- Heysel-Katastrophe
-
Die Heysel-Katastrophe, die sich am 29. Mai 1985 ereignete, war eine der größten Katastrophen in der Geschichte des Fußballs. Vor dem Endspiel um den Europapokal der Landesmeister 1984/85 zwischen dem FC Liverpool und Juventus Turin im Heysel-Stadion in Brüssel stürmten Anhänger Liverpools den neutralen Fansektor, welcher mehrheitlich von italienischen Fans gefüllt war. 39 Menschen wurden getötet, 454 verletzt.
Inhaltsverzeichnis
Die Katastrophe
Schon am Mittag hatten alkoholisierte Fans in der Stadt randaliert. Bereits eine Stunde vor Anpfiff fingen die Anhänger von Juventus an, die Polizisten im Stadion mit Steinen und Leuchtraketen zu gefährden. Die Anhänger des FC Liverpool antworteten mit Schmähgesängen und bengalischen Feuern. Zwei Juventus-Fans stürmten auf den Rasen. Um 19.45 Uhr versuchten mehrere hundert Fans des FC Liverpool – angestachelt von den Provokationen – den benachbarten Block zu stürmen. Im Block Z standen vor allem italienische Fans. Die flüchtenden Juventus-Fans gerieten in Panik. Viele von ihnen wurden gegen eine Mauer gedrückt, welche mehrere Minuten später zusammenfiel und eine Mehrheit der insgesamt 39 Opfer unter sich begrub.
Der Skandal
Die italienischen Fans erhielten die Tickets in Block Z von einem italienischen Reisebüro, dieses wiederum von einem korrupten UEFA-Offiziellen. Die Fans durften eigentlich nicht in Block Z stehen, dort sollten sich nur neutrale Zuschauer befinden. Das Stadion erfüllte die Anforderungen der UEFA für ein Europapokal-Endspiel nicht. Zudem war Block Z nur unzureichend gesichert. Es gab als Abgrenzung lediglich einen schwachen Maschendrahtzaun, den man ohne größeren Kraftaufwand problemlos niederdrücken konnte. Die Mauer, die auf die Fans niederstürzte, war außerdem schon brüchig. Polizisten waren im Block Z selbst gar nicht anwesend.
Das Spiel
Die Partie wurde dennoch vom Schweizer Schiedsrichter André Daina mit einer Stunde und 27 Minuten Verspätung angepfiffen. Der Europäische Fußballverband UEFA, der Bürgermeister von Brüssel und die Polizeileitung entschlossen sich aus Sicherheitsgründen dazu. Dies geschah gegen den Willen der meisten Akteure. Das Spiel endete 1:0 für Juventus. Michel Platini verwandelte einen Strafstoß, was allerdings völlig in den Hintergrund geriet. Viele TV-Stationen, darunter das ZDF, brachen ihre Direktübertragung ab. Im Fall des ZDF wurde jedoch anschließend zum Teil kritisiert, dass die Live-Übertragung erst am Ende der ursprünglich vorgesehenen Sendezeit für die Fußballübertragung beendet wurde. Insofern wurde das Spiel selbst zwar nicht gezeigt, dafür aber die vorangegangenen tragischen Ereignisse in voller Länge live übertragen.
Konsequenzen
Die Mehrzahl der Toten waren Italiener (31). Des Weiteren starben sieben Belgier und ein Franzose. Von insgesamt 26 an Belgien ausgelieferten Hooligans wurden 14 zu Haftstrafen bis zu drei Jahren verurteilt. Belgien zahlte den Hinterbliebenen rund 1,25 Millionen Euro Entschädigung.
Alle englischen Fußballklubs wurden für fünf Jahre von allen internationalen Wettkämpfen ausgeschlossen, der FC Liverpool sogar für sieben Jahre. Auch Juventus Turin und der belgische Fußballverband wurden mit Strafen der UEFA belegt.
Nach der Heysel-Katastrophe wurde die Brüsseler Arena neu gebaut und am 23. August 1995 mit dem Spiel Belgien-Deutschland (1:2) als König-Baudouin-Stadion wiedereröffnet. Auf der Tribünen-Rückseite erinnert eine Gedenktafel an die Tragödie. Genau zwanzig Jahre nach der Katastrophe wurde eine 60 Quadratmeter große Sonnenuhr-Skulptur zum Gedenken der Opfer der Stadionkatastrophe von 1985 eingeweiht. Der Designer des Objekts, der Franzose Patrick Rimoux, erklärte, dass italienische und belgische Steine sowie ein englisches Gedicht verwendet würden, um das Bedauern der drei betroffenen Nationen zum Ausdruck zu bringen.
