Heiratspolitik der Habsburger

Heiratspolitik der Habsburger
Hochzeit von Erzherzog Karl und Zita von Bourbon-Parma auf Schloss Schwarzau, in Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph I. (links) Oktober 1911

Die Heiratspolitik der Habsburger ist eng verknüpft mit dem Motto Bella gerant alii, tu felix Austria nube. (deutsch: „Kriege mögen andere führen, Du – glückliches Österreich – heirate!“), welches die Vorgehensweise treffend charakterisiert. Das vollständige Distichon lautet „Bella gerant alii, tu felix Austria nube. Nam quae Mars aliis, dat tibi diva Venus.“ (deutsch: „Kriege führen mögen andere, du glückliches Österreich heirate. Denn was Mars den anderen, gibt dir die göttliche Venus.“)

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund und Herkunft des Mottos

Dieses Zitat ist die erste (Hexameter-)Zeile eines Distichons, welche Bezug nimmt auf Ovids Heroides (13,82). Dort heißt es: Bella gerant alii, Protesilaos amet. (deutsch: „Kriege führen mögen andere, Protesilaos soll lieben.“)

Im Vorfeld des Trojanischen Krieges prophezeite ein Orakelspruch den Tod jenes Griechen, welcher als erster trojanischen Boden betreten wird. Der Held Protesilaos wurde, nachdem er nach seiner Hochzeit mit Laodameia nach Troja aufgebrochen war, durch die Hand Hektors getötet. Die Götter gewährten ihm trotz seines Todes eine Rückkehr zu seiner Gemahlin, welche er für wenige Stunden lieben durfte. Aus Liebe folgte Laodameia ihrem Gemahl in den Tod.

Verschiedene Auslegungen von „…tu felix Austria, nube!

Der Vers „…tu felix Austria, nube!“ kann auf verschiedene Art und Weisen verstanden werden. Auf der einen Seite drückt er das Geschick der Habsburger aus, Bündnisse, Territorialerweiterungen etc. durch günstige Eheschließungen zu erreichen. Auf der anderen Seite kann er auch als Spottvers verstanden werden, welcher gerade diese Vorgehensweise als mangelnde Fähigkeit, Ziele durch kriegerische Auseinandersetzung oder politisches Vorgehen umzusetzen, kritisiert.

Anwendung als Spottvers durch Matthias Corvinus

Eine Möglichkeit der Umformulierung des Ovid-Zitats ist Matthias Corvinus, dem ungarischen König (1458 bis 1490), zuzuschreiben, der als Gegenspieler des kriegsscheuen Kaisers Friedrich III. zu verstehen ist. Trotz seiner langen Regierungszeit gilt Friedrich III. politisch gesehen als eher schwacher Kaiser. Gleichwohl handelte er mit Karl dem Kühnen die Heirat zwischen seinem Sohn Maximilian, dem späteren Kaiser Maximilian I., und Maria von Burgund aus. Durch diese Heirat 1477 wurden die Niederlande, welche hohe finanzielle Kraft besaßen, für das Haus Habsburg erworben. Das Haus Habsburg stieg somit zur europäischen Großmacht auf. Der Territorienerwerb sollte das Reich gegen die Bedrohung durch Frankreich stärken.

Ein weiteres Beispiel für die Verhinderung einer kriegerischen Auseinandersetzung anhand einer Heirat ist die Eheschließung der Tochter Friedrichs III., Kunigunde von Österreich, und dem Herzog Albrecht von Bayern. Albrecht nahm widerrechtlich Reichslehen in Anspruch und hielt um Kunigundes Hand an mit dem „Kompromiss“, Friedrich III. könne dieses Reichslehen Kunigunde als Mitgift mit in die Ehe geben. Um einen Krieg aus dem Wege zu gehen, stimmte Friedrich III. diesem Vorschlag zu.

Wahlspruch Maximilians I.

Bernhard Strigel: Kaiser Maximilian und seine Familie. Maximilian I. prägte die Heiratspolitik seiner Dynastie maßgebend.

