Gustav von Rauch

Gustav von Rauch

Johann Justus Georg Gustav von Rauch (* 1. April 1774 in Braunschweig; † 2. April 1841 in Berlin) war ein preußischer Offizier, General der Infanterie und Kriegsminister.

Leben

Sein Vater Bonaventura von Rauch, ein gebürtiger Bayer und verheiratet mit Johanna, geborene Bandel, war Ingenieurcapitän in braunschweigischen Diensten, trat aber 1777 in die Preußische Armee, war 1788 Lehrer und 1798 Direktor der Ingenieurakademie. Als letztere aus Veranlassung der Kriegsereignisse des Jahres 1806 aufgelöst wurde, wurde Rauch sen., damals Generalmajor, nach Stettin gesandt und als Vizekommandant mit der Oberaufsicht über die vorzunehmenden Verteidigungsarbeiten betraut. Nachdem die Festung, ohne den geringsten Widerstand zu leisten, durch den Gouverneur, den General Friedrich Gisbert Wilhelm von Romberg, mit dessen Maßnahmen sowohl der Kommandant wie der Vizekommandant einverstanden waren, sich am 30. Oktober der leichten Reiterei des Generals Antoine-Charles-Louis de Lasalle ergeben hatte, wurde Rauch sen., nachdem er in Spandau eine Festungsstrafe verbüßt hatte, entlassen. Er starb 1814.

Sein Sohn war inzwischen, dem Beispiel des Vaters folgend, in das Ingenieurkorps eingetreten. Als 1788 in Potsdam die Ingenieurakademie (Ecole de génie), an der sein Vater als Lehrer wirkte, eingerichtet wurde, fand er als Eleve dort Aufnahme, wurde am 6. April 1790 zum etatmäßigen Leutnant im Ingenieurkorps befördert und bis zum Spätherbst 1796 bei Landesaufnahmen und Befestigungsarbeiten an der schlesisch-österreichischen Grenze und in den neuerworbenen Landesteilen beschäftigt, nahm auch an dem durch die dritte Teilung Polens veranlassten Kriege des Jahres 1794 teil.

Dann wurde er als Adjutant des damals sehr einflussreichen Generalquartiermeisters und Chefs des Ingenieurkorps, Generalleutnant Levin von Geusau, nach Berlin berufen. Dadurch erhielt seine dienstliche Laufbahn eine andere Wendung. Am 14. Januar 1802 kam er als Quartiermeisterleutnant in den neugebildeten Generalstab, wurde am 12. Dezember 1803 Kapitän und 1805 dem vortragenden Generaladjutanten des Königs Friedrich Wilhelm III., Oberst von Kleist (nachmals Generalleutnant Graf Kleist von Nollendorf), als „Hilfsarbeiter“ (heute würde man sagen: Assistent) zugeteilt. Im Generalstab, in dem er am 22. Oktober 1805 zum Major und Generalquartiermeister befördert worden war, machte er nun die ergebnislos gebliebene Mobilmachung von 1805 und den Krieg von 1806/07 mit.

Es zeigte sich schon damals, dass seine Ansichten über Kriegführung mehr der methodischen, auf abstrakten Anschauungen von Einflüssen des Geländes und auf Nutzanwendung mathematischer Lehrsätze auf militärische Maßnahmen fußenden Art der alten Schule angehörten als den neuen Grundsätzen, die als das wichtigste Ziel des Feldherrn den taktischen Sieg über das feindliche Heer betrachteten. So gehörte er zu denen, die sich im Jahre 1806 nicht für den Gedanken eines entschiedenen angriffsweisen Vorgehens gegen die napoleonische Armee erwärmen konnten, sondern die Maßregeln empfahlen, die zur Teilung der eigenen Kräfte in die am 14. Oktober vereinzelt geschlagenen Heerhaufen führten.

Er kam dann glücklich nach Preußen, wurde im Frühjahr 1807 dem russischen General Kamenski II., der mit einem in Pillau eingeschifften und in Neufahrwasser gelandeten russisch-preußischen Heere dem bedrängten Danzig Entsatz bringen sollte, als Generalstabschef beigegeben und erhielt, nachdem der Versuch fehlgeschlagen war, die gleiche Stellung bei General von Rüchel, dem Gouverneur von Königsberg.

