- Innenraumluft
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Innenraumluft ist begrifflich gleichzusetzen mit der Raumluft, also die Luft in Räumen innerhalb eines privaten Gebäudes (z. B. Wohnhäusern) oder öffentlichen Gebäudes (z. B. Bürogebäude, Krankenhäuser, Schulen) sowie das Innere von Kraftfahrzeugen und öffentlichen Verkehrsmitteln.
Mit der Umsetzung europäischer Richtlinien bezüglich Raumluftqualität in nationales Recht, wurde beim Gesetzgeber der internationale Begriff für Raumluft: indoor air unbedacht als Innenraumluft übersetzt. Die Begriff Innenraumluft erscheint deshalb nur in Verbindung mit der Raumluftqualität.
Inhaltsverzeichnis
Raumluftqualität
Da sich der Mensch privat und auch beruflich zu einem großen Teil in Räumen bzw. Verkehrsmitteln aufhält (ca. 90 % im Durchschnitt), ist die Qualität (die Reinheit) der Raumluft von wichtigerer, gesundheitlicher Bedeutung als die hier viel besser überwachte Aussenluft. Dieser Missstand wird teilweise ausgeglichen mit der EU Norm [EN 13779], welche zum 1. Oktober 2009 in Kraft trat, da diese zumindest für nicht Wohngebäude eine bestimmte Luftqualität vorschreibt.
Die Raumluft kann durch vielfältige Quellen mit Schadstoffen belastet sein, z. B.
- Acrolein aus Tabakrauch und durch Zersetzung von Fetten beim Kochen
- Acrylate aus Farbstoffen und Lacken
- Amine aus Lacken und Teppichböden
- Diisocyanate aus Lacken und Polyurethanschäumen
- Formaldehyd aus Spanplatten von Möbeln
- Lösemittel, wie Alkane, Testbenzin, Alkanole, Ketone oder Ester aus Reinigungsmitteln, Klebern, Farben und Lacken
- Halogenkohlenwasserstoffe aus Fleckentfernern, Abbeizmitteln
- Pflanzenschutzmittel (Pestizide) aus Teppichböden, Tapeten und landwirtschaftlicher Umgebung
- Holzschutzmittel aus behandelten Hölzern (z. B. Paneele oder Dachbalken), Zwischenständer und Spanplatten im Fertighausbau
- Terpene aus Holz und Reinigungsmitteln
- organische Stäube und Nanopartikel aus Druckern und Kopiergeräten
- PAK aus Asphaltestrichböden, Kaminfeuer und Tabakrauch
- PCP aus Holzschutzmitteln
- PCB aus Dichtungsmassen, Betonschalungen, Kondensatoren
- Radon aus dem Untergrund und Baumaterialien
- Asbest aus Feuerschutzbeschichtungen, alten PVC-Platten, Dichtungen, Elektrospeicheröfen etc.
- KMF aus Wärmedämmungen und Schallschutzeinrichtungen
- Phthalsäureester aus Fußbodenbelägen
- Styrol aus Lacken, Dämmstoffen
- Vinylchlorid aus PVC-Produkten
- Vinylacetat aus Fußbodenbelägen
- Weichmacher aus PVC-Produkten
- Schimmelpilzsporen und anderen Bestandteilen (Hyphenfragmente) u. a. von feuchten Wänden, Kellern und Trittschalldämmungen
- Bakterien, u. a. Actinomyceten,[1] ebenfalls von feuchten Wänden, Kellern etc.
und viele andere mehr.
Richtwerte für die Raumluftqualität
Während für Arbeitsplätze, an denen mit Gefahrstoffen umgegangen wird, Grenz- und Richtwerte nach den Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) gelten, trifft dies für Räume nicht zu. Die vom Arbeitsschutz her bekannte maximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK) wird nicht zur Bewertung der Raumluft herangezogen.
