Deutschsoziale Reformpartei

Deutschsoziale Reformpartei

Die Deutschsoziale Reformpartei (DSRP) war eine antisemitische Partei im deutschen Kaiserreich, die zwischen 1894 und 1900 als Zusammenschluss der Deutschsozialen Partei und der Deutschen Reformpartei bestand.

Inhaltsverzeichnis

Zusammenschluss

Nach dem Erfolg der Antisemiten bei der Reichstagswahl von 1893, in der sie 16 Mandate gewonnen hatten, bemühten sich ihre Führer um die Bildung einer gemeinsamen Partei und Fraktion. Auf dem Parteitag in Eisenach am 7. Oktober 1894 schlossen sich die Deutschsoziale Partei und die Deutsche Reformpartei zur Deutschsozialen Reformpartei (DSRP) zusammen.

Vereinigung als Zweckgemeinschaft

Auf einem Parteitag in Erfurt vom 20. und 21. Oktober 1895 wurde ein Parteiprogramm beschlossen, wonach die DSRP auf deutsch-nationalem, monarchischem und christlichen Boden stehen und den wachsenden Einfluss des Judentums in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht bekämpfen wollte.

Der Zusammenschluss führte nicht zu einer organisatorischen und programmatischen Vereinheitlichung, sondern diente eher dazu, den Fraktionsstatus der Antisemiten im Reichstag zu sichern. Die radauantisemitischen Agitatoren Otto Böckel und Hermann Ahlwardt wurden 1895 aus Partei und Fraktion ausgeschlossen, woraufhin sie erfolglos versuchten, die Antisemitische Volkspartei neu zu gründen. Innerhalb der DSRP bekämpften sich der deutschsoziale Parteiflügel um Max Liebermann von Sonnenberg und die "Reformer" unter Oswald Zimmermann. Während die Deutschsozialen eine enge Anlehnung an die Deutschkonservative Partei, den Bund der Landwirte, den Deutschnationalen Handlungsgehilfenverband und den Alldeutschen Verband als Teil einer konservativ- nationalistischen Sammlungspolitik befürworteten ("Deutschkartell"), plädierten die "Reformer" für einen selbständigeren Kurs. Während die Deutschsozialen eher agrarisch orientiert waren, vertraten die "Reformer" eher mittelständische Interessen. Dementsprechend uneinheitlich gestaltete sich das Abstimmungsverhalten der antisemitischen Fraktion.

Rassenantisemitismus

Den gemeinsamen Nenner der verschiedenen Richtungen bildete die "Judenfrage". Im Gegensatz zur Christlichsozialen Partei Adolf Stoeckers bekannte sich die DSRP offen zum Rassenantisemitismus und forderte die Rücknahme oder zumindest drastische Einschränkung der Judenemanzipation. Erklärtes Ziel war es, die Juden unter Fremdenrecht zu stellen; allerdings wurden, so im Programm des Parteitages von 1899 in Hamburg, auch Vertreibung oder erstmals in der Geschichte gar Vernichtung in Erwägung gezogen (siehe auch Endlösung der Judenfrage).

Hochburgen der DSRP

Ihre Hochburgen hatte die DSRP im Großherzogtum Hessen, in der preußischen Provinz Hessen-Nassau und im Königreich Sachsen, wo sie den Großteil ihrer Reichstagsmandate gewann und den Einzug in Landesparlamente und Stadtverordnetenversammlungen schaffte. Ansonsten verfügte die DSRP nur in Hamburg, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Pommern über eine nennenswerte Anhänger- und Wählerschaft. In Süddeutschland war die Partei kaum aktiv, in katholischen Regionen und in Großstädten (mit Ausnahme von Hamburg, Dresden, Chemnitz und Leipzig) konnte sie nicht Fuß fassen. Die Mitgliederzahl der DSRP dürfte unter 10.000 gelegen haben. Sie verfügte über einige Tageszeitungen darunter "Deutsche Wacht" (Dresden), "Staatsbürgerzeitung" (Berlin), "Deutsches Blatt" (Hamburg). Die monatlich erscheinenden "Deutschsozialen Blätter" (Leipzig) bildeten eine Art Parteizeitung.

Reichstagswahl 1898

Bei der Reichstagswahl 1898 konnten Kandidaten der DSRP zehn Wahlkreise gewinnen:

Spaltung der Partei

Nach der Reichstagswahl von 1898, die als Niederlage empfunden wurde, nahmen die Flügelkämpfe zu. Liebermann von Sonnenberg versuchte durch die Zusammenlegung von Fraktions- und Parteiführung die Kontrolle über die Gesamtpartei zu gewinnen. Auf dem Magdeburger Parteitag im September 1900 sprachen die Delegierten ihm das Misstrauen aus. Daraufhin trat Liebermann von Sonnenberg mit einigen Anhängern aus und gründete die Deutschsoziale Partei neu. Die Deutschsoziale Reformpartei, unter der Führung Zimmermanns, beschloss auf ihrem Parteitag im Oktober 1903, sich fortan wieder Deutsche Reformpartei zu nennen.

Reichstagswahlergebnisse

Wahlergebnisse der antisemitischen Parteien, bzw. Parteibündnisse 1887- 1912

RT-Wahl St.-Anteil % Mandate
1887 0,2 1
1890 0,7 5
1893 3,4 16
1898 3,6 13
1903 2,5 11
1907 3 20
1912 2,4 10


1887-93 DSP, AVP (bzw. DRP), CSP; 1898 DSRP, CSP; 1903 DSP, DRP, CSP; ab 1907 WV (= DSP, CSP, BdL, BBB), DRP

Angaben nach Scheil, Die Entwicklung des politischen Antisemitismus, S.130ff.

