat die Visionsliteratur des Mittelalters überaus nachhaltig geprägt. So gilt Gregor den Reformatoren, die nur von Himmel und Hölle als Jenseitsorte ausgingen, als 'Erfinder des Fegefeuers', da er hier nachweist, dass an bestimmten Aufenthaltsorten Verstorbene durch Feuer oder Wasser von ihren lässlichen Sünden gereinigt werden können. Auch sollen Messopfer diese Bußzeit verkürzen können. Aufgrund der recht populären griechischen Übersetzung der Dialoge wird Gregor in der orthodoxen Kirche als Gregorios ho Dialogos verehrt.

Des weiteren sind 854 Briefe erhalten, die Gregor an Bischöfe, Fürsten, Missionare u.a. Personen im gesamten Bereich des Christentums schrieb. Die Briefe behandeln Themen, wie Theologie, Moral, Politik, Diplomatie, Mönchstum, bischöfliche und päpstliche Verwaltung und geben Aufschluss über Gregors Charakter und seine Amtsführung.

Literatur

  • Arnold Angenendt: Das Frühmittelalter. Die abendländische Christenheit von 400 bis 900, Kohlhammer, Stuttgart 2001, ISBN 3-17-017225-5, S. 239–243
  • Georg Jenal: Gregor der Große und die Stadt Rom (590-604). In: Herrschaft und Kirche. Hrsg. von F. Prinz. Stuttgart 1988 (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 33), S. 109-145.
  • Marie-Luise Laudage: Caritas und Memoria mittelalterlicher Bischöfe (Münstersche Historische Forschungen 3), Köln-Weimar-Wien 1993
  • Hartmut Leppin: Die Kirchenväter und ihre Zeit. Von Athanasius bis Gregor dem Großen, Beck, München 2000, ISBN 3-406-44741-4
  • Jeffrey Richards: Consul of God. The Life and Times of Gregory the Great, London 1980 (deutsch unter dem Titel: Gregor der Große. Sein Leben, seine Zeit, Graz-Wien-Köln 1983)
  • Pierre Riché: Gregor der Große. Leben und Werk, Verlag Neue Stadt, München 1996, ISBN 3-87996-353-3
  • Meinolf Schumacher: Noch ein Höhlengleichnis. Zu einem metaphorischen Argument bei Gregor dem Großen, in: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch 31 (1990), S. 53-68.
  • Bernd Wißner u.a: Der große Gregor. Freund der Kinder, Wißner, Augsburg 2004, ISBN 3-89639-424-X

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Gregor I., der Große. Ökumenisches Heiligenlexikon. Abgerufen am 30. Mai 2008.



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