Jahrhundertspiel

Jahrhundertspiel
Erinnerungstafel am Aztekenstadion

Als Jahrhundertspiel (italienisch: „Partita del secolo“) wird das Halbfinale der Fußball-Weltmeisterschaft 1970 in Mexiko bezeichnet (ausgetragen am 17. Juni 1970 im Aztekenstadion in Mexiko-Stadt), als der amtierende Europameister Italien gegen den Vizeweltmeister von 1966 Deutschland mit 4:3 nach Verlängerung gewann. Es gilt als eines der dramatischsten Spiele der Fußballgeschichte. Die deutschen Journalisten hatten wenige Tage vor diesem Spiel bereits den Viertelfinalsieg der deutschen Mannschaft gegen Weltmeister England, das Deutschland nach einem 0:2-Rückstand mit 3:2 in der Verlängerung gewonnen hatte, als Jahrhundertspiel bezeichnet. Sie mussten dies jedoch nach dem Italienspiel revidieren. Beide Spiele hatten großen Anteil daran, dass die WM von 1970 bis heute als fußballerisch bisher beste WM bezeichnet wird.

An das Jahrhundertspiel wird am Aztekenstadion in Mexiko-Stadt mit einer Erinnerungstafel erinnert, auf der zu lesen ist:

«El Estadio Azteca, Rinde Homenaje A Las Selecciones De: Italia (4) Y Alemania (3) Protagonistas En El Mundial De 1970, Del „Partido Del Siglo“ 17 De Junio De 1970»

„Das Azteken-Stadion erweist den Nationalmannschaften Italiens (4) und Deutschlands (3), Hauptdarstellern des „Jahrhundertspiels“ vom 17. Juni 1970 bei der Weltmeisterschaft 1970, die Ehre“

Ursprünglich war Mexiko-Stadt als Austragungsort des ersten Halbfinales angesetzt und Guadalajara für dieses Spiel. Nachdem die Paarungen feststanden, tauschte die FIFA die Austragungsorte. So trat Uruguay zu seinem Halbfinale nur unter Protest an, da vermutet wurde, dass das Spiel nach Guadalajara verlegt worden war, weil die Brasilianer ihre bisherigen Spiele dort ausgetragen hatten. Gemäß Artikel 26 der WM-Bestimmungen wurden die Halbfinal-Austragungsorte aber erst festgelegt, nachdem die Teilnehmer feststanden. Die Entscheidung wurde getroffen, um die Mannschaften so wenig wie möglich reisen zu lassen. [1][2]

Die Sympathien der mexikanischen Zuschauer lagen in beiden Spielen jeweils auf einer Seite: In Guadalajara wurden die Brasilianer unterstützt, in Mexiko-Stadt die Deutschen, da Italien zuvor den Gastgeber herausgeworfen hatte. Während jeder deutsche Spieler bei der Vorstellung vom Publikum mit Applaus bedacht wurde, begrüßten sie die italienischen Spieler mit wilden Pfeifkonzerten. [3]

Inhaltsverzeichnis

Spielverlauf

Die frühe italienische 1:0-Führung (8. Min.) durch Roberto Boninsegna konnte Karl-Heinz Schnellinger erst in der Nachspielzeit der 2. Halbzeit, kurz vor dem eigentlichen Schlusspfiff, ausgleichen. Den deutschen Fernsehkommentator Ernst Huberty verleitete das zu einem Kultausspruