Homosexualität in Israel

Homosexualität in Israel

Homosexualität ist in Israel wie in den meisten Demokratien legal und wird gesellschaftlich überwiegend akzeptiert. Israel ist seit 2001 zudem das einzige Land der Region mit einem Antidiskriminierungsgesetz. Derzeit wird in der israelischen Gesellschaft das Thema der rechtlichen Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Paaren kontrovers diskutiert.

Inhaltsverzeichnis

Legalität

Israel, Türkei, Jordanien, Zypern sind die einzigen Länder im Nahen Osten, in denen homosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen im Privaten weder illegal sind, noch verfolgt werden. Strafgesetze bestehen in Israel nicht.

Antidiskriminierungsgesetze

Israel ist seit 2001 das einzige Land in der Region mit einem Antidiskriminierungsgesetz. In ganz Asien gibt es nur in Japan, Thailand und Taiwan eine vergleichbare Regelung. Die israelische Armee nimmt jeden Bewerber ohne Unterscheidung der sexuellen Orientierung, seitdem 1993 unter Ministerpräsident Jitzchak Rabin die Vorschriften liberalisiert wurden, so dass der Grundsatz gilt: "homosexuals are entitled to serve in the military as are others"[1].

Lebenspartnerschaften/Ehe

Israel ist das einzige Land im Nahen Osten mit einer breiten Unterstützung für die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe. Ein ausländischer homosexueller Partner/in eines/r Israelis/n bekommt seit dem Jahr 2000 - auch ohne juristische Verpartnerung - zunächst ein zeitlich befristetes Wohnrecht in Israel, das nach Jahren in den unbefristeten Status und schließlich in die israelische Staatsbürgerschaft umgewandelt werden kann.[2] Seit 2002 kann man in Tel Aviv seine homosexuelle Partnerschaft eintragen lassen und bekommt zusätzliche kommunale Vergünstigungen.[3]. Ein Gerichtsurteil des Obersten Gerichts vom 21. November 2006 legt fest, dass im Ausland geschlossene "Homo-Ehen" Gültigkeit haben.[4] Homosexuelle Paare haben Steuerprivilegien wie heterosexuelle Paare sowie das Adoptionsrecht. Dabei muss in Israel die homosexuelle Partnerschaft nur glaubhaft gemacht werden, während eine offizielle juristische Verpartnerung nicht erforderlich ist.

Im November 2005 wurde einer lesbischen Ehefrau die Adoption des Kindes ihrer Partnerin erlaubt, welches durch einen anonymen Samenspender gezeugt wurde. Dieser Entscheid wurde von den jüdisch-orthodoxen Parteien stark kritisiert, welche jedoch im Parlament in der Minderheit sind.

Entwicklung der gesellschaftlichen Situation homosexueller Menschen

Die sogenannten Sodomie-Gesetze aus der britischen Mandatszeit stellten Homosexualität bis 1988 unter Strafe. 1953 und 1972 gab der israelische Generalstaatsanwalt jedoch Anweisungen, diese Paragraphen bei Erwachsenen nicht anzuwenden

1975 gründet sich die SPPR (Society for the Protection of Personal Rights), um für die Rechte von Schwulen und Lesben zu kämpfen. Die immer noch aktive Gruppe wurde später in Agudah umbenannt.[5] (אגודה „Verband“)

Seit 1993 hatte die homosexuelle Gemeinschaft in Yael Dayan, Parlaments-Abgeordnete für die sozialdemokratische Awoda und Tochter des Generals Moshe Dayan, eine aktive Fürsprecherin.

Internationale Aufmerksamkeit erhielt die israelische LGBT-Community 1998 durch den Sieg der transsexuellen Dana International beim Eurovision Song Contest.

2002 wurde Professor Uzi Even für die sozialistische Partei Meretz als erster offen schwuler Abgeordneter in das Parlament Knesset gewählt. Dieser hatte sich als Major der Reserve bereits zuvor für die Gleichbehandlung in der israelischen Armee einsetzt.