Eine andere Möglichkeit, das Ovid-Zitat zu deuten, ist, die Heiratspolitik der Habsburger als besonderes Geschick zu verstehen. Ein gutes Beispiel hierfür liefert die Gestalt Maximilians I., Sohn Friedrichs III. Aus der Ehe mit Maria von Burgund gingen zwei Kinder hervor: Philipp „der Schöne“, der spätere Philipp I., und Margarethe von Österreich. Durch die antifranzösische Allianz mit Spanien wurde die Doppelhochzeit zwischen Philipp dem Schönen und Juana von Spanien und zwischen Margarethe und Juan von Spanien arrangiert. Diese Doppelhochzeit sollte beiden Mächten als enges Bündnis gegen Frankreich dienen. Durch eine Verkettung von Todesfällen aller spanischen Thronfolger fiel das Erbe der spanischen Könige nach dem Tod Ferdinands II. von Aragon auf Juanas und Philipps Sohn Karl, den späteren Karl V. Dadurch stieg das Haus Österreich zur europäischen Hegemonialmacht auf. Zugleich entzündete sich an der seiner Heirats- und Bündnispolitik der über 200 Jahre währende Habsburgisch-französische Gegensatz.

Ein Beispiel der Heiratspolitik während der Renaissance waren die drei Töchter von Kaiser Ferdinand I. (1503–1564) und der jagiellonischen Prinzessin Anna (1503–1547). Damals hatte Italien mit seinen reichen Städten einen besonderen politischen, wirtschaftlichen sowie kulturellen Stellenwert. Erzherzogin Eleonore musste 1534 den mit einer Wirbelsäulenverkrümmung leidenden Guglielmo Gonzaga heiraten, die Ehe galt jedoch für die damalige Zeit als relativ glücklich. Ihre Schwester Erzherzogin Barbara musste Alfonso II. d'Este heiraten, die Ehe blieb jedoch kinderlos und Barbara verstarb im Jahre von 33 Jahren an Tuberkulose. Die dritte Schwester Erzherzogin Johanna wurde an Francesco de Medici verheiratet, der jedoch die Affaire mit seiner Mätresse Bianca Cappello weiter aufrecht hielt. Nach dem Tod von Johanna heiratete er Bianca als zweite Ehefrau.[1]

Das Kunsthistorische Museum zeigte eine Ausstellung im Schloss Ambras über die Heiratspolitik der Habsburger im Herbst 2010.

Persönlichkeiten habsburgischer Heiratspolitik

Im vorangehenden Teil wurden bereits einige dynastische Eheschließungen beschrieben, deren Folgen günstig zum Aufstieg der Habsburger beitrugen. Der folgende Teil soll weitere „Fälle“ von Heiraten beschreiben, mit welchen die Intention der Erweiterung der habsburgischen Erblande oder der Bekräftigung von Bündnissen verbunden ist.

Maria Theresia als Heiratsstifterin

Königin Marie Antoinette und ihre Kinder (Porträt von Élisabeth Vigée-Lebrun)

Auch Maria Theresia versuchte durch günstige Eheschließungen ihrer Kinder den politischen Einfluss an fremden oder weit entfernten Höfen auszuweiten. Die Heiraten sollten den habsburgischen Erblanden Bündnisse mit anderen Dynastien zum Beistand gegen Preußen in Form von Friedrich II. schaffen. Hier seien zwei Beispiele herausgegriffen.

