- Growth
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Als Wachstum bezeichnet man den zeitlichen Anstieg einer bestimmten Messgröße. Es kann daher als mathematische Ableitung einer Funktion aufgefasst werden, die zu jedem Zeitpunkt einen bestimmten Wert der Messgröße zuordnet.
Das Gegenteil von Wachstum ist die Abnahme, im Falle von Volumenabnahme Schrumpfung genannt, beziehungsweise der Zerfall. In diesem Zusammenhang fällt oft der von der mathematischen Modellierung abgeleitete und umgangssprachlich missverstandene Begriff Negativwachstum.
Inhaltsverzeichnis
Mathematische Beschreibung
Wachstum ist das zeitliche Verhalten einer System-Messgröße. Zunächst wird zu einem bestimmten Zeitpunkt t1 der Wert dieser Größe bestimmt. Zu einem späteren Zeitpunkt t2 wird der Wert dieser Größe wieder bestimmt.
Ist dieser zweite Wert W(t2) größer als der erste W(t1), dann spricht man von positivem Wachstum. Dieser Fall entspricht dem allgemeinen Sprachgebrauch.
Ist W(t2) kleiner als W(t1), ist also die Differenz W(t2) - W(t1) < 0, spricht man von negativem Wachstum.
Im Falle W(t2) = W(t1) spricht man von Nullwachstum.
Darstellung von Wachstumskurven
Bei zahlreichen Messpunkten werden diese zur Veranschaulichung in einem Diagramm dargestellt, meistens als geschlossener Kurvenzug. Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass das tatsächliche Verhalten des Systems zwischen den Messpunkten wegen der Zeitdiskretisierung nicht bekannt ist und höchstens durch ein mehr oder weniger genaues Modell beschreibbar ist. Bei bestimmten Wachstumsarten können auch mathematische Modelle (Funktionen) zur Beschreibung des Verhaltens in einem Funktionsgraph Verwendung finden.
Wachstumsarten
linear
Ein Wachstum heißt lineares Wachstum, wenn die Änderungsrate konstant ist.
Bei linearem Wachstum gilt für den Bestand B(t) nach t Zeitschritten
- rekursive Darstellung:
- B(t + 1) = B(t) + k mit Anfangsbestand B(0) und Änderungsrate k
- explizite Darstellung:
- B'(t) = k
exponentiell
Ein Wachstum heißt exponentielles Wachstum, wenn die Änderungsrate nicht konstant, sondern proportional zum Bestand ist.
- rekursive Darstellung:
- mit Wachstumsfaktor a = 1 + k
- explizite Darstellung:
- mit
- Differentialgleichung:
beschränkt
Ein Wachstum heißt beschränktes Wachstum mit der Schranke (Kapazität) S, wenn die Änderungsrate nicht konstant, sondern proportional zum Sättigungsmanko S − B(t) ist.
- rekursive Darstellung:
- explizite Darstellung:
- mit
- Differentialgleichung:
logistisch
Ein Wachstum heißt logistisches Wachstum mit der Schranke S, wenn die Änderungsrate nicht konstant, sondern proportional zum Produkt aus Bestand und Sättigungsmanko ist.
- rekursive Darstellung:
- explizite Darstellung:
- Differentialgleichung:
Die Differenzbildung von S und B(t) zeigt, dass S die gleiche Dimension hat wie B(t). Die Schranke S ist also keine Wachstumsgrenze, sondern eine Bestandsgrenze. Daraus ergibt sich, dass das Wachstum (W) nicht dem Verlauf der logistischen Funktion (LF) folgt. Sondern der Bestand folgt der logistischen Funktion. Das logistische Wachstum dagegen folgt dem Verlauf der ersten Ableitung der logistischen Funktion. Das ist eine Glockenkurve (die wiederum nicht mit einer Gauss-Kurve verwechselt werden sollte).
