- Kurt Riedel
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Kurt Arthur Josef Riedel (* 17. August 1903 in Schweidnitz/Niederschlesien; † vermisst seit dem 29. Januar 1945 im Raum Posen; für tot erklärt am 10. Mai 1965) war ein deutscher Polizeibeamter und SS-Führer.
Inhaltsverzeichnis
Leben und Arbeit
Jugend und Ausbildung
Kurt Riedel wurde als Sohn des Justizinspektors Artur Bernhard Josef Riedel (* 16. März 1873 in Ober Tworsimirke (seit 1921 Lindental), Kreis Militsch[1], † 27. Mai 1928 in Bad Altheide/Niederschlesien[2]) und seiner Frau Flora Maria Agnes Riedel (geb. Mücke; * 4. Juni 1878 in Schweidnitz/Niederschlesien[3], † 7. Mai 1965 in Unterhaching, Kreis München[4]) geboren. Er hatte zwei Schwestern, seine Zwillingsschwester Erna Brockelt (geb. Riedel; † 22. Januar 1986) sowie Hildegard Margarete Viktoria Riedel (* 26. August 1915 in Cosel/Oberschlesien[5]; † 22. Januar 1997 in Darmstadt).
Kurt Riedel war verheiratet mit Leonie Margarete Gertrud Ilse Riedel (geb. Brehmer; * 15. Mai 1906 in Cosel/Oberschlesien; † 18. August 1965 in Paderborn). Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor.
Nach dem Abitur im Jahr 1923 studierte Riedel zehn Semester Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität Breslau, wo er im Juni 1929 mit einer Arbeit über Schuldübernahme und Vertrag zugunsten Dritter zum Dr. jur. promovierte.
Anders als die meisten Gestapobeamten seiner Generation hatte er in seiner Jugend keinem Wehrverband oder Freikorps angehört.
Weil Riedel das 2. Staatsexamen angeblich nicht bestand und deshalb statt die juristische Laufbahn einzuschlagen in den Polizeidienst eintrat, charakterisierte ihn der israelische Historiker Shlomo Aronson 1971 als „gescheiterten Juristen“, der bei der Polizei „untergekommen“ sei. Für das durch Aronson behauptete Nicht-Bestehen des 2. Staatsexamens gibt es jedoch keinen Beleg. Aus der Rückschau gab Riedel in seinem Lebenslauf vom 8. November 1938 an, er habe sein Studium infolge des frühen Todes seines Vaters beenden müssen. Weiter habe er die „Einberufung zur Kriminalkommissarlaufbahn“ erhalten, während er noch mit seiner Doktorarbeit beschäftigt gewesen sei.
Nach dem Eintritt in die Polizei durchlief Riedel die Ausbildung zum Kriminalkommissar beim Polizeipräsidium in Breslau. Im November 1931 bestand er die Prüfung zum Kriminalkommissar beim Polizeiinstitut Berlin. In der Folge war er bei den Polizeipräsidien in Berlin und Kiel tätig.
Karriere in der Gestapo
Ende 1933 wurde Riedel ins Geheime Staatspolizeiamt (Gestapa) in Berlin berufen. Die Berufung erfolgte wohl auf Vermittlung von Günther Patschowsky, damals Leiter der Hauptabteilung III (Landesverrat und Spionageabwehr) des Gestapa, den Riedel aus seiner Breslauer Zeit kannte. Da außer Patschowsky und Riedel mit Ernst Damzog und Dr. Walter Kubitzky auffällig viele Kriminalbeamte aus Breslau in führender Stellung im Gestapa tätig waren, ist in der Forschungsliteratur auch von einer Schlesischen Gruppe in der Gestapo-Zentrale gesprochen worden, die neben der Münchener Gruppe mit Heinrich Müller, Reinhard Flesch, Josef Meisinger und Franz Josef Huber, als die wichtigste Einzelgruppe von Funktionären im Zusammenhang mit der Übernahme der Gestapo durch Reinhard Heydrich (Ernennung zum Leiter des Gestapa) und Heinrich Himmler (Übernahme der Funktion des Inspekteurs) im April 1934 gilt.