Für die Erarbeitung von Richtwerten für die Raumluftqualität in Deutschland wurde im Dezember 1993 eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe (Vertreter der der Innenraumlufthygiene-Kommission (IRK) des Umweltbundesamtes und der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Gesundheitsbehörden der Länder (AOLG)) ins Leben gerufen. Auf der Grundlage eines 1996 veröffentlichten Basisschemas werden für einzelne Stoffe Innenraumluft-Richtwerte erarbeitet, wobei zwei Richtwerte festgelegt werden:
Richtwert II (RW II) ist ein wirkungsbezogener, begründeter Wert, der sich auf die gegenwärtigen toxikologischen und epidemiologischen Kenntnisse zur Wirkungsschwelle eines Stoffes unter Einführung von Unsicherheitsfaktoren stützt. Er stellt die Konzentration eines Stoffes dar, bei deren Erreichen bzw. Überschreiten unverzüglich Handlungsbedarf besteht, da diese Konzentration geeignet ist, insbesondere für empfindliche Personen bei Daueraufenthalt in den Räumen eine gesundheitliche Gefährdung darzustellen. Je nach Wirkungsweise des betrachteten Stoffes kann der Richtwert II als Kurzzeitwert (RW II K) oder Langzeitwert (RW II L) definiert sein.
Richtwert I (RW I) ist die Konzentration eines Stoffes in der Raumluft, bei der im Rahmen einer Einzelstoffbetrachtung nach gegenwärtigem Erkenntnisstand auch bei lebenslanger Exposition keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erwarten sind. Eine Überschreitung ist mit einer über das übliche Maß hinausgehenden, hygienisch unerwünschten Belastung verbunden. Aus Vorsorgegründen besteht auch im Konzentrationsbereich zwischen RW I und RW II Handlungsbedarf. Der RW I wird vom RW II durch Einführen eines zusätzlichen Faktors (in der Regel 10) abgeleitet. Dieser Faktor ist eine Konvention. Der RW I kann als Sanierungszielwert dienen. Er soll nicht ausgeschöpft, sondern nach Möglichkeit unterschritten werden.
Österreich hat für Innenräume ein etwas anderes Bewertungskonzept publiziert. Es gibt pro Schadstoff nur einen Richtwert, den WIR (Wirkungsbezogener Innenraum Richtwert), der vom Arbeitskreis Innenraumluft am Umweltministerium gemeinsam mit der Akademie der Wissenschaften abgeleitet wird.
Tabelle 1: Beispiele für Richtwerte anorganischer und organischer Verbindungen in der Raumluft in Deutschland (Quelle: Umweltbundesamt Berlin) Verbindung Anorganisch Organisch Richtwert II
in µg/m³Richtwert I
in µg/m³Jahr der Festlegung Kohlenmonoxid X 60000 (1/2 h) 6000 (1/2 h) 1997 Stickstoffdioxid, NO2 X 350 (1/2 h) – 1997 Quecksilber X 0,35 0,035 2008 Toluol[2] X 3000 300 1996 Pentachlorphenol X 1 0,1 1997 Naphthalin X 20 2 2004 Analytik
Da die Stoffe in der Raumluft in der Regel nur in sehr geringer Konzentration vorliegen, müssen diese vor dem Nachweis erst angereichert werden. Früher wurde dazu ein definiertes Luftvolumen durch eine Gaswaschflasche mit einer Absorberflüssigkeit gepumpt. Heute werden die Stoffe in einem Sammler adsorbiert. Man unterscheidet hierbei zwischen einem Aktiv- und Passivsammler. Beim Passivsammler wird das Adsorptionsmaterial in den Raum platziert, wobei sich die Stoffe durch Diffusion über einen längeren Zeitraum anreichern. Beim Aktivsammler wird ein definiertes Luftvolumen (mehrere m³) durch das Adsorptionsmedium gepumpt. Vor der eigentlichen Detektion wird das Adsorptionsmaterial erhitzt, um die gesammelten Stoffe wieder frei zusetzen.
Der Nachweis der Stoffe erfolgt grundsätzlich mit den Methoden der Umweltanalytik, im Wesentlichen sind das spektroskopische Verfahren sowie die Gaschromatographie mit Massenspektrometrie-Kopplung. Zur Summenbestimmung der Kohlenwasserstoffe wird auch der Flammenionisationsdetektor (FID) verwendet.
Die Überwachung der Raumluft kann zudem mit Gassensoren erfolgen. Dies gilt insbesondere für Arbeitsstätten.
Zur Bewertung von Materialien bezüglich möglicher Emissionen wird das Prüfkammerverfahren eingesetzt. Die ersten Prüfkammern wurden Mitte der siebziger Jahre zur Bestimmung der Formaldehydemission von Holzwerkstoffen entwickelt.