Maria Theresias Tochter Maria Karolina wurde 1768 mit König Ferdinand I. von Neapel-Sizilien verheiratet. Durch die Verbindung mit dem Bourbonen erhoffte sich Maria Theresia nicht nur Machtzuwachs für das Haus Österreich, sondern auch eine bessere Kommunikation der beiden Dynastien. Zu dieser Zeit herrschte das Haus der Bourbonen über Frankreich, Spanien, Neapel-Sizilien und Parma. Maria Theresia wies ihren Töchtern die Rolle einer Herrschergattin zu. Dazu gehörten Repräsentation, Unterhaltung und Zurückhaltung. Diese Pflichten übte Maria Karolina nur teilweise aus. Sie engagierte sich politisch (soweit dies für eine Herrschergattin möglich war) und förderte die Eigenständigkeit Neapel-Siziliens, welches zur damaligen Zeit in großer Abhängigkeit zu Spanien stand. Dieser Einsatz lag nicht in der Absicht Maria Theresias. Der Briefwechsel zwischen ihr und Maria Karolina zeigt die Unzufriedenheit Maria Theresias über das Verhalten ihrer Tochter, welches nicht Maria Theresias Plänen entsprach. Ähnlich verhält es sich mit der Entwicklung Marie Antoinettes am französischen Hof.

1770 wurde die fünfzehnjährige Marie Antoinette, die jüngste Tochter Maria Theresias, mit dem französischen Dauphin Ludwig, dem späteren Ludwig XVI., verheiratet. Die dahinter liegende Absicht war Einflussnahme auf die französische Politik des Königs Ludwig XV. und später auf die Ludwigs XVI. Maria Theresia versprach sich auch durch diese Verbindung Beistand gegen den Erzfeind aus Preußen. Zur Erfolgsanalyse dieses Unternehmens kann auch hier der Briefwechsel zwischen Mutter und Tochter herangezogen werden. Maria Theresia kritisiert den Lebensstil ihrer Tochter und die mangelnde Ausübung ihrer Pflichten. Sie ermahnt Maria Antoinette ihr luxuriöses Leben einzuschränken, ihre Gebete sorgsam zu sprechen und ihren Aufgaben als Tochter Österreichs am französischen Hof nachzukommen.

Marie Louise von Österreich und Napoléon Bonaparte

Kaiserin Marie Louise und ihr Sohn Napoleon, König von Rom (Porträt von François Gérard)

Für die Eheschließung mit Marie Louise von Österreich ließ Napoleon Bonaparte die Ehe mit seiner bisherigen Gemahlin Joséphine im Jahr 1810 wegen Kinderlosigkeit scheiden. Mit dieser Heirat waren große Erwartungen geknüpft. Auf der einen Seite beabsichtigte Franz I., Kaiser von Österreich und Marie Louises Vater, eine Festigung des französisch-österreichischen Bündnisses. Napoléon hingegen erhoffte sich durch diese Verbindung die Legitimation seines französischen Kaiserreiches und den langersehnten Thronerben. Marie Louise war mit ihrem Schicksal als Kaiserin von Frankreich an Napoléons Seite weniger zufrieden. Sie verabscheute Napoléon und bezeichnete ihn als Antichristen. Dennoch fügte sie sich dieser Entscheidung und heiratete Napoléon am 1. April 1810 in Paris. Metternich sprach den treffenden Satz „Kann man zwischen dem Untergang einer ganzen Monarchie und dem persönlichen Unglück einer Prinzessin wählen?“ Die Meinungen über die Heirat zwischen Marie Louise von Österreich und Napoléon Bonaparte erstreckten sich über die Hoffnung auf Frieden bis hin zu Empörung über diese nationale Demütigung.

Einzelnachweise

  1. Edith Schlocker: Schloss Ambras: Des Kaisers unglückliche Töchter. Die Presse, 25. Juli 2010, abgerufen am 26. Juli 2010 (Die Ausstellung "Nozze italiane" illustriert die Heiratspolitik der Habsburger. Im Zentrum stehen drei nach Italien verheiratete Töchter Ferdinands I.).