Im Gestapa leitete Riedel zunächst die Abteilung III 4 (Polen, polnische Deserteure, Danzig; auch als Polenkommissariat bezeichnet) in der Hauptabteilung III. Heinrich Orb zufolge war Riedel im Sommer 1934 „bis 1936 und wahrscheinlich später noch“ in der Unterabteilung Ost (Polen, Russland, Ungarn und alle Balkanstaaten, außerdem Ferner Osten; Abteilungsleiter: Dr. Kubitzki) der Hauptabteilung III des Gestapa als Sachbearbeiter für die Staaten Polen, Tschechoslowakei, Ungarn und die Balkanstaaten eingesetzt. „Kriminalkommissar Dr. Riedel“ sei „ein noch junger, verhältnismäßig korrekter Beamter und Mitglied der NSDAP vor 1933, jedoch kein SD-Mitglied“ gewesen.[6]
Die Behauptung, dass Riedel bereits vor 1933 NSDAP-Mitglied gewesen sei, lässt sich nicht belegen; tatsächlich sprechen sämtliche verfügbaren Archivalien dagegen. Der erhaltenen Karteikarte zufolge trat er erst mit Wirkung vom 1. Mai 1937 in die Partei ein (Mitgliedsnummer 4.546.037; Aufnahmeantrag vom 8. Juni 1937).
Der ehemalige Gestapo-Mitarbeiter Hansjürgen Koehler (evtl. ein weiteres Pseudonym des Heinrich Pfeiffer) beschrieb Riedel 1940 im britischen Exil in seiner Darstellung der Gliederung der Hauptabteilung III des Gestapa 1934 als einen „jungen, sehr korrekten Mann, groß und schlank, mit lockerer Körperhaltung und hängenden Schultern; einem glatten, ausdruckslosen Gesicht; hellem, in der Mitte gescheiteltem Haar und Augen mit einer hellen Farbe“.[7] Riedel sei ungefähr 30 Jahre alt.
Unterschiedlichen Einträgen in seinen Personalunterlagen zufolge war Riedel zwischen 181 cm und 183 cm groß.
1935 wurde Riedel für ein Jahr an die Stapostelle in Kassel versetzt, wo er, nach Aussage eines Zeitzeugen, das Referat III (Spionageabwehr) leitete.
Seit Oktober 1936 war er als lokaler Gestapochef an der Stapostelle in Oppeln tätig, wo er im November 1937 zum Kriminalrat befördert wurde.
Vom 26. Oktober bis 23. Dezember 1937 leistete Riedel seinen zweimonatigen Wehrdienst (vgl. Wiedereinführung der Wehrpflicht am 16. März 1935), den er als Kanonier d. R. und Unteroffizieranwärter beendete, bei der I./Flak-Regiment 20 (gem. mot.) in Breslau ab.
In die SS wurde Riedel am 11. September 1938 aufgenommen (Mitgliedsnummer: 310.125). Gemäß dem Prinzip der Dienstgradangleichung erhielt er den Rang eines SS-Hauptsturmführers unter gleichzeitiger Ernennung zum SS-Führer im SD-Hauptamt.
Zweiter Weltkrieg
Während des Zweiten Weltkriegs war Riedel bei den Stapostellen in Kattowitz und Stettin tätig. Am 20. April 1941 wurde ihm – zu dieser Zeit Kriminalrat bei der SD-Dienststelle bei der Staatspolizeileitstelle in Kattowitz – das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse mit Schwertern verliehen. Am 19. Mai 1941 erklärte er seinen Austritt aus der römisch-katholischen Kirche.