Literatur

  • Bergmann, Werner: Völkischer Antisemitismus im Kaiserreich Aus: Puschner, Uwe; Schmitz, Walter; Ulbricht, Justus H. (Hrsg.): Handbuch zur Völkischen Bewegung 1871- 1918 München u.a. 1996. S. 449- 463.
  • Broszat, Martin: Die antisemitische Bewegung im wilhelminischen Deutschland Köln 1952.
  • Düwell, Kurt: Zur Entstehung der deutschen Antisemitenparteien in Deutschland und Österreich Christlich- sozial - National - Deutsch- sozialistisch Aus: Ginzel, Günther B. (Hrsg.): Antisemitismus Erscheinungsformen der Judenfeindschaft gestern und heute Köln 1991. S. 170-180.
  • Fricke, Dieter: Antisemitische Parteien 1879- 1894 Aus: Fricke, Dieter (Hrsg.): Die bürgerlichen Parteien in Deutschland Handbuch der Geschichte der bürgerlichen Parteien und anderer bürgerlicher Interessenorganisationen vom Vormärz bis zum Jahre 1945, Bd.1 Leipzig 1968. S. 36-40.
  • Fricke, Dieter: Deutschsoziale Reformpartei (DSRP) 1894- 1900 Aus: Fricke, Dieter (Hrsg.): Die bürgerlichen Parteien in Deutschland Handbuch der Geschichte der bürgerlichen Parteien und anderer bürgerlicher Interessenorganisationen vom Vormärz bis zum Jahre 1945, Bd.1 Leipzig 1968. S. 759-762.
  • Fricke, Dieter: Deutschsoziale Partei 1900- 1914 Aus: Fricke, Dieter (Hrsg.): Die bürgerlichen Parteien in Deutschland Handbuch der Geschichte der bürgerlichen Parteien und anderer bürgerlicher Interessenorganisationen vom Vormärz bis zum Jahre 1945, Bd.1 Leipzig 1968. S. 754-756.
  • Fricke, Dieter: Deutsche Reformpartei 1900- 1914 Aus: Fricke, Dieter (Hrsg.): Die bürgerlichen Parteien in Deutschland Handbuch der Geschichte der bürgerlichen Parteien und anderer bürgerlicher Interessenorganisationen vom Vormärz bis zum Jahre 1945, Bd.1 Leipzig 1968. S. 429- 431.
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  • Kasischke, Daniela: Die antisemitische Bewegung in Hamburg während des Kaiserreichs 1873- 1918 Aus: Herzig, Arno (Hrsg.): Die Juden in Hamburg 1590- 1990 Hamburg 1991. S. 475-485.
  • Klein, Thomas: Der preußisch- deutsche Konservatismus und die Entstehung des politischen Antisemitismus in Hessen- Kassel (1866- 1893) Ein Beitrag zur hessischen Parteiengeschichte Marburg 1995.
  • Knauß, Erwin: Der politische Antisemitismus im Kaiserreich (1871- 1900) unter besonderer Berücksichtigung des mittelhessischen Raumes In: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins, 53/54. Jg. (1969), S. 43-68.
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  • Reibel,Carl-Wilhelm: Handbuch der Reichstagswahlen 1890-1918, Droste Verlag, Düsseldorf 2007, ISBN 978-3-7700-5284-4.
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  • Riquarts, Kurt- Gerhard: Der Antisemitismus als politische Partei in Schleswig- Holstein und Hamburg 1871- 1914 Kiel 1975.
  • Scheil, Stefan: Aktivitäten antisemitischer Parteien im Großherzogtum Baden zwischen 1890 und 1914 In: ZGO 141 (1993), S. 304-335.
  • Scheil, Stefan: Die Entwicklung des politischen Antisemitismus in Deutschland zwischen 1881 und 1912 Eine wahlgeschichtliche Untersuchung Berlin 1999. (= Beiträge zur politischen Wissenschaft Bd.107)
  • Schlotzhauer, Inge: Ideologie und Organisation des politischen Antisemitismus in Frankfurt am Main 1880- 1914 Frankfurt a.M. 1989. (= Studien zur Frankfurter Geschichte Bd.28)
  • Smith, Helmut Walser: Alltag und politischer Antisemitismus in Baden 1890- 1900 In: ZGO 141 (1993), S. 280- 303.
  • Straßheim, Peter: Die Reichstagswahlen im 1. Kurhessischen Reichstagswahlkreis Rinteln- Hofgeismar- Wolfhagen von 1866 bis 1914 Eine Wahlanalyse Frankfurt a.M. 2001.
  • Wawrzinek, Kurt: Die Entstehung der deutschen Antisemitenparteien (1873- 1890) Berlin 1927.
  • Weidemann, Thomas: Politischer Antisemitismus im deutschen Kaiserreich Der Reichstagsabgeordnete Max Liebermann von Sonnenberg und der nordhessische Wahlkreis Fritzlar-Homberg-Ziegenhain Aus: Bambey, Hartwig (Hrsg.): Heimatvertriebene Nachbarn Beiträge zur Geschichte der Juden im Kreis Ziegenhain Schwalmstadt 1993. S. 113-184.

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