Neben der Ableitung W selbst ist auch das Produkt aus W und LF interessant (orange Kurve in der Grafik). Dieses Produkt ist das mit der logistischen Funktion gewichtete Wachstum. Beschreibt die logistische Funktion beispielsweise einen Markt als „Bestand“, so bewirkt ein Wachstum im Sättigungsbereich (oberer Teil der logistischen Funktion) absolut einen größeren Umsatz als das gleiche Wachstum im Bereich der Emergenz des Marktes (unterer Teil der logistischen Funktion). Der Verlauf dieses gewichteten Wachstums ist aber bei zunehmender Marktsättigung genauso einem Rückgang unterworfen, wie das Wachstum des Marktes selbst.
Eine andere Praxis der Gewichtung des Wachstums erklärt die Unterschiede der Wahrnehmung von Wachstum einerseits aus wirtschaftlicher und andererseits aus physikalischer Sicht. Eine in der Natur der logistischen Funktion begründete Eigenschaft dieser Funktion ist, dass man dem glockenförmigen Wachstum mit einer zeitabhängigen Normierung wieder den Verlauf einer logistischen Funktion geben kann. Normiert wird das Wachstum W = dB(t)/dt hierbei mit dem Sättigungsmanko S − B(t). „Sättigungsmanko“ steht dabei für den Bereich, in dem sich noch Bestand verändern kann. Das Resultat ist das mit dem sich immer weiter verkleinernden Sättigungsmanko gewichtete Wachstum W / [S − B(t)]. Dieses gewichtete Wachstum hat wieder den Verlauf einer logistischen Funktion. Die Operation einer derartigen zeitabhängigen Normierung kann in einem System geschehen, in dem nur Geld als Kommunikationsmedium[1] dient und in dem das gesamte zur Kommunikation zur Verfügung stehende Geld den Wert des Sättigungsmankos S − B(t) zeitabhängig repräsentiert. In dieser Weise wird in Wirtschaftssystemen Wachstum von Wert kommuniziert, das sich aus zunehmender Knappheit ergibt. Denn tatsächlich wächst wegen des kleiner werdenden Sättigungsmankos (also wegen der zunehmenden Sättigung) in der physikalischen Umwelt des Wirtschaftssystems die Knappheit in dieser Umwelt, die das Wirtschaftssystem nicht direkt wahrnimmt, aber mit der sie doch über strukturelle Kopplung verbunden ist.
nach Zeitverlauf
Wachstum lässt sich nach der Art seiner Zeitverläufe charakterisieren, wie er im Graphen Messgröße x vs. Zeit t dargestellt ist.
- begrenzt oder unbegrenzt: Alle realen Wachstumsvorgänge sind letztlich begrenztes Wachstum, da die Ressourcen, aus welchen sich das Wachstum speist, nicht unbegrenzt vorliegen oder das Wachstum auf andere Weise schon vor dem Erschöpfen der Ressourcen begrenzt wird und einem dynamischen Gleichgewicht zustrebt (zum Beispiel beim Räuber-Beute-System). Unbegrenztes Wachstum ist damit ein mathematisches Artefakt. Begrenztes Wachstum führt aber nicht zwingend zu einer Wachstumsumkehr, sondern erlaubt während der Lebensdauer eines Systems innerhalb seiner Wachstumsgrenzen ein auf Dauer positives Wachstum. Das klassische Beispiel ist die Entropie in geschlossenen Systemen. Die maximale Entropie des Systems ist hier die Wachstumsgrenze.
- linear (konstant) oder exponentiell (beschleunigt oder verzögert = negativ beschleunigt) Der Radioaktive Zerfall ist ein Beispiel für exponentielles, verzögertes, negatives Wachstum.
- (scheinbar) kontinuierlich oder diskontinuierlich. (Beispiel: Die Längenzunahme des Menschen während der Wachstumsperiode erfolgt in Schüben.)
Das abgebildete logistische Wachstum ist als lineare Transformation des hyperbolischen Tangens darstellbar und beschreibt das begrenzte Wachstum einer Größe (z. B. Ressourcen-Konsum, Bevölkerungszuwachs usw.). Das Wachstum hat eine Sättigungsgrenze. Die Größe selbst nimmt aber theoretisch weiter unbegrenzt zu. Das Wachstum dieser Größe ist einer Sigmoid-Kurve mit einem glockenförmigen Verlauf. Die Größe selbst hat nun eine Sättigungsgrenze. Es gibt dann vier Abschnitte: (1) eine theoretisch unendlich lange Periode sehr geringen Wachstums, (2) eine kurze Periode ansteigenden hohen Wachstums, (3) eine kurze Periode sinkenden hohen Wachstums und schließlich wieder (4) eine theoretisch unendlich lange Periode sehr geringen Wachstums.