Literatur
- Elke Roßkamp; Wolfgang Horn; Detlef Ullrich; Bernd Seifert: Aktuelle DDT- und Lindan-Konzentrationen in Wohnräumen nach intensivem Holzschutzmitteleinsatz auf Dachböden in der Vergangenheit. In: Umweltmedizin in Forschung und Praxis 4, Nr. 6, 1999, ISSN 1430-8681, S. 354–360.
- Hermann Fromme, Thomas Lahrz, Markus Piloty, Arno Oddoy: Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe in der Innenraumluft von Wohnungen, Kindergärten und Schulen. In: Umweltmedizin in Forschung und Praxis 10, Nr. 1, 2005, ISSN 1430-8681, S. 35–41.
- T. Salthammer: Luftverunreinigende organische Substanzen in Innenräumen, Chemie in unserer Zeit, 28. Jahrg. 1994, Nr.6, S. 280–290, ISSN 0009-2851.
- B. Seifert: Innenraumluft: woher, wohin? In: Gefahrstoffe, Reinhaltung der Luft 66, Nr. 3, 2006, ISSN 0949-8036, S. 73–78.
- Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft/Österr. Akademie der Wissenschaften: Richtlinie zur Bewertung der Innenraumluft.
- Reto Coutalides, Uwe Heinss, Philipp Thalmann: Ein neues Schweizer Label für die Zertifizierung des Innenraumklimas. In: Gefahrstoffe, Reinhaltung Luft 67, Nr. 3, 2007, ISSN 0949-8036, S. 63–69.
- Reinhard Keller, Klaus Senkpiel, Werner Butte: Schimmelpilze und deren Sekundärmetabolite (MVOC) in Luftproben unbelasteter Wohnungen. In: Gefahrstoffe, Reinhaltung Luft 67, Nr. 3, 2007, ISSN 0949-8036, S. 77–84.
- Heinz-Jörn Moriske, Michael Wensing: Untersuchungen zur raumlufthygienischen Situation in energietisch sanierten Altbauten und in einem Passivhaus. In: Gefahrstoffe, Reinhaltung Luft 67, Nr. 3, ISSN 0949-8036, 2007, S. 85–90.
- Roman Meininghaus, Rainer von Borstel, Stefan Carli, Henning Volkmar, Jörg Göldenitz: Luftqualität im Fahrzeuginnenraum: Feldstudien und Expositonsabschätzung. In: Gefahrstoffe, Reinhaltung Luft 67, Nr. 3, 2007, ISSN 0949-8036, S. 91–95.
- Thomas Gabrio, Gerhard Volland, Irma Baumeister, Josef Bendak, Annemarie Flicker-Klein, Monika Gickeleiter, Georg Kersting, Valentina Maisner, Iris Zöllner: Messung von Feinstäuben in Innenräumen. In: Gefahrstoffe, Reinhaltung Luft 67, Nr. 3, 2007, ISSN 0949-8036, S. 96–102.
- Nadja von Hahn: „Trockene Luft“ und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit – Ergebnisse einer Literaturstudie. In: Gefahrstoffe, Reinhaltung Luft 67, Nr. 3, 2007, ISSN 0949-8036, S. 103–107.
- Thomas Gabrio: Feinstaub in Bürogebäuden. In: Gefahrstoffe, Reinhaltung Luft 70, Nr. 3, 2010, ISSN 0949-8036, S. 63–69.
Weblinks
- Deutsche Kommission Innenraumlufthygiene (IRK)
- Wegweiser für eine gesunde Raumluft (PDF) Österreich
- Infoseite für Innenraumluftfragen in Österreich
Einzelnachweise
- ↑ Jenny Schäfer, Christoph Trautmann, Ingrid Dill, Guido Fischer, Thomas Gabrio, Ingrid Groth, Udo Jäckel, Wolfgang Lorenz, Karin Martin, Tinja Miljanic, Regine Szewzyk, Ursula Weidner, Peter Kämpfer: Vorkommen von Actinomyceten in Innenräumen. Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft 69(9), 2009, S. 335–341, ISSN 0949-8036
- ↑ Quelle für Toluol siehe innenraumanalytik.at (PDF)
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