Nach Friedensschluss trat er in das königliche Gefolge zurück, wurde dem General von Scharnhorst zugeteilt und leistete diesem bei den Arbeiten zur Neubildung des Heerwesens wesentliche Dienste. Als ihn Scharnhorst zum Mitglied einer zum Zweck der Reorganisation des Ingenieurkorps unter seinem eigenen Vorsitz zu berufenden Kommission vorschlug, schrieb er: „Rauch war früher von dem Oberst von Wassenbach als ein geschickter, ganz vorzüglich brauchbarer Offizier empfohlen, hatte im letzten Kriege viele besondere Aufträge mit Zufriedenheit des Königs ausgeführt, versieht seine Geschäfte mit seltenem Eifer und wurde ohne Vorschlag von Sr. Majestät befördert“, und 1812 äußerte er sich, anknüpfend an Rauchs Verdienste um die neuerrichteten Kriegsschulen, diesem selbst gegenüber in einem Briefe in noch anerkennender Weise, indem er schrieb: „Ohne Ihre Ordnungsliebe, Betriebsamkeit, Menschenkenntnis und Einsicht würde der mir bestimmte Wirkungskreis schlecht verwaltet werden.“

Rauch blieb in diesen Dienstverhältnissen bis zu den Befreiungskriegen. Am 12. Februar 1809 wurde er Direktor der 2. Division des Allgemeinen Kriegsdepartements, als der er in allen sachlichen Angelegenheiten, die seine Division betrafen, unmittelbaren Vortrag beim König hatte, und am 16. März 1812, als die politischen Verhältnisse die Enthebung Scharnhorsts von seinen Geschäften, zu denen das Kommando des Ingenieurskorps gehörte, erheischten, unter gleichzeitiger Beförderung zum Generalquartiermeisterleutnant, interimistischer Kommandeur jenes Korps. Der König sprach damals die Erwartung aus, dass Rauch „das Allerhöchste Vertrauen in der von ihm gewohnten Weise rechtfertigen werde“.

Beim Beginn des Befreiungskrieges trat Rauch, seit dem 14. August 1812 Oberst, in ein ganz besonderes Verhältnis, indem er am 1. März 1813 zum Chef des Generalstabes beim Korps des Generals von Yorck ernannt wurde, das bei Berlin eine neue Formation erhielt. Seine Stellung war eine besonders schwierige; der General war kein leicht zu behandelnder Vorgesetzter, sein Vertrauen und seine Wertschätzung mussten erkämpft werden und keinen Menschen empfing er von vornherein mit einem günstigen Vorurteile. Weder Rauchs Persönlichkeit, noch seine mehr gelehrte als praktische Art passte zu Yorck, der ihn „langweilig“ fand, ihn bald ganz „zur Seite liegen ließ“ – urteilt Droysen (York's Leben II, 154, Berlin 1852). Dass dieses Urteil nicht ganz richtig ist, beweist unter anderem ein Satz aus des Generals Bericht über das Gefecht bei Königswartha-Weißig am 19. Mai, in dem dieser schreibt: „Vorzüglich erwähne ich auch bei dieser Gelegenheit den Chef meines Generalstabes, den Obrist von Rauch, dem ich die Ordnung, mit welcher der nächtliche Rückzug durch die Defiléen vor sich ging, ganz besonders zuschreiben muß.“

Während des Waffenstillstandes wurde das Verhältnis indessen gelöst. Rauch, seit dem 7. Juli Generalmajor, wurde nach Scharnhorsts Tode am 21. Juli zum Chef des Ingenieurskorps ernannt und zugleich an Gneisenaus Stelle, der zeitweise anderweitige Verwendung gefunden hatte, zum interimistischen Generalstabschef Blüchers ernannt. Daneben wirkte er als Bevollmächtigter des Kriegsministeriums für die Ergänzung und Wiederaufrüstung des Heeres. Als bei Neubeginn der Feindseligkeiten Gneisenau seinen Posten wieder übernommen hatte, blieb Rauch auf Blüchers Wunsch in dessen Generalstab und nahm mit diesem an den weiteren Ereignissen des Krieges teil; er wurde namentlich bei der Anlage von Befestigungswerken und anderen in das Ingenieurfach gehörigen Arbeiten gebraucht (Verschanzungen bei Wartenburg, Brückenschlag bei Halle). Dass sein methodischer Geist sich nicht zu derjenigen Höhe der Anschauungen aufschwingen könne, die in Blüchers Stab in Bezug auf die Kriegführung maßgebend waren, bewies er durch eine Denkschrift, die den zu Anfang Oktober ausgeführten folgenschweren Elbübergang widerriet, weil der Zustand der schlesischen Festungen nicht gut genug sei, um im Falle des Mißlingens das Heer genügend sicher zu stellen.

