Großmeister (Schach)

Großmeister (Schach)

Großmeister (Abkürzung: GM) ist der höchste vom Weltschachbund FIDE verliehene Titel für Turnierschachspieler; früher hieß der Titel Internationaler Großmeister (IGM). Er wird seit 1950 verliehen und gilt auf Lebenszeit, wobei die Aberkennung bei grobem Fehlverhalten möglich ist. Großmeister-Titel werden auch in anderen Schachsparten vergeben.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Titel Großmeister wurde informell bereits im 19. Jahrhundert verwendet, zuerst am 18. Februar 1838 in der Schachspalte der Zeitung Bell's Life. In der Literatur heißt es manchmal, der Titel sei erstmals von Zar Nikolaus II. verliehen worden, um damit die fünf Preisträger des stark besetzten „Großmeisterturniers“ in Sankt Petersburg 1914 auszuzeichnen (Emanuel Lasker, José Raúl Capablanca, Siegbert Tarrasch, Alexander Aljechin und Frank Marshall). Dies gilt aber nicht als historisch belegt.[1]

Der sowjetische Schachverband vergab einen Großmeistertitel erstmals 1929 an Boris Werlinski.

Den Titel eines Internationalen Großmeisters verlieh die FIDE zuerst im Jahre 1950. In Anerkennung bisheriger Leistungen wurden Ossip Bernstein, Isaak Boleslawski, Igor Bondarewski, Michail Botwinnik, David Bronstein, Oldřich Duras, Max Euwe, Reuben Fine, Salo Flohr, Ernst Grünfeld, Paul Keres, Boris Kostić, Alexander Kotow, Grigori Löwenfisch, Andor Lilienthal, Géza Maróczy, Jacques Mieses, Miguel Najdorf, Wjatscheslaw Ragosin, Samuel Reshevsky, Akiba Rubinstein, Friedrich Sämisch, Wassili Smyslow, Gideon Ståhlberg, László Szabó, Savielly Tartakower und Milan Vidmar ernannt.

Anzahl der Großmeister

Neu ernannte Großmeister pro Jahr
Anzahl lebender Großmeister pro Jahr

Die Anzahl der Schachgroßmeister weltweit stieg von 27 im Jahr 1950 auf 88 im Jahr 1972, 2008 gab es bereits über 1300 Träger dieses Titels. Es gibt mehrere Gründe für diese Entwicklung, darunter

  • die Zunahme der Turnierveranstaltungen (Qualifikationsmöglichkeiten)
  • politische Veränderungen in Osteuropa, die vielen starken Spielern erst die Teilnahme an solchen Turnieren ermöglichten
  • die Entwicklung der modernen Informationstechnologien (Internet, Schachdatenbanken)
  • die Verkürzung der Normenturniere von mindestens 15 Runden in den 1970er Jahren auf heute mindestens neun Runden[2]

Die meisten Großmeister lebten 2008 in Russland (147), in Deutschland gab es 59 Spieler mit diesem Titel. Island hatte elf Großmeister bei nur 300.000 Einwohnern.

Wegen der zunehmenden Anzahl von Großmeistern wird derzeit von der Schachöffentlichkeit die Spielstärke eines Meisters überwiegend aufgrund seiner Elo-Zahl beurteilt. Spieler der Weltspitze mit einer Zahl oberhalb einer Marke von 2700 Elo-Punkten werden informell auch als Super-Großmeister bezeichnet. Den Rekord als jüngster Titelträger hielt viele Jahre Bobby Fischer, der im Alter von 15 Jahren und vier Monaten Großmeister wurde. Er wurde 1991 von Judit Polgár abgelöst, die beim Titelerwerb einen Monat jünger war. Mittlerweile hält diese Bestleistung Serhij Karjakin, der seine letzte erforderliche Titelnorm mit 12 Jahren und 7 Monaten erzielte.

Frauen und der Titel des ursprünglich nur männlichen Großmeisters

Als erste Frau errang Nona Gaprindaschwili 1978 den Großmeistertitel. Heute (Stand November 2010) haben 20 Spielerinnen aus den besten Hundert der FIDE-Rangliste der Frauen den Großmeister-Titel.