Lee Walzer hält in seinen Buch " Between Sodom and Eden" fest, dass sowohl zur Regierungszeit des Likud Block, als auch unter der Labor Partei weitreichende Verbesserungen für die Lesben und Schwulen in Politik und Recht errungen wurden. "Israel's lesbian and gay community has achieved far-reaching political and legal victories under both Likud- and Labor-led governments."[6]

Aktuelle gesellschaftliche und politische Situation

Tel Aviv Gay Pride

Israel hat eine aktive Schwulen-Community, die seit 1998 jährlich einen Gay Pride in Tel Aviv und seit 2002 in Jerusalem organisiert.[7] Die Parade in Jerusalem zog im Jahr 2005 international Aufmerksamkeit auf sich, als ein jüdischer Extremist drei Teilnehmer der Parade mit einem Messer verletzte.[8] Er wurde zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Der Versuch des Bürgermeisters von Jerusalem, die Parade zu verhindern, wurde im Juni 2005 gerichtlich angefochten. Der Bürgermeister verlor den Prozess und musste die Veranstaltung finanziell unterstützen.

Im August 2006 wurde in Jerusalem der World Pride gefeiert.

Seit 2006 wird in Tel Aviv jährlich das queere Tel Aviv GLBT Film Festival[9] gefeiert.

GLBT-Zentren für die queere Community sind in Tel Aviv – das vom Stadtrat finanzierte – GLBT Community Center[10] (auch "Bayit Lavan" (Weißes Haus) genannt) im Gan (Park) Me'ir und in Jerusalem das Jerusalem Open House (Bayit Patuach), das sich in der 1. Etage eines Hauses in der HaSoreqStr. 2 befindet.

Die israelische Botschaft in Berlin ließ im Jahre 2010 Broschüren verteilen, in denen sie als offizielles Vertretung des demokratischen Staates damit wirbt, dass "Tel Aviv [...] aufgrund seiner Offenheit auch gegenüber Homosexuellen als Schwulenhauptstadt des Nahen Ostens gilt".[11]

Israel gehörte im November 2010 zu der Minderheit der Staaten, die in der UN-Vollversammlung für die Ächtung der Todesstrafe auch aus Gründen der sexuellen Orientierung stimmten[12]. Im März 2011 unterzeichnete Israel mit 85 anderen Staaten eine UN-Erklärung, die Gewalt gegen Menschen abweichender sexueller Orientierung ablehnt[13].

Die Lage in der arabischen Gesellschaft Israels und der besetzten Gebiete

Die Araber, die israelische Staatsbürger sind und mehr als 20 % der Bevölkerung ausmachen, erleben – vor allem im dörflichen Umfeld – eine starke Ablehnung. Eine offene Unterstützung durch ihre gewählten arabischen Abgeordneten dürfen sie nicht erwarten. So befürwortete Tawfiq Khatib ausdrücklich eine Ausgrenzung von Homosexuellen: "Ich bin froh, dass die [arabische] Gemeinschaft diese Abartigen ausstößt. Sie sollen sich wie Fremde bei uns fühlen."[14]

In den Palästinensischen Autonomiegebieten, in denen für die inneren Angelegenheiten eigene arabische Beamte zuständig sind und Israel sich nur die militärische Kontrolle vorbehält, ist Homosexualität nach dem britisches Mandatsrecht strafbar.[15][16] In wie weit dies in konkrete staatliche Verfolgung mündet, ist nicht bekannt; die Behörden und politischen Gruppierungen tendieren dazu, das Thema zu ignorieren. Allerdings wird von Übergriffen, Folter und Morden von Polizeistationen und Todesschwadronen berichtet.[17][18] Viele fliehen deshalb illegal nach Israel und enden oft obdachlos – Schätzungen zufolge sind es etwa 500 – auf den Straßen.[19]

1995 ließ Ministerpräsident Jitzchak Rabin einem Palästinenser aus dem Gazastreifen das dauerhafte Aufenthaltsrecht in Israel erteilen, damit dieser mit seinem israelischen Partner zusammenleben konnte.[20] Ganz ähnlich gewährte 2008 die israelische Militärverwaltung einem schwulen Palästinenser aus dem autonomen Jenin die Genehmigung, sich in Israel aufzuhalten und mit seinem israelisch-jüdischen Partner in Tel Aviv zu leben.[21], was die Behörde ausdrücklich als Ausnahme bezeichnete.

