Hans Leuss

Hans Leuss

Hans Leuss, auch Leuß (* 10. Dezember 1861 auf Spiekeroog; † 28. September 1920 in Neustrelitz)[1] war ein deutscher Publizist, Schriftsteller und Politiker.

Inhaltsverzeichnis

Jugend und frühe Politik

Leuß war nach Besuch des Gymnasiums und einer kaufmännischen Lehre seit 1878 Schriftsteller. 1883 bis 1892 war er Redakteur verschiedener Zeitungen wie Volk und Neue Zeit und danach zwei Jahre freischaffend. Mit 30 Jahren zunächst fraktionsloser Reichstagsabgeordneter, schloss er sich der Deutschsozialen Reformpartei an. Bei der Reichstagswahl 1893 hatte die Deutschsoziale Partei vier Mandate (Liebermann von Sonnenberg, Paul Förster, Adolf König und Hans Leuss) gewonnen.

Neben sozial-nationaler und Liberalismus-kritischer Einstellung war Leuß anfangs auch Antisemit, publizierte entsprechend und wurde in jüdisch-deutschen Blättern aufmerksam kommentiert.[2] In seinem Buch Das richtige Wanzenmittel geht er 1893 davon aus, dass „die kommenden Auseinandersetzungen zwischen den europäischen Staaten innerstaatlich auch die Auseinandersetzung mit den Juden bringen wird und innerhalb 25 Jahren der letzte Jude Deutschland verlassen haben sollte“.

Zuchthaus

In seinem Scheidungsverfahren 1894 sollte Leuß unter Eid aussagen, ob er mit einer verheirateten Frau in ehebrecherischem Verkehr gestanden habe. Er leugnete dies und da das Gegenteil vom Gericht als wahrscheinlich angenommen wurde, verurteilte man ihn wegen Meineids zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe. Am 20. Dezember 1894 verzichtete er zwangsläufig auf sein Reichstagsmandat. Im Frühjahr 1898 wurde Leuß, der nun 3½ Jahre im Zuchthaus Celle inhaftiert gewesen war und dort als Bibliothekskalfaktor[3] gearbeitet hatte, entlassen.

1899 veröffentlichte er den Gedichtband Humanis homo! Verse eines Strafgefangenen und 1903 sein Hauptwerk Aus dem Zuchthause in dem er das kaiserliche Strafrechtssystem als völlig untauglich darstellte. Das Buch war ein großer Erfolg, es musste noch im gleichen Jahr eine zweite Auflage gedruckt werden, 1904 eine dritte, 1907 erschien eine gekürzte Volksausgabe. Thomas Mann diente es als Hauptquelle für sein Dossier Gefangenschaft, das er ursprünglich in Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull einzuarbeiten gedachte.[4] Leuß publizierte danach eine Anzahl Artikel zu Strafrechtsreformen im Sinne von Franz von Liszt sowie weitere Bücher.

SPD

Möglicherweise kam Leuß über den Vorwärts zur SPD; die Judenfrage und seine Person waren Gegenstand auf deren Parteitag 1903. Nach seiner Inhaftierung wandte er sich jedoch vermehrt den Ansichten Franz Mehrings zu.[5]

1906 verklagte er Maximilian Harden, der als Herausgeber der Zukunft Leuß’ Werk Wilhelm Freiherr von Hammerstein kritisiert hatte.[6] Zu dieser Zeit lebte Leuß in Potsdam.

Eine Klage wegen Majestätsbeleidigung brachte ihm sein 1914 veröffentlichtes Buch Wilhelm der Letzte ein, in dem er dem Thronerben voraussagt, dass sein Vater Wilhelm II. der letzte seiner Dynastie sein könnte. Zu sechsmonatiger Haft verurteilt, wurde er allerdings durch den Beginn des Ersten Weltkrieges amnestiert. Auch dieses Buch wurde mehrfach aufgelegt.

Mit dem Zusammenbruch des Kaiserreiches engagierte sich Leuß wieder in der Politik, wurde 1919 Fraktionsvorsitzender der SPD im Landtag Mecklenburg-Strelitz, sowie Mitherausgeber von Die Welt am Montag. Nach dem Spartakusaufstand beteiligte er sich im Sommer 1919 als MSPDler an einem Versuch der Zentralstelle für Einigung der Sozialdemokratie (ZfE), die durch den Friedensvertrag von Versailles und die Kriegsschuldfrage (Deutschland wurde zum Alleinschuldigen erklärt) eingetretene Spaltung der Partei in MSPD und USPD zu überwinden. Dazu fand er Zeit mit Konrad Haenisch ein Buch über Philipp Scheidemann zu verfassen.

Werke

  • Das richtige Wanzenmittel. Ein jüdischer Staat. Beyer, Leipzig 1893
  • Humanis homo! Gedichte eines Strafgefangenen. In: Die Gesellschaft. XVI, Dresden undLeipzig 1899
  • Aus dem Zuchthause. Verbrecher und Strafrechtspflege. In: Leo Berg (Hrsg.): Kulturprobleme der Gegenwart. Band VII, Verlag von Johannes Räde, Berlin 1903
  • Zur Volkskunde der Inselfriesen. In: H. Singer (Hrsg.): Globus. Illustrierte Zeitschrift fuer Länder- und Völkerkunde. 84. Band, Verlag Fr. Vieweg und Sohn, Braunschweig 1903. S. 202–206, 223–225
  • Wilhelm Freiherr von Hammerstein. 1881–1895 Chefredakteur der Kreuzzeitung. Auf Grund hinterlassener Briefe und Aufzeichnungen. Walther, Berlin 1905.
  • Gejrönte Sanguiniker. Historische Parallelen. Walther, Berlin 1906
  • Wilhelm der Letzte. Eine Vorhersage aus 1914. Verlag für Volksaufklärung Koch & Jürgens, Berlin
  • mit Konrad Haenisch: Philipp Scheidemann. Schwetschke, Berlin 1919

Aufsätze:

  • Psychologisches zum Indizienbeweis. In: Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform. Band 10, 1914, S. 367–371.
  • Das Verbrechen als sozial-pathologische Erscheinung. In: Neue Zeit (1899–1900), Band XVIII, Nr. i, S. 213 ff.
  • Disziplin in Strafanstalten. In: Neue Zeit. 18. Jahrgang, Nr. i. S. 783–820.

Weblinks

Quellen

  1. Hrsg. Wilhelm Kosch: Deutsches Literatur-Lexikon. Stuttgart 1947–1958
  2. Zeitschrift Im deutschen Reich. Zeitschrift des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens. Harrwitz-Verlag, Berlin, Jahrgang 1897, Heft 9, September 1897, S. 445 (Digitalisat)
  3. Birgit Kreutzahler: Das Bild des Verbrechers in Romanen der Weimarer Republik. Dissertation, Universität Hamburg, 1986.
  4. Kultur Stadt Zürich
  5. Lars Fischer: The Socialist Response to Antisemitism in Imperial Germany. Cambridge University Press, 2006
  6. Vossische Zeitung, Gerichtliches, (Morgen-Ausgabe) 1. Februar 1906, S. 6.

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