Am 27. Januar 1942 wurde Riedel (wahrscheinlich mit Wirkung zum 1. Februar 1942) zum Kriminaldirektor befördert. Zu diesem Zeitpunkt gehörte er bereits zur Staatspolizeileitstelle in Stettin. Riedels Beförderung zum SS-Sturmbannführer erfolgte am 26. August 1942 mit Wirkung zum 1. September 1942.
Ein Strafverfahren gegen Riedel wegen angeblichen Verstoßes gegen die Verbrauchsregelungsstrafverordnung wurde durch das SS- und Polizeigericht XXIV Stettin am 14. März 1944 eingestellt. Ihm war zuvor zur Last gelegt worden, 1941 in Kattowitz ohne Abgabe von Punkten Spinnstoffwaren bezogen zu haben bzw. durch seine Ehefrau bezogen haben zu lassen. Riedel bestritt, sich schuldig gemacht zu haben und versicherte, stets die erforderlichen Punkte abgegeben zu haben. Seine Angaben waren nach dem Ergebnis der Ermittlungen nicht zu widerlegen. Abgesehen davon hätte das Einstellungsverfahren ohnehin gem. § 21 Absatz 1 der Verbrauchsregelungsstrafverordnung erfolgen müssen, da die zur Last gelegte Tat sich lediglich als eine Übertretung im Sinne des § 2 Absatz 1 Ziffer 1 der Verbrauchsregelungsstrafverordnung dargestellt hätte.
Am 1. Juli 1944 wurde Riedel als Abteilungsleiter IV zur Einsatzgruppe G abgeordnet.
Mit Wirkung vom 5. November 1944 wurde er unter Aufhebung seiner Abordnung zum Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD (BdS) Budapest (ehem. Einsatzgruppe G beim Höheren SS- und Polizeiführer (HSSPF) Schwarzes Meer) zum BdS Krakau zur Verwendung als Leiter IV (Gestapo) beim Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD (KdS) in Warschau abgeordnet. Sein Vorgänger auf diesem Dienstposten war SS-Sturmbannführer Walter Stamm (* 25. November 1904 in Braunschweig; SS-Mitgliedsnummer: 290.041), der seit 1941 dort eingesetzt war. SS-Hauptsturmführer Gotlieb Hohmann (* 7. Januar 1907 in Remscheid) hatte den Dienstposten zwischenzeitlich für die Dauer von sechs Wochen bekleidet.
Ungeklärtes Schicksal nach 1945
Späteren Aussagen eines Augenzeugen zufolge soll Riedel „bis zum Zusammenbruch“ zur Dienststelle des KdS in Warschau gehört haben, wo er als Leiter IV eingesetzt war. Bis zum 16. Januar 1945 sei Riedel in Sochaczew stationiert gewesen, von wo aus er sich beim Einbruch der Roten Armee, zusammen mit weiteren Angehörigen seiner Dienststelle, kämpfend bis nach Posen zurückgeschlagen habe. In Posen seien diese dann durch die Rote Armee eingeschlossen worden. Nach etwa fünf Wochen sei Riedel am 22. Februar 1945 „mit einem Rest der von der Dienststelle übrig gebliebenen Beamten“ in russische Kriegsgefangenschaft geraten. Er sei dann in einem Gefangenensammellager in Posen gewesen, in dem sich insgesamt ca. 12.000 Gefangene befunden hätten. Riedel sei zu diesem Zeitpunkt „körperlich ziemlich stark mitgenommen, jedoch nicht bettlägerig krank“ gewesen. Er soll sich bei der Befragung nach seinem Herkommen darauf berufen haben, zuletzt Justizinspektor in Stettin gewesen zu sein. Da er die Verhältnisse in Stettin gut kannte, habe er geglaubt, diese Behauptung auch „einigermaßen sicher“ vertreten zu können. Etwa Ende März 1945, als ca. 3.000 Gefangene ins asiatische Russland abtransportiert wurden, sei Riedel, zusammen mit fünf oder sechs weiteren Angehörigen seiner Dienststelle, noch immer im Lager in Posen gewesen.
