Schachweltmeisterin

Schachweltmeisterin
Die amtierende Schachweltmeisterin Hou Yifan

Der Titel Schachweltmeisterin ist die höchste Auszeichnung im Schach für Frauen und entspricht dem Titel Schachweltmeister, der bei den Männern vergeben wird. Genau wie bei den Herren werden auch die Titelkämpfe der Damen vom Weltschachverband FIDE organisiert. Die erste Weltmeisterin war Vera Menchik, derzeit ist die Chinesin Hou Yifan Titelträgerin. Die Siegerin einer Schachweltmeisterschaft der Damen erhält den allgemeinen Großmeistertitel, die acht Finalistinnen erhalten den Großmeistertitel der Damen.[1]

Beim Schach ist es anders als bei vielen anderen Sportarten möglich, dass Frauen gegen Männer antreten. Manche Schachspielerinnen beteiligen sich bewusst nicht an den Kämpfen zur Frauenweltmeisterschaft. So ist es zu erklären, dass die derzeit beste Schachspielerin und Führende der Frauenweltrangliste, Judit Polgár, die auch den allgemeinen Großmeistertitel trägt, noch nie um den Weltmeistertitel der Frauen gespielt hat.

Inhaltsverzeichnis

1927 bis 1944 – Die Ära Vera Menchiks

Die erste Schachweltmeisterschaft für Frauen wurde von der FIDE als ein Rundenturnier organisiert und fand parallel zur Schacholympiade 1927 statt. Siegerin und somit erste Schachweltmeisterin wurde Vera Menchik. In der Folge hatte sie jedoch – im Gegensatz zu den Schachweltmeistern – keine besonderen Vorrechte und musste sich genau wie ihre Herausfordererinnen erst für den WM-Kampf qualifizieren. Sie blieb unbesiegt und verteidigte ihren Weltmeistertitel erfolgreich in den Jahren 1930, 1931, 1933, 1935, 1937 und 1939.

1944 starb sie bei einem deutschen V1-Raketenangriff auf Kent.

1950 bis 1991 – Sowjetische Dominanz

Nach Menchiks Tod fand die erste Weltmeisterschaft 1949/50 statt. Es handelte sich wieder um ein Rundenturnier. Die sowjetische Spielerin Ljudmila Rudenko siegte und wurde die zweite Weltmeisterin. Danach wurde analog zu den Männern ein Zyklus von Interzonen- und Kandidatenturnieren eingerichtet, um die jeweilige Herausfordererin für die Titelträgerin zu ermitteln.

Das erste Kandidatenturnier fand 1952 in Moskau statt. Die Russin Jelisaweta Bykowa ging als Siegerin hervor und besiegte daraufhin Rudenko mit 8 zu 6 (+7, -5, =2), was sie zur dritten Weltmeisterin machte. Das nächste Kandidatenturnier wurde von Olga Rubzowa gewonnen. Doch anstatt sie direkt gegen Bykowa antreten zu lassen, entschied die FIDE, dass die Weltmeisterschaft zwischen den drei besten Spielerinnen der Welt entschieden werden solle: Rubzowa, Rudenko und Bykowa. Rubzowa gewann diese WM, die 1956 in Moskau stattfand, mit einem Punkt Vorsprung auf Bykowa, die wiederum fünf Punkte mehr als Rudenko aufwies. Bykowa eroberte jedoch bereits 1958 den Titel zurück und verteidigte ihn 1959 gegen Kira Sworykina, die Siegerin des Kandidatenturniers 1959.

Das vierte Kandidatenturnier wurde 1961 in Vrnjačka Banja (Serbien) abgehalten und von der georgischen Spielerin Nona Gaprindaschwili dominiert, die bei zehn Siegen und sechs Remis keine Niederlage einstecken musste. Daraufhin schlug sie Bykowa im WM-Kampf 1962 überlegen mit 9:2 (+7, -0, =4) und wurde die vierte Weltmeisterin. Gaprindaschwili verteidigte den Titel gegen die Russin Alla Kuschnir 1965 in Riga und 1969 in Tiflis und Moskau.

