- Herbert Grötzsch
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Camillo Herbert Grötzsch[1] (* 21. Mai 1902 in Döbeln; † 15. Mai 1993 in Halle) war ein deutscher Mathematiker, der sich vor allem mit Funktionentheorie und Graphentheorie beschäftigte.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Camillo Herbert Grötzsch wurde 1902 in Döbeln geboren. Sein Vater Emil Camillo Grötzsch, der 1898 bei Sophus Lie promovierte, war Mathematiklehrer, zuletzt am Realgymnasium in Crimmitschau als Oberstudiendirektor. Grötzsch besuchte die Realgymnasien in Döbeln und Crimmitschau und studierte von 1922 bis 1926 Mathematik an der Universität Jena bei Paul Koebe, dem er auch an die Universität Leipzig folgte, wo er 1929 als Koebes Assistent promovierte („Über konforme Abbildung unendlich vielfach zusammenhängender schlichter Bereiche mit endlich vielen Häufungsrandkomponenten“). 1931 habilitierte er sich an der Universität Gießen[2]. Dort war er ab 1930 Assistent und danach Privatdozent, wurde aber 1935 entlassen, weil er bei der zwangsweisen Eingliederung des „Jungstahlhelms“ in die SA die Mitgliedschaft verweigerte. Bis 1939 war er in Leipzig Mitarbeiter von J. C. Poggendorffs Handwörterbuch und wurde dann zur Artillerie eingezogen. Nach Fronteinsatz wurde er nach einer Nierenerkrankung 1942 im Heimatdienst verwendet und arbeitete 1944 in Göttingen am Aerodynamischen Institut an der Berechnung von Strahltriebwerken. Da die Universität Gießen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zunächst von den amerikanischen Besatzungskräften geschlossen wurde, wirkte er ab 1945 an der Universität Marburg, an der er zunächst Hilfskraft, dann Assistent und 1947 außerplanmäßiger Professor wurde.[3] Ab 1948 war er Professor an der Universität Halle,[4] wo er bis zu seiner Emeritierung 1967 blieb. Ab 1959 war er Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina.[5] 1967 erhielt er den Nationalpreis der DDR zweiter Klasse.
Grötzsch ist vor allem für seine Arbeiten zur geometrischen Funktionentheorie in den 1930er Jahren bekannt. Insbesondere war er der Begründer der Theorie der quasikonformen Abbildungen (ab 1928[6]). Während bei konformen Abbildungen infinitesimal Kreise auf Kreise abgebildet werden, werden sie bei quasikonformen Abbildungen allgemeiner auf Ellipsen abgebildet. Das in elementaren geometrischen Überlegungen fußende Konzept der quasikonformen Abbildungen erwies sich danach in der Hand von Grötzsch, Lars Ahlfors, Oswald Teichmüller und anderen als sehr wirksam, um davor als sehr schwierig eingestufte Extremalprobleme konformer Abbildungen anzugreifen.
Schon während seiner Militärzeit und nach dem Krieg befasste er sich hauptsächlich mit Kombinatorik (Graphentheorie) und elementarer Zahlentheorie. 1959 bewies er, dass jeder dreiecksfreie ebene Graph mit drei Farben färbbar ist. Der „Grötzsch-Graph“ ist ein nicht-ebenes Beispiel eines Dreiecks-freien Graphen, der nur mit mindestens vier Farben färbbar ist. Nach 1960 publizierte er nichts mehr. Den Festvortrag zu seinem 75. Geburtstag hielt Lipman Bers.
Grötzsch war ab 1951 mit Annemarie Jung verheiratet, der Tochter des Hallenser Mathematikers Heinrich Jung, mit der er drei Kinder hatte.
Literatur
- Reiner Kühnau: Herbert Grötzsch zum Gedächtnis. Jahresbericht Deutscher Mathematikerverein, Band. 99, 1997, S. 122-145 (1997)
- ders. Einige neuere Entwicklungen bei quasikonformen Abbildungen. Jahresbericht DMV 1992
- Horst Tietz: Herbert Grötzsch in Marburg. Jahresbericht Deutscher Mathematikerverein, Bd. 99, 1997, S.146-148
Weblinks
Anmerkungen
- ↑ Das „ö“ wird gedehnt ausgesprochen.
- ↑ Vorher hatte er es in Tübingen bei Konrad Knopp versucht, der ihn aber nach eigenen Worten ziemlich herablassend behandelte.
- ↑ Bei unveränderten Bezügen, wie Tietz mitteilt; man beförderte ihn nicht, da man seine ärmliche Kleidung für unpassend hielt. Seine Vorlesungen waren laut Tietz bei den Studenten sehr beliebt.
- ↑ zunächst „Professor mit vollem Lehrauftrag“, ab 1965 „Professor mit Lehrstuhl“
- ↑ Er war nie Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften.
- ↑ Grötzsch „Über die Verzerrung bei schlichten nicht-konformen Abbildungen und über eine damit zusammenhängende Erweiterung des Picardschen Satzes“, Sitzungsberichte sächs. Akad. Wiss., Math-Phys. Klasse, Bd. 80, 1928, S. 503-507
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