Nach anders lautenden Angaben eines weiteren Augenzeugen, der erst in Posen zu den weiter Genannten gestoßen sein will, habe es zwei Personen namens Riedel unter den Angehörigen der Sicherheitspolizei in Posen gegeben. Mit einem zusammen sei er in der Folge in Gefangenschaft geraten, wohingegen der andere bei einem Durchbruchsversuch gefallen sei. Ein Dr. Riedel, Angehöriger der Sicherheitspolizei im Rang eines Sturmbannführers, der den Dienstgrad Kriminalrat oder vergleichbar gehabt hätte, sei in den letzten Tagen der Verteidigung des Kernwerks von Posen, der Festung Posen, dabei gewesen. In der Nacht zum 23. Februar 1945 wäre versucht worden, aus „diesem engen Ring“ herauszukommen, was jedoch nur Wenigen gelungen sei. Unter diesen soll sich auch Dr. Riedel befunden haben. Nachdem die Festung Posen vom Kommandanten am 23. Februar 1945 um 06:00 Uhr an die Rote Armee übergeben worden war, seien die anderen Polizeiangehörigen zwei Stunden später in russische Gefangenschaft gegangen. „Einige Zeit später“, als Letztgenannte bereits im Gefangenenlager waren, seien einige derjenigen, denen der Ausbruch in der Nacht zum 23. Februar 1945 geglückt war, wieder zur Gruppe hinzugestoßen. Dabei will der Augenzeuge von einem Angehörigen der Sicherheitspolizei, „der mit Dr. Riedel schon längere Zeit zusammen war“, erfahren haben, dass Riedel während der Kämpfe, die diese kleine Abteilung mit den Russen gehabt hätte, gefallen sei. Der Augenzeuge selbst will Anfang Oktober 1945 mit einem der letzten Transporte aus Posen nach Russland abtransportiert worden sein.
Riedels letztes Lebenszeichen, ein Feldpostbrief aus Posen unter Angabe seiner neuen Feldpostnummer 123 321 D V und der Bemerkung, er wäre dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei zugeteilt worden, datiert vom 29. Januar 1945. Seitdem gilt er als vermisst.
Kurt Riedel wurde am 10. Mai 1965 für tot erklärt.
Schriften
- Schuldübernahme und Vertrag zugunsten Dritter, Breslau 1929. (Dissertation)
Literatur
- Shlomo Aronson: Reinhard Heydrich und die Frühgeschichte von Gestapo und SD, 1971.
Einzelnachweise
- ↑ Geburts- und Taufschein Jahrgang 1873 Nr. 12, Abschrift des Kath. Pfarramts Freyhan vom 27. Juli 1939
- ↑ S.R. Dr. Bauch - Praktischer Arzt - Ärztliche Todesbescheinigung, Bad Altheide den 27. Mai 1928
- ↑ Geburts-Haupt-Register des Standesamts zu Schweidnitz, Geburtsurkunde Nr. 329 vom 6. Juni 1878, Auszug vom 11. August 1902, Abschrift vom 4. November 1936
- ↑ Standesamt Unterhaching - Sterbeurkunde Nr. 9/1965 vom 7. Mai 1965
- ↑ Taufbuch Pfarrkirche Cosel/Oberschlesien, Abschrift Taufzeugnis vom 10. März 1936
- ↑ Heinrich Orb: 13 Jahre Machtrausch, 1945, S. 147.
- ↑ Hansjürgen Koehler: Inside the Gestapo. Hitler's Shadow over the World, 1940, S. 40. Im Original: “Dr. Riedel is tall and slim, bears himself a little loosely, with bent shoulders; he has a smooth, expressionless face ; fair hair parted in the middle and eyes of light colour.“
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