Hermann Kreutzer

Hermann Kreutzer
Hermann Kreutzer im Gespräch mit dem Berliner Bürgermeister Klaus Schütz

Hermann Kreutzer (* 3. Mai 1924 in Saalfeld, Thüringen; † 28. März 2007 in Berlin) war politischer Häftling im Nationalsozialismus und in der DDR, deutscher Politiker und Publizist.

Werdegang

Der aus einem sozialdemokratischem Elternhaus stammende Kreutzer engagierte sich als Jugendlicher frühzeitig in Flugblätteraktionen gegen das NS-Regime, wurde dabei erstmals mit 17 Jahren inhaftiert und wegen „Wehrkraftzersetzung“ zu zehn Jahren Haft verurteilt. Ab 1945 beteiligte Hermann Kreutzer sich mit seinem Vater aktiv an der Wiedergründung der SPD in Thüringen und am Aufbau des Kreisverbandes Saalfeld.

1946 kämpfte er in der Sowjetischen Besatzungszone gegen die Bestrebungen einer Vereinigung von SPD und KPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Er geriet dabei auch auf einem Jugendseminar in Camburg früh persönlich mit dem späteren SED-Parteivorsitzenden Erich Honecker aneinander, der dort als FDJ-Chef für die Einheit der Arbeiterparteien warb. Nachdem die von der sowjetischen Besatzungsmacht gestützte Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED nicht verhindert werden konnte, engagierte Kreutzer sich weiter illegal in der sozialdemokratischen Untergrundarbeit Thüringens und für das Ostbüro der SPD in West-Berlin.

1947 wird Hermann Kreutzer, seine spätere Ehefrau und sein Vater wegen „konterrevolutionärer Umtriebe“ von einem sowjetischen Militärtribunal zu 25 Jahren Haft verurteilt, die ihn abermals als politischer Häftling in die Zuchthäuser Brandenburg und Bautzen führte.

1956 erfolgte auf Druck der Bundesregierung die Haftentlassung und die Übersiedlung nach Berlin (West). In Berlin (West) wird Kreutzer sofort wieder in der SPD aktiv, wirkte über viele Jahre als SPD-Kreisvorsitzender im Bezirk Berlin-Tempelhof, wird dort Bezirksverordneter und später Bezirksstadtrat für Soziales. 1967 wechselte Kreutzer auf Wunsch von Herbert Wehner als Ministerialdirektor ins Gesamtdeutsche, später Innerdeutsche Ministerium der Bundesregierung. Er zeichnete dort vor allem als Referatsleiter für Freikäufe von politischen Häftlingen aus der DDR verantwortlich.[1] 1968 gründete Kreutzer den Kurt-Schumacher-Kreis, eine Organisation von politischen Häftlingen und Flüchtlingen aus der DDR, deren Sprecher er wurde. Ab 1970 war Kreutzer als Vertreter des Berlin-Bevollmächtigten der Bundesregierung Egon Bahr tätig.

1979 verursachte seine Behauptung in westdeutschen Rundfunkräten, der SPD, Gewerkschaften, sowie den Kirchen wäre 10.000 bis 12.000 Einflussagenten der DDR tätig, als er zudem einige Parlamentarier namentlich der Einflussargententätigkeit bezichtigte, erhoben diese Dienstaufsichtsbeschwerde gegen ihn.[2] Ende 1980 kritisierte Kreutzer öffentlich den Kurs seiner Partei, offizielle Gespräche mit der SED aufzunehmen, nachdem er schon zuvor mit dem SPD-Parteivorsitzenden Willy Brandt zunehmend wegen dessen Ostpolitik in Konflikt geriet. Kreutzer wurde daraufhin dienstlich in den Ruhestand versetzt und wenige Monate später wegen eines Wahlaufrufs für die CDU aus der SPD ausgeschlossen.[3]

Kreutzer gehörte zudem dem Arbeitskreis 1951 an, dem die Handhabung des Radikalenerlasses nicht scharf genug war.[1]

Der Kurt-Schumacher-Kreis organisierte sich unter Kreutzer neu und wurde Bestandteil der 1982 gegründeten Gesellschaft für soziale Demokratie e. V., einer Organisation von nun meist ehemaligen SPD-Mitgliedern, die zuvor im den rechten Flügel der Sozialdemokratie präsentierenden Fritz-Erler-Kreis aktiv waren.

Kreutzer und der Kurt-Schumacher-Kreis bemühten sich in der Folgezeit mit Veranstaltungen, Publikationen und einer eigenen Bibliothek um eine Aufarbeitung der Geschichte der SED-Diktatur, der Wahrnehmung der Interessen in der DDR verfolgter Sozialdemokraten und kämpften gegen jegliche Kooperation zwischen SPD und SED. Nach der Deutschen Einheit wurde jede Zusammenarbeit mit der SED-Nachfolgepartei PDS abgelehnt.

In den 1990er Jahren engagierte sich Kreutzer neben seinen Vorträgen über die Hafterfahrungen in der DDR darüber hinaus auch für eine Ehrung der Schauspielerin und Sängerin Marlene Dietrich, insbesondere aufgrund ihrer konsequenten Haltung gegen die Nationalsozialisten.

Veröffentlichungen

  • Hermann Kreutzer, Manuela Runge: Ein Koffer in Berlin / Marlene Dietrich – Geschichten von Politik und Liebe. Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-7466-8075-1

Einzelnachweise

  1. a b Am leeren Schreibtisch. In: Der Spiegel. Nr. 32, 1980, S. 22f (online).
  2. G. H.: Die Justiz, die Politiker und die Schriftsteller – Ratten und Fliegen – Münchner Freibriefe für Hetzkampagnen. In: Die Zeit, Nr. 50/1979
  3. Abends radikal. In: Der Spiegel. Nr. 10 Nachwahl-Version, 1983, S. 57f (online).

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