Qualifikationskriterien

Für den Titel „Internationaler Großmeister“ muss man folgende Qualifikationskriterien der FIDE erfüllen: Man muss in mindestens zwei internationalen Schachturnieren eine vom Spielstärkeniveau (der sogenannten Kategorie, das ist der Durchschnittswert der Wertungszahlen aller Turnierteilnehmer) des Turniers abhängige Mindestpunktezahl (die so genannte Großmeister-Norm) erreichen. Beispiel: 10 Turnierteilnehmer, Wertungsdurchschnitt = 2543 = Kategorie 12, Großmeisternorm = mind. 5 Punkte aus 9 Partien.

Diese GM-Norm entspricht einer Eloleistung von mindestens 2600. Die Qualifikation muss auf mindestens 27 gespielten Partien beruhen. Für die Verleihung des Titels ist außerdem grundsätzlich eine Elo-Zahl von mindestens 2500 Punkten Voraussetzung. Es kommt in Ausnahmefällen jedoch auch vor, dass der Weltschachverband FIDE aufgrund einer Teilnahme an einer Schacholympiade mit entsprechender Leistung auch den Großmeistertitel verleiht, ohne dass eine Elozahl von 2500 jemals erreicht wurde (siehe zum Beispiel Peng Zhaoqin).

Bis 1979 war keine Mindestelozahl vorgeschrieben, zwischen 1979 und 1988 war diese 2450, seitdem liegt sie bei den erwähnten 2500 Punkten.

Die Siegerin einer Schachweltmeisterschaft der Damen erhält auch den Großmeistertitel.

Ähnliche Titel

FIDE

Die FIDE vergibt neben Großmeistertiteln auch die weniger bedeutenden und auf geringeren Anforderungen beruhenden Titel Internationaler Meister (IM), FIDE-Meister (FM) und Candidate Master (CM).

Zusätzlich vergibt die FIDE seit 1976 auch einen eigenen Großmeistertitel für Frauen (Abkürzung üblicherweise WGM für Woman Grand Master, eher unüblich ist die deutschsprachige Abkürzung FGM). Die Anforderungen für Frauen sind analog zu denen für Männer, allerdings genau um 200 Elo-Punkte tiefer angesetzt.

Andere Schach-Verbände

Im Fernschach wird ein Großmeister-Titel vom Weltfernschachverband ICCF vergeben. Der ICCF hat 1997 auch den Großmeistertitel für Frauen eingeführt.

In der Schachkomposition wird der Titel Großmeister[3] an Komponisten vergeben, wenn sie 70 Punkte durch Veröffentlichung ihrer Schachkompositionen in FIDE-Alben erhalten haben. Dabei zählt eine Studie 1,67 Punkte und jede andere Komposition einen Punkt. Bei Gemeinschaftsarbeiten werden die Punkte entsprechend geteilt. Drei Punktrichter beurteilen dabei die Qualität der Kompositionen und vergeben jeweils zwischen null und vier Wertungspunkte. Für die Veröffentlichung im FIDE-Album muss eine Aufgabe mindestens acht Wertungspunkte erhalten. Im Lösen von Schachkompositionen gibt es ebenfalls Qualifikationskriterien bei Löseturnieren für den Titel Großmeister.

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Schachgroßmeister – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Commons: Schachgroßmeister der Frauen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Grammel, a.a.O.; der Schachhistoriker Edward Winter verweist darauf, dass die Geschichte einer Titelverleihung durch den Zaren erst seit dem Jahr 1940 kursiere, siehe hier
  2. FIDE Handbook, 01. International Title Regulations, 1.0. Requirements for the titles, Absatz 1.41: „The player must play at least 9 games.“ Die wenigen Ausnahmen davon sind dort explizit aufgezählt: „Only 7 games are required for 7 round Continental and World Team Championships. Only 8 games are required for 8 or 9 round Continental and World Team Championships. Only 8 games are required for the World Championship or Women’s Knockout.“
  3. Großmeister für Schachkomposition

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