Diese Katastrophe führte einerseits auch zu baulichen Veränderungen in anderen Stadien, besonders in Ländern, in denen große Turniere oder bedeutende Spiele (UEFA Champions League, UEFA-Cup) stattfinden, und andererseits zu einer anderen Ticketierung, insbesondere bei der WM 2006. So verschwanden aus den Stadien die Zäune, die zuvor die Zuschauer daran hindern sollten, auf das Spielfeld zu gelangen, mit der Konsequenz, dass z. B. gelegentlich Flitzer auf das Spielfeld gelangen. Ferner dürfen bei bedeutenden internationalen Spielen nur noch Sitzplätze angeboten werden, was insbesondere bei eingefleischten Fans abgelehnt wird. Durch die Personalisierung der Eintrittskarten soll zudem verhindert werden, dass bekannte Hooligans ins Stadion gelangen. Weiterhin soll durch eine gesteigerte Attraktivität der Stadien eine neue Klientel (Frauen, Familien) gewonnen werden. Bei wichtigen Spielen, z. B. während der Weltmeisterschaften, zu denen viele ausländische Fans anreisen, kommt es auch verstärkt zur Zusammenarbeit der jeweiligen Polizeibehörden, die soweit geht, dass Polizisten die Fans aus ihrem Land bis in das jeweilige Land, in dem die Spiele stattfinden, begleiten und an neuralgischen Punkten präsent sind.
In Folge dieser Maßnahmen verlagerten sich die Auseinandersetzungen zwischen den Hooligans teilweise in die Innenstädte (s. Lens bzw. Daniel Nivel) oder in osteuropäische Stadien, in denen die Sicherheitsvorkehrungen noch nicht in dem Maße umgesetzt wurden.
Vergleichbare Ereignisse
Bei einem Massenansturm auf einen verschlossenen Ausgang kamen am 23. Juni 1968 in einem Fußballstadion in Buenos Aires 74 Menschen um, 150 wurden verletzt.
Beim Zusammenbruch einer Tribüne starben am 2. Januar 1971 in Glasgow während des sogenannten Old Firm zwischen den Rangers und Celtic 66 Menschen.
Am 8. Februar 1981 kam es nach dem Fußballmeisterschaftsspiel Olympiakos Piräus gegen AEK Athen auf den Zuschauerrängen zu einem Massensturz. 21 Menschen starben, über 50 wurden verletzt.
Dramatische Szenen spielten sich am 20. Oktober 1982 im Moskauer Luschniki-Stadion gegen Ende des UEFA-Cup-Spiels von Spartak Moskau gegen den HFC Haarlem ab. Aufgrund des mäßigen Zuschauerinteresses öffneten die Stadionverantwortlichen nur eine Tribüne und einen Zugang. Als in der Nachspielzeit ein weiteres Tor fiel, stürmten viele Fans, die das Stadion bereits verlassen hatten, zurück auf die Tribüne und trafen dabei auf zahlreiche Zuschauer, die ihrerseits das Stadion gerade verlassen wollten. In der folgenden Massenpanik wurde der einzig offene Stadionzugang zur tödlichen Falle. Nach offiziellen Angaben starben 66 Menschen. Andere Quellen (z.B. der Fußball-Weltatlas) sprechen von weit über 300 Opfern.
Beim Brand einer Holztribüne am 11. Mai 1985 kamen im Fußball-Stadion von Bradford 56 Menschen ums Leben (Valley-Parade-Feuerkatastrophe).
Im Jahr 1989 war das Hillsborough-Stadion in Sheffield der Schauplatz der Hillsborough-Katastrophe, als 96 Fans des FC Liverpool während eines Halbfinalspiels des FA Cup zu Tode gedrückt wurden.
Am 11. April 2001 kam es in Südafrika beim Spiel zwischen den Kaizer Chiefs und den Orlando Pirates im Ellis-Park-Stadion von Johannesburg zu einer Massenpanik, als im völlig überfüllten Stadion eine Tribüne zusammenbrach und 43 Menschen ums Leben kamen. Grund dafür war, dass es keinen Kartenvorverkauf gab und so viel zu viele Personen zum Stadion angereist waren. Kurzerhand wurden einige Ordner vom Stadion abgezogen, um auf dem Parkplatz als Einweiser zu fungieren. Folglich konnten die Menschenmassen unkontrolliert ins Stadion eindringen, bis es schließlich zu dieser Tragödie kam.
Am 9. Mai 2001 kam es in Accra, Ghana zu einer Panik im Fußballstadion mit 130 Toten.
Bei dem WM-Qualifikationsspiel Elfenbeinküste gegen Malawi am 29. März 2009 kamen 19 Menschen nach einem Mauereinsturz und einer daraus resultierenden Massenpanik ums Leben, 130 wurden verletzt. Die Tragödie fand im Houphouet-Boigny-Stadion statt.[1]
Quellennachweise
Weblinks
- Wiedersehen 20 Jahre nach dem Drama im Heysel-Stadion (Artikel der Welt am Sonntag zum ersten erneuten Aufeinandertreffen von Juventus und Liverpool)
- Ein bißchen Frieden nach der Tragödie von Heysel (Welt-Artikel zum selben Thema)
- Europas schwarze Fußballnacht (Artikel bei Spiegel Online)
- Videos von der Katastrophe (Engl.)
Wikimedia Foundation.