Literatur

  • Alfred von Arneth (Hrsg.): Maria Theresia und Marie Antoinette. Ihr Briefwechsel. Leipzig 1866
  • Rainer Babel: Zwischen Habsburg und Bourbon. München 1986
  • Heinz-Dieter Heimann: Die Habsburger. Dynastie und Kaiserreiche. München 2004
  • Manfred Hollegger: Maximilian I. (1459–1519). Herrscher und Mensch einer Zeitenwende. Stuttgart 2005
  • Thea Leitner: Habsburgs verkaufte Töchter. Wien 1987
  • Karl Nehring: Matthias Corvinus, Kaiser Friedrich III. und das Reich. Zum hunyadisch-habsburgischen Gegensatz im Donauraum. München 1975
  • Eva Maria Roschitz: Das System der habsburgischen Heiraten zur Zeit Maximilians I. Graz 1972
  • Adam Wandruszka: Maria Theresia. Die große Kaiserin. Göttingen 1980

Weblinks

  • Nozze Italiane. Kunsthistorisches Museum, 2010, abgerufen am 26. Juli 2010 (Österreichische Erzherzoginnen im Italien des 16. Jahrhunderts).

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Habsburger — Das Kleine Wappen des österreichischen Kaisers 1806–1915 bestand aus einem Doppeladler samt Zepter, Schwert und Reichsapfel und der über ihm schwebenden Kaiserkrone; auf des Adlers Brust lag das „gen …   Deutsch Wikipedia

  • Habsburger Reich — Das Kleine Wappen des österreichischen Kaisers 1806–1915 bestand aus einem Doppeladler samt Zepter, Schwert und Reichsapfel und der über ihm schwebenden Kaiserkrone; auf des Adlers Brust lag das „gen …   Deutsch Wikipedia

  • Heiratspolitik — Als Heiratspolitik bezeichnet man die Taktik vieler Herrscher, durch die Verheiratung ihrer Kinder ihr Einflussgebiet durch außen und innenpolitisch möglichst sinnvolle familiäre Verbindung von Herrscherhäusern auszuweiten. Motive dieser Politik… …   Deutsch Wikipedia

  • Habsburger — I Habsburger   Die Voraussetzungen für den Aufstieg des Hauses Österreich zu europäischer Großmachtstellung schuf Kaiser Friedrich III. durch die Eheverbindung seines Sohnes Maximilian mit Maria, der Erbin Herzog Karls des Kühnen von Burgund… …   Universal-Lexikon

  • Habsburgische Heiratspolitik — Maximilian I. von Habsburg Die Heiratspolitik der Habsburger ist eng verknüpft mit dem Motto Bella gerant alii, tu felix Austria nube. – „Kriege mögen andere führen, Du – glückliches Österreich – heirate!“, welches die Vorgehensweise treffend… …   Deutsch Wikipedia

  • Friedrich V. von der Pfalz — Repräsentationsgemälde Friedrichs V.; dargestellt im Harnisch, Kurmantel sowie mit Wenzelskrone, Reichsapfel und Zepter in den Händen; Kurschwert und Kurhut neben ihm; als Zeichen der …   Deutsch Wikipedia

  • Reich der Deutschen — Kaiser und Reich i …   Deutsch Wikipedia

  • Ungarn: Von der »Geißel Europas« zum Vorposten des Abendlandes —   Die Herkunft der Magyaren   Die Magyaren zählen zusammen mit den Wogulen und Ostjaken zum östlichen Zweig der finnougrischen Sprachgruppe. Sie hatten ihre ursprünglichen Wohnsitze in der Mischwald und Waldsteppenzone beiderseits des Ural. Von… …   Universal-Lexikon

  • Liste der Herrscher von Burgund — Inhaltsverzeichnis 1 Königreich der Burgunden 2 Das fränkische Teilreich Burgund 3 Königreich Burgund (Arelat) 3.1 Niederburgund (Cisjuranien) und …   Deutsch Wikipedia

  • Ferdinand der Katholische — Ferdinand II. von Aragón Ferdinand, der Katholische (* 10. März 1452 in Sos; † 23. Januar 1516 in Madrigalejo) war als Ferdinand II. König von Sizilien und Sardinien, 1479–1504 und 1506–1516 als Ferdinand V. auch König von Kastilien und León …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”