Großer Sprung vorwärts

Großer Sprung vorwärts

Der Große Sprung nach vorn (chin. 大躍進 / 大跃进, dà yuè jìn) war die offizielle Parole für die Politik der Volksrepublik China von 1958 bis Anfang 1962. Ziel war es, China zu einer wirtschaftlichen Großmacht zu machen, was zur größten von Menschen ausgelösten Hungersnot der Geschichte führte. Diese kostete 20 bis 40 Millionen Menschen das Leben.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Nach dem Abschluss des ersten Fünfjahresplans im Jahre 1957 waren Mao Zedong Zweifel gekommen, dass der von der Sowjetunion eingeschlagene Pfad zum Sozialismus für China geeignet sei. Er stand Chruschtschows Politik der Abkehr vom Stalinismus kritisch gegenüber und sah sich darin durch die Aufstände in der DDR, Polen und Ungarn bestärkt. Seiner Ansicht nach musste China einen eigenen, radikalen Weg einschlagen.

Das Konzept bestand darin, durch eine Reihe von wirtschaftlichen Sprüngen das Bewusstsein der Bevölkerung für den Kommunismus zu stärken. Mao formulierte daraufhin das ehrgeizige Ziel, die Pro-Kopf-Produktion von Stahl deutlich zu erhöhen und innerhalb von 15 Jahren diejenige von Großbritannien zu übertreffen.

Der neue Fünfjahresplan für die Zeit von 1958 bis 1963 bekam, im Rahmen der Politik der Drei Roten Banner, den Namen Großer Sprung nach vorn.

Verlauf

Um die hohe Stahlproduktion zu erreichen, wurden über das ganze Land verteilt Eisenproduktionsstätten aufgebaut. Es bestand aber ein Mangel an Wissen und an Infrastruktur für leistungsfähige Eisenhütten und Hochöfen, daher wurden eine Vielzahl kleiner Öfen zur Verarbeitung von Eisenerz gebaut. Diese waren meist in Handarbeit aus Lehm hergestellt, zur Wärmeversorgung wurde Holz eingesetzt, die Arbeitskräfte wurden aus der Bauernschaft rekrutiert. Obwohl man bereits Anfang 1959 erkannt hatte, dass eine ausreichende Stahlqualität nur in großen Fabriken und mit dem Brennstoff Steinkohle erzielt werden konnte, wurde das Projekt fortgesetzt.

Weiterhin wurde eine starke Kollektivierung des gesellschaftlichen Lebens auf dem Lande vorgenommen. Dabei wurde die traditionelle Vormacht der Familie zugunsten einer Genossenschaft aufgelöst. Diese Volkskommunen wurden aus der Zusammenfassung von LPGs oder Gemeinden gebildet. Das Eigentum wurde in diesen Kommunen kollektiviert, die Bauern wurden einer strengen hierarchischen Struktur unterstellt. Mahlzeiten mussten in den Kantinen eingenommen werden, Kinder und alte Leute wurden in Betreuungseinrichtungen untergebracht.

Die Bildung der Volkskommunen wurde jedoch zu schnell vorangetrieben. Diese konnten häufig nicht arbeiten, die notwendige Infrastruktur war meist unzureichend und die hygienischen Zustände schlecht. Bei Wintereinbruch stand zudem nicht genug warme Kleidung zur Verfügung.

Vor allem standen nun durch die Überbetonung der Stahlproduktion nicht mehr genügend Bauern für die Landwirtschaft zur Verfügung. Teilweise hatte man diesen auch erlaubt, ihr Saatgut zu verzehren. Als dann Nahrungsmittelknappheit eintrat, erhöhte man den Druck auf die Bauern, ihre Produktion zu erhöhen. Dies gelang aber nicht, zumal 1960 und 1961 auch die Wetterbedingungen ungünstig waren.

So kam es zu einer katastrophalen Hungersnot, der 20 bis 40 Millionen Menschen zum Opfer fielen. In manchen ländlichen Gebieten starben bis zu 40 % der Bevölkerung, und ein Teil der Überlebenden wurde in den Kannibalismus getrieben. Dieses Ereignis gilt als eine der größten Hungersnöte der Menschheit, es war die größte selbstverursachte Hungersnot der Geschichte. Die Zeit von 1959 bis 1961 wird in China auch als die „Drei bitteren Jahre“ bezeichnet. Die Höhe der genannten Opferzahlen wird gelegentlich in Zweifel gezogen (z.B. vom Briten Joseph Bell).

Ergebnis

Anfänglich wuchs die chinesische Wirtschaft, die Eisenproduktion wurde 1958 um 45 %, bis 1959 kombiniert um 30 % gesteigert. 1961 brach sie aber ein, China verlor den anfänglichen Wirtschaftszuwachs und erreichte erst 1964 wieder das Niveau von 1958.

Im Januar 1961 wurde auf dem neunten Plenum des achten Zentralkomitees der KP die Wiederherstellung der landwirtschaftlichen Produktion durch die Abkehr von der Politik des großen Sprungs beschlossen.

Die durch den Großen Sprung ausgelösten Schwierigkeiten erzwangen auch die ersten Revision des von Mao Zedong vertretenen mobilisatorischen Konzepts zugunsten einer dem sowjetischen Entwicklungsmodell verpflichteten Politik, deren führender Vertreter unter anderem Deng Xiaoping wurde. Dieser so genannte „Kampf zweier Linien“ führte in der Partei zu sich verschärfenden Macht- und Richtungskämpfen, die auch als Ursache der 1966 beginnenden Kulturrevolution gesehen werden.

Der große Sprung nach vorn gilt heute als Symbol für eine gescheiterte Industriepolitik, im übertragenen Sinne wird die Formel auch für ein ehrgeiziges Projekt verwendet, dessen Ergebnis sich ins Gegenteil verkehrt.

Literatur

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