2001 gründete sich die palästinensische Homosexuellen-Gruppe Al-Qaws[22] (deutsche Übersetzung: "Der Regenbogen"), die unter den Arabern in Israel und in den Autonomiegebieten agiert. Sie arbeitet mit dem Jerusalem Open House zusammen.

Zeitschriften

„HaIr beVarod“ (העיר בורוד - „Die Stadt in Rosa“), in Tel Aviv erscheinende Monatszeitschrift, 1996 unter dem Namen „HaSeman HaVarod“ ("Die rosa Zeit") gegründet und heute zur Verlagsgruppe der Zeitschrift Haaretz gehörend.

Literatur

  • Danny Kaplan: Brothers and Others in Arms. The Making of Love and War in Israeli Combat Units, New York/London/Oxford 2003, ISBN 1-56023-365-6
  • Lee Walzer: Between Sodom and Eden. A gay journey through today's changing Israel, New York 2000, ISBN 0-231-11395-1 Entwicklung der gesellschaftlichen Wahrnehmung der Homosexualität in Israel bis 1999

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Homosexualität in Israel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

gaylawnet.com: Rechtliche Situation in Israel

Berichte

  • Yossi Klein Halevi, übersetzt von Leo Bauer: Flüchtlingsstatus – Bericht über schwules Leben in Palästina, im Original erschienen am 19. August 2002 in The New Republic und am 19. September 2002 in East Bay Voice (deutsch)
  • Chas Newkey Burden: Tel Aviv, the final gay frontier – Kurzbericht über das schwule Leben in Israel, 8. Januar 2007 (englisch)

Informationsseiten

Einzelnachweise

  1. Lee Walzer: Between Sodom and Eden. A gay journey through today's changing Israel, New York 2000, S.118
  2. Gaylawnet, Kapitel "Asylum, Immigration, Refugees"
  3. Yam,Yehoshua: Tel Aviv grants gay couples eligibility for benefits Artikel vom 3. Oktober 2002 in: HaAretz
  4. Queer.de: Israel: Schwule als Ehe-Partner anerkannt, 31. Januar 2007
  5. Agudah
  6. Lee Walzer: Between Sodom and Eden. A gay journey through today's changing Israel, New York 2000, S.16
  7. BBC News: Israel's first gay MP enters parliament, 4. November 2002
  8. NZZ: Umstrittene Gay Pride Parade in Jerusalem, 8. November 2006
  9. http://www.tlvfest.com/en/
  10. http://www.gaycenter.org.il/eng_about.asp?lang=2
  11. Rechte von Homosexuellen in Israel (hrsg.v. Botschaft des Staates Israel, Berlin), S.3
  12. Artikel "UNO verurteilt Todesstrafe für Schwule nicht mehr"
  13. Artikel "Vatikan fürchtet homofreundliche UNO" zur UN-Erklärung: "Joint statement on ending acts of violence and related human rights violations based on sexual orientation and gender identity"
  14. Lee Walzer: Between Sodom and Eden. A gay journey through today's changing Israel, New York 2000, S.224
  15. LSVD: Liste der Legalität von Homosexualität nach Ländern
  16. globalgayz.com: Gay Travel and Culture
  17. agudah.israel-live.de: Flüchtlingsstatus. Schwul in Palästina
  18. haaretz.com: Israeelisches Gericht entscheidet: Wegen der Verfolgung in seiner Heimat darf ein Palästinenser in Israel bleiben
  19. Thorsten Schmitz, Allahs verlorene Söhne, Süddeutsche Zeitung vom 22. November 2006, S.11
  20. "to approve permanent resident status in Israel for the Gazan ... so that he could continue to live with his Jewish Israeli partner" (Lee Walzer: Between Sodom and Eden. A gay journey through today's changing Israel, New York 2000, S.237)
  21. Phu, Susan: Israel grants visa to gay Palestinian, Artikel vom 26. März 2008 in: Pinknews
  22. http://www.alqaws.org/q/

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