- Reichstagswahl 1893
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Die Reichstagswahl 1893 war die Wahl zum 9. Deutschen Reichstag. Sie fand am 15. Juni 1893 statt.
Die Wahlbeteiligung lag bei etwas über 72% und damit unwesentlich höher als bei der Reichstagswahl 1890.
Die Wahl war notwendig geworden, nachdem der Reichstag auf Wunsch von Reichskanzler Leo von Caprivi am 6. Mai 1893 aufgelöst worden war. Wie schon bei der Reichstagsauflösung 1887 war eine Heeresvorlage der Regierung der Anlass für die Auflösung. Caprivi hatte eine erneute Erhöhung der Heeresstärke auf rund 500.000 Mann geplant und war damit im Reichstag gescheitert: Sozialdemokraten, eine Mehrheit des Zentrums und ein Teil der Freisinnigen Partei lehnten die Vorlage ab. Die Freisinnigen spalteten sich daraufhin in die Freisinnige Volkspartei und die Freisinnige Vereinigung auf.
Die Wahl endete mit einem knappen Sieg für die regierungstreuen sogenannten „Kartellparteien“ (Deutschkonservative, Freikonservative und Nationalliberale). Erneut zulegen konnten die inzwischen vom Sozialistengesetz befreiten Sozialdemokraten, die nach Stimmenanteil nun deutlich stärkste Partei waren, und die Antisemiten. Verluste mussten die gespaltenen Liberalen hinnehmen. Insgesamt war der Reichstag zunehmend zersplittert. Durch das weitere Ausbleiben einer Wahlkreisreform führte das Mehrheitswahlrecht zu starken Verzerrungen zwischen tatsächlichem Stimmenanteil und Fraktionsgröße.
Der neue Reichstag nahm die Heeresvorlage der Regierung schließlich mit knapper Mehrheit (201 Stimmen) an.
Inhaltsverzeichnis
Ergebnisse
Politische Richtung Parteien Wählerstimmen Gewonnene Wahlkreise[1] in Mio. Anteil ggüb. 1890 absolut Anteil ggüb. 1890 Konservative Deutschkonservative Partei (DKP) 1,038 13,5 % +1,1 % 72 18,1 % −1 Deutsche Reichspartei (DRP) 0,438 5,7 % −1,0 % 28 7,1 % +8 Liberale Rechts- Nationalliberale Partei (NLP) 0,997 13,0 % −3,3 % 52 13,2 % +11 Unabhängige Liberale n/a n/a n/a 2 0,5 % −1 gemäßigt Freisinnige Vereinigung (FSV) 0,258 3,4 % (-3,9%) 13 3,3 % (−29) Links- Freisinnige Volkspartei (FVp) 0,666 8,7 % 241) 6,0 % Deutsche Volkspartei (DtVP) 0,167 2,2 % +0,2 % 11 2,8 % +1 Katholiken Zentrumspartei 1,469 19,1 % +0,5 % 96 24,2 % −10 Sozialisten Sozialdemokraten (SPD) 1,787 23,3 % +3,6 % 442) 11,1 % +9 Regionalparteien,
MinderheitenDeutsch-Hannoversche Partei (DHP) 0,102 1,3 % −0,3 % 7 1,8 % −4 Polen 0,230 3,0 % −0,4 % 19 4,8 % +3 Dänen 0,014 0,2 % ±0,0 % 1 0,3 % ±0 Elsaß-Lothringer 0,115 1,5 % ±0,1 % 8 2,0 % −2 Bayerischer Bauernbund (BB) 0,081 1,1 % +1,1 % 4 1,0 % +4 Antisemiten Deutsche Reformpartei (Ref) 0,264 3,4 % +2,7 % 123) 2,8 % +8 Deutschsoziale Partei (DSP) 2 1,0 % +1 parteilos 24) 0,3 % +2 Sonstige 0,048 0,6 % +0,7 % - - ±0 Gesamt 7,674 100 % 397 100 % Anmerkungen
In fünf Fällen gewann ein Kandidat gleichzeitig zwei Wahlkreise. In einem solchen Fall konnte das Mandat nur für einen der beiden Wahlkreise angenommen werden und in dem anderen Wahlkreis wurde eine Nachwahl durchgeführt.
- 1)Albert Traeger gewann sowohl den hessischen Wahlkreis Bingen als auch den oldenburgischen Wahlkreis Jever. Er nahm das Mandat in Jever an.
- 2)August Bebel gewann sowohl den Wahlkreis Hamburg I als auch den Wahlkreis Straßburg-Stadt. Er nahm das Mandat in Straßburg an.
- 3)Oswald Zimmermann gewann sowohl den Wahlkreis Dresden links der Elbe als auch den hessischen Wahlkreis Lauterbach. Er nahm das Mandat in Dresden an. Ludwig Werner gewann in der Provinz Hessen-Nassau sowohl den Wahlkreis Hofgeismar als auch den Wahlkreis Hersfeld. Er nahm das Mandat in Hersfeld an.
- 4)Hermann Ahlwardt gewann sowohl den brandenburgischen Wahlkreis Arnswalde als auch den pommerschen Wahlkreis Neustettin. Er nahm das Mandat in Arnswalde an.
Gewählte Abgeordnete nach Wahlkreisen
In jedem der insgesamt 397 Wahlkreise wurde nach absolutem Mehrheitswahlrecht ein Abgeordneter gewählt. Wenn kein Kandidat im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreichte, wurde eine Stichwahl zwischen den beiden bestplatzierten Kandidaten durchgeführt. In den folgenden Tabellen werden die Wahlkreissieger und ihre im amtlichen Endergebnis genannte Parteistellung angegeben.[1]
Preußen
Bayern
Sachsen
Württemberg
Baden
Großherzogtum Baden 1 Konstanz, Überlingen, Stockach Friedrich Hug Zentrum 2 Donaueschingen, Villingen Hermann von Hornstein DKP 3 Waldshut, Säckingen, Neustadt im Schwarzwald Joseph Schuler Zentrum 4 Lörrach, Müllheim Ernst Blankenhorn NLP 5 Freiburg, Emmendingen Ludwig Marbe Zentrum 6 Lahr, Wolfach Friedrich Schaettgen Zentrum 7 Offenburg, Kehl Maximilian Wilhelm Reichert Zentrum 8 Rastatt, Bühl, Baden-Baden Franz Xaver Lender Zentrum 9 Pforzheim, Ettlingen Georg Frank NLP 10 Karlsruhe, Bruchsal Markus Pflüger FVp 11 Mannheim Ernst Bassermann NLP 12 Heidelberg, Mosbach Carl Emil Weber NLP 13 Bretten, Sinsheim Wilhelm von Douglas DKP 14 Tauberbischofsheim, Buchen Rudolf von Buol-Berenberg Zentrum Hessen
Großherzogtum Hessen 1 Gießen, Grünberg, Nidda Philipp Köhler Antisemiten (Ref) 2 Friedberg, Büdingen, Vilbel Waldemar von Oriola NLP 3 Lauterbach, Alsfeld, Schotten Oswald Zimmermann Antisemiten (Ref) 4 Darmstadt, Groß-Gerau Arthur Osann NLP 5 Offenbach, Dieburg Carl Ulrich SPD 6 Erbach, Bensheim, Lindenfels, Neustadt im Odenwald Otto Hirschel Antisemiten (Ref) 7 Worms, Heppenheim, Wimpfen Cornelius von Heyl zu Herrnsheim NLP 8 Bingen, Alzey Albert Traeger FVp 9 Mainz, Oppenheim Franz Jöst SPD Kleinstaaten
Elsaß-Lothringen
Reichsland Elsaß-Lothringen 1 Altkirch, Thann Landolin Winterer Elsaß-Lothringer 2 Mülhausen Fernand Bueb SPD 3 Kolmar Jacques Preiß Elsaß-Lothringer 4 Gebweiler Joseph Guerber Elsaß-Lothringer 5 Rappoltsweiler Ignatius Simonis Elsaß-Lothringer 6 Schlettstadt Otto Pöhlmann DKP 7 Molsheim, Erstein Hugo Zorn von Bulach DKP 8 Straßburg-Stadt August Bebel SPD 9 Straßburg-Land August Bostetter NLP 10 Hagenau, Weißenburg Alexander zu Hohenlohe-Schillingsfürst DKP 11 Zabern Johannes Hoeffel DRP 12 Saargemünd, Forbach Jean Colbus Elsaß-Lothringer 13 Bolchen, Diedenhofen Julius Joseph Neumann Elsaß-Lothringer 14 Metz Marie Bernhard Haas Elsaß-Lothringer 15 Saarburg, Chateau-Salins Peter Küchly Elsaß-Lothringer Die Fraktionen des 9. Reichstags
Im 9. Reichstag schlossen sich mehrere Abgeordnete nicht der Fraktion ihrer eigentlichen Partei an und blieben zum Teil fraktionslos. Vier DHP-Abgeordnete traten der Zentrumsfraktion bei. Da in fünf Fällen Abgeordnete ein Doppelmandat gewonnen hatten, jedoch nur das Mandat für einen Wahlkreis annehmen konnten, umfasste der Reichstag am Beginn der 9. Legislaturperiode nur 392 Mitglieder. Zunächst besaßen die Reichstagsfraktionen die folgende Stärke:[2]
Zentrum 99 Deutschkonservative 68 Nationalliberale 52 Sozialdemokraten 43 Deutsche Reichspartei 27 Freisinnige Volkspartei 22 Polen 19 Freisinnige Vereinigung 13 Deutsche Volkspartei 11 Deutsche Reformpartei 10 Fraktionslose 28 Im weiteren Verlauf der Legislaturperiode änderte sich aufgrund von Nachwahlen und Fraktionswechseln mehrfach die Stärke der einzelnen Fraktionen.[3]
Siehe auch
Literatur
- Reibel, Carl-Wilhelm: Handbuch der Reichstagswahlen 1890-1918. Droste Verlag, Düsseldorf 2007, ISBN 978-3-7700-5284-4.
Weblinks
- Statistisches Jahrbuch des Deutschen Reichs
- Wahlen in Deutschland bis 1918, dort:
- Deutsche Geschichte in Dokumenten und Bildern, dort:
Einzelnachweise
- ↑ a b Kaiserliches Statistisches Amt (Hrsg.): Vierteljahreshefte zur Statistik des Deutschen Reichs, Zweiter Jahrgang, Heft 4. Berlin 1893.
- ↑ Reichstagshandbuch 1893. Münchener Digitalisierungszentrum, S. 266, abgerufen am 20. November 2009 (pdf).
- ↑ Reichstagshandbuch 1893, Nachtragsband 1896. Münchener Digitalisierungszentrum, abgerufen am 20. November 2009 (pdf).
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