Im Jahr 1971 führte die FIDE auch bei den Frauen ein Reglement ein, das bei den Herren bereits seit 1965 üblich war: Nicht mehr in Rundenturnieren, sondern in K.o.-Wettkämpfen sollten die Herausfordererinnen ermittelt werden. Kuschnir qualifizierte sich erneut als Herausfordererin, wurde jedoch wiederum von Gaprindaschwili im Titelkampf 1972 in Riga besiegt. Gaprindaschwili verteidigte den Titel ein letztes Mal gegen Nana Alexandria aus Georgien in Pizunda und Tiflis 1975.

Im Kandidatenzyklus 1976 bis 1978 sorgte die erst 17-jährige Georgierin Maia Tschiburdanidse für eine Überraschung, als sie nacheinander Nana Alexandria, Jelena Achmilowskaja und Alla Kuschnir besiegte und den WM-Kampf 1978 in Tiflis gegen Gaprindaschwili gewann. Es war ein Höhepunkt der georgischen Dominanz im Frauenschach. Tschiburdanidse verteidigte den Titel gegen Alexandria in Bordschomi und Tiflis 1981 und gegen Irina Levitina in Wolgograd 1984. Achmilowskaja gewann das nächste Kandidatenturnier, verlor jedoch den WM-Kampf gegen Tschiburdanidse in Sofia 1986. Tschiburdanidses letzte Titelverteidigung erfolgte 1988 in Telawi gegen Nana Iosseliani.

Seit 1991 – Siegeszug der Chinesinnen

Tschiburdanidse verlor den Titel 1991 in Manila an die junge Chinesin Xie Jun, die im Interzonenturnier Zweite hinter Gaprindaschwili und im Kandidatenturnier geteilte Erste mit Alisa Marić wurde, gegen die sie in einem Stichkampf die Oberhand behielt.

Zu dieser Zeit sorgten die drei ungarischen Polgár-Schwestern Zsuzsa Polgár, Zsófia, und Judit für die ersten aufsehenerregenden Siege gegen Großmeister. Die Familie beschloss, dass sich Judith als die spielstärkste der Drei, ausschließlich auf Männerturniere konzentrieren solle, während Zsuzsa und Zsófia bei den Frauenturnieren teilnehmen sollten.

Zsuzsa Polgár gewann das Kandidatenturnier in Shanghai 1992. Das Kandidatenfinale – ein Match über acht Partien zwischen den beiden Erstplatzierten des Turniers – zwischen Polgár und Iosseliani stand selbst nach zwei Tie-Breaks noch unentschieden. So musste das Los entscheiden, wodurch Iosseliani als Herausfordererin für Xie Jun ausgemacht wurde. Beim WM-Kampf 1993 in Monaco war sie allerdings chancenlos.

Der nächste Zyklus wurde von Polgár dominiert. Nach dem Kandidatenturnier geteilte Erste mit Tschiburdanidse, besiegte sie diese im Finale und nahm daraufhin Xie Jun den WM-Titel bei der Weltmeisterschaft 1996 in Jaén ab.

1997 wurden Alissa Galljamowa und Xie Jun Erste bzw. Zweite im Kandidatenturnier. Galljamowa weigerte sich jedoch, das Finale vollständig in China zu spielen, worauf die FIDE Xie Jun kampflos als Herausfordererin proklamierte. Polgár hatte zwischenzeitlich ihr erstes Kind zur Welt gebracht und bat daher um eine Verschiebung des Kampfes. Die FIDE weigerte sich und setzte stattdessen die Weltmeisterschaft zwischen Galliamova und Xie Jun fest. Sie fand in Kasan (Russland) und Shenyang (China) statt. Xie Jun gewann mit 8,5:6,5 (+5, -3, =7).

Im Jahr 2000 fand die Weltmeisterschaft parallel zur Männerweltmeisterschaft statt und wurde genau wie diese auch im K.o.-Modus ausgetragen. Siegerin wurde Xie Jun. 2001 gewann Zhu Chen, der angewandte Modus war erneut der K.o.-Modus. Ein weiteres K.o.-Turnier, diesmal jedoch nicht gleichzeitig zur Männerweltmeisterschaft, fand vom 21. Mai bis 8. Juni 2004 in Elista, Russland, statt. Die bulgarische Spielerin Antoaneta Stefanowa wurde neue Weltmeisterin. Ähnlich wie Polgár sieben Jahre zuvor nahm Zhu Chen wegen einer Schwangerschaft nicht teil.