Bevölkerungsentwicklung von Augsburg als Beispiel für ein reales Wachstum, das dem Verlauf der logistischen Funktion nahekommt.
Wachstumsschwankungen
Dem Trend ist eine Schwankung zwischen mehreren Grenzwerten überlagert:
- Periodische Schwankungen (beispielsweise bei Systemen mit Rückkopplung) können ungedämpft, gedämpft oder aufschaukelnd sein.
- Aperiodische Schwankungen (Fluktuationen) können zufallsbedingt oder chaotisch sein.
Nach Einheiten der Messgröße
Raumdimensionen
- Strecken
- Wachstum der Länge des Schienennetzes
- Flächen
- Wachstum der versiegelten Flächen
- Volumen
- Größerwerden eines Luftballons
Kombinationen daraus findet man beim Wachstum eines Organismus als Ganzes oder seiner Teile: Zellwachstum, Längenwachstum des Menschen; siehe auch Somatotropin (Wachstumshormon) und Kleinwuchs.
Anzahl
Zunahme der absoluten Menge oder des Prozentsatzes, Vermehrung: Bevölkerungswachstum, Bakterienkultur, Geldwachstum.
Das Infekt-Modell ist eine Rückkopplungsfunktion, die Ausbreitungsvorgänge (Krankheiten, Gerüchte, Witze …) in geschlossenen Populationen beschreibt (s. Bild begrenztes Wachstum). Siehe auch Feigenbaumdiagramm.
Wachstum eines Index
Wirtschaftswachstum beschreibt das Wachstum einer Volkswirtschaft. Parametrisiert wird dieses u. a. durch das Bruttoinlandsprodukt.
Wachstum beschreibt in der Betriebswirtschaftslehre das Wachstum von Kapazitäten. Parametrisiert wird dieses u.a. durch den Engpass an einem bestimmten Produktionsfaktor. Dieser hat in einem Operations Research System einen Schattenpreis.
Wachstum der Komplexität
Siehe dazu Internet, Informationsflut, Gehirn
Anwendungsgebiete
Biologisches Wachstum
In der Physiologie ist das Wachstum durch die Differenz zwischen anabolem Ansatz und katabolem Abbau definiert. Man spricht von Wachstum, wenn die Größe eines Organismus zunimmt, ohne dass sich dessen äußere Gestalt ausschlaggebend verändert.
Wachstum kommt zustande durch:
- Hyperplasie: die Anzahl der Zellen eines Organismus nimmt zu
- Hypertrophie: die Größe von Zellen nimmt zu
- die extrazelluläre Matrix gewinnt an Größe
Vergleiche auch Wachstumsstörung, Atrophie.
Wirtschaft
Unter Wirtschaftswachstum versteht man die Änderung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von einer Periode zur nächsten, siehe Hauptartikel Wirtschaftswachstum.
Siehe auch
- Diffusionsbegrenztes Wachstum (diffusion limited aggregation)
- Nullwachstum
Quellen
- ↑ Niklas Luhmann: Die Wirtschaft der Gesellschaft, 1988, ISBN 3-518-28752-4
Literatur
- Rupert Riedl und Manuela Delpos (Hrsg.): Die Ursachen des Wachstums. 1996, ISBN 3-218-00628-7
- Johannes M. Waidfeld: Wachstum, der Irrtum Wohlstand, eine gesellschaftliche Betrachtung. Fischer & Fischer Medien AG, Frankfurt 2005, ISBN 3-89950-076-8, http://waidfeld.de.tk/index.html
- Mandel, Ernest: Marxistische Wirtschaftstheorie. Suhrkamp, Frankfurt 1968
Weblinks
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