Als die Armee am Rhein angekommen war, wurden ihm die Verrichtungen als Chef des Allgemeinen Kriegs- und Militärdepartements übertragen, er war also eigentlich Kriegsminister; später nahm er, nachdem er eine Zeit lang in Berlin gewesen war, an den ergebnislos gebliebenen Waffenstillstandsverhandlungen in Chaumont und in Lusigny teil. Nach Abschluss des Pariser Friedens erfolgte am 3. Juni 1814 seine Ernennung zum Chef des Ingenieurkorps und zum Generalinspekteur der Festungen, wodurch er an die Spitze von zwei zusammengehörenden Dienstzweigen trat, die seither nicht vereint gewesen waren.

Er begab sich nun, nachdem er den König nach England begleitet hatte, nach Berlin, kehrte aber, als der Krieg von neuem bevorstand, an die Grenze zurück, um die Festungsbauten am Rhein zu leiten. Der König schrieb ihm am 15. April, er sähe diese Aufgabe als eine so wichtige an, dass er dieselbe nur Rauchs eigenen Händen anvertrauen könne. Dazu passte nicht, dass Blücher die Absendung zahlreicher Pioniere zur Feldarmee verlangte; es führte dies zu Weiterungen zwischen den beiden Generälen. Der rasche Verlauf des Krieges ließ die Meinungsverschiedenheiten hinfällig erscheinen und Rauch konnte bald nach Berlin zurückkehren und sich der nächstvorliegenden Aufgabe einer Neugestaltung des ihm unterstellten Ingenieurkorps widmen. Es handelte sich dabei indes nicht um das Schaffen neuer Formen, sondern um die Ordnung verworrener und verwickelter Verhältnisse, sowie um eine Vermehrung der Truppen und um zahlreiche Festungsbauten. An der Herstellung der dazu erforderlichen Grundlagen hatte der Kriegsminister Hermann von Boyen einen hervorragenden Anteil; die Ausführung der Organisation im Einzelnen, die durch eine Kabinettsorder vom 27. März 1816 die königliche Genehmigung erhielt, wurde Rauch übertragen.

Die Lösung der schwierigen Aufgabe gelang ihm in vollem Maße; das Vertrauen, das der König ihm persönlich schenkte, die Vorsicht, die er insofern beobachtete, als er nur wohldurchdachte und fest begründete, die Grenzen des Erreichbaren nicht überschreitende Anträge stellte, seine eigene große Menschenkenntnis und seine Einsicht in alle einflussübenden Verhältnisse sicherten seinen Vorschlägen fast immer den Erfolg.

Grabstätte auf dem Invalidenfriedhof, Berlin

Im hohen Grade gelang es ihm, das Vertrauen und die Achtung seiner Untergebenen zu erwerben; großes Wohlwollen, strenge Rechtlichkeit und Unparteilichkeit waren die Mittel, die sie ihm verschafften. Auch die russischen Herrscher bedienten sich seines Rates; auf Wunsch des Kaisers Alexander besichtigte er 1822 die Festungen des Zarenreiches und auf den des Nachfolgers, Kaiser Nikolaus, geäußerten, dessen Krönung im Jahre 1829 er als preußischer Abgesandter beigewohnt hatte, im Jahre 1825 die polnischen. Nachdem er am 30. März 1829 zum General der Infanterie befördert, am 21. November 1831 zum Mitglied des Staatsrates ernannt worden war und am 18. Januar 1833 den Schwarzen Adlerorden erhalten hatte, wurde ihm, als Anfang 1837 General von Witzleben aus Gesundheitsrücksichten zeitweise von der Wahrnehmung der Geschäfte als Kriegsminister entbunden wurde, dessen Vertretung übertragen, am 30. Juli desselben Jahres folgte, nach Witzlebens Tode, seine endgültige Ernennung zum Staats- und Kriegsminister.

Er blieb aber nicht lange in dieser Stellung; seit Ende 1838 kränkelnd, bat er Anfang Februar 1841 um seinen Abschied, der ihm am 28. Februar gewährt wurde. Bald darauf starb er. Gustav von Rauch wurde auf dem Invalidenfriedhof in Berlin beigesetzt. Seine Ruhestätte ist heute als „Ehrengrab“ des Landes Berlin ausgewiesen. Im Jahre 1889 wurde ihm zu Ehren das 3. Pionierbataillon (1. Brandenburgisches) „von Rauch“ genannt.

Seine Tochter Rosalie von Rauch wurde am 13. Juni 1853 in Berlin in morganatischer Ehe vom Prinzen Albrecht von Preußen geheiratet und 1862 zur „Gräfin von Hohenau“ erhoben.

Literatur


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