Schließlich kehrte der Titel 2006 nach China zurück, als Xu Yuhua in Jekaterinburg den Titel gewann. Die Weltmeisterschaft 2008 fand vom 28. August bis 17. September in Naltschik statt. Wegen des Kaukasus-Konflikts reisten sechs georgische Spielerinnen, darunter Ex-Weltmeisterin Tschiburdanidse, und fünf weitere Spielerinnen nicht an. Im Finale setzte sich Alexandra Kostenjuk mit 2,5-1,5 gegen Hou Yifan durch.

Bei der Weltmeisterschaft 2010 vom 2. bis 24. Dezember 2010 schied Kosteniuk bereits in der dritten Runde aus. Hou Yifan besiegte ihre Landsfrau Ruan Lufei im Finale in einem Tiebreak von vier Schnellschachpartien mit 3:1, nachdem die vier regulären Partien mit 2:2 geendet hatten, und wurde so im Alter von 16 Jahren, 9 Monaten und 27 Tagen die jüngste Schachweltmeisterin.

Die Weltmeisterschaft 2011 findet vom 14. bis 30. November in Tirana statt. Hou Yifan verteidigt ihren Titel in einem Wettkampf gegen K. Humpy, die sich durch einen zweiten Platz hinter der Weltmeisterin beim FIDE Women's Grand Prix 2009–2011 qualifiziert hat. Gespielt werden 10 Partien, die Bedenkzeit beträgt 90 Minuten für 40 Züge und 30 Minuten für den Rest der Partie, plus 30 Sekunden pro Zug. Bei Gleichstand werden vier Schnellschach-Partien (25 Minuten plus 10 Sekunden pro Zug) gespielt, dann zwei Blitzpartien (5 Minuten plus 3 Sekunden pro Zug) und schließlich eine entscheidende Blitzpartie (5 Minuten für Weiß, 4 Minuten für Schwarz, plus 3 Sekunden pro Zug ab dem 61. Zug), bei der Schwarz ein Remis zum Titelgewinn reicht. Der Preisfonds beträgt 200.000 Euro.[2]

Liste der Schachweltmeisterinnen

Name Zeitraum Land
Vera Menchik 1927–1944 Flag of Czechoslovakia (bordered).svg Tschechoslowakei / Flag of the United Kingdom.svg Großbritannien
keine Weltmeisterin 1944–1950 --
Ljudmila Rudenko 1950–1953 Flag of the Soviet Union (1955-1980).svg Sowjetunion
Jelisaweta Bykowa 1953–1956 Flag of the Soviet Union (1955-1980).svg Sowjetunion
Olga Rubzowa 1956–1958 Flag of the Soviet Union (1955-1980).svg Sowjetunion
Jelisaweta Bykowa 1958–1962 Flag of the Soviet Union (1955-1980).svg Sowjetunion
Nona Gaprindaschwili 1962–1978 Flag of the Soviet Union (1955-1980).svg Sowjetunion
Maia Tschiburdanidse 1978–1991 Flag of the Soviet Union.svg Sowjetunion
Xie Jun 1991–1996 Flag of the People's Republic of China.svg China
Zsuzsa Polgár 1996–1999 Flag of Hungary.svg Ungarn
Xie Jun 1999–2001 Flag of the People's Republic of China.svg China
Zhu Chen 2001–2004 Flag of the People's Republic of China.svg China
Antoaneta Stefanowa 2004–2006 Flag of Bulgaria (bordered).svg Bulgarien
Xu Yuhua 2006–2008 Flag of the People's Republic of China.svg China
Alexandra Kostenjuk 2008–2010 Flag of Russia.svg Russland
Hou Yifan seit 2010 Flag of the People's Republic of China.svg China

Einzelnachweise

  1. FIDE-Handbuch: Voraussetzungen für Titel (englisch)
  2. Women's World Championship about to start, Whychess.org, 13. November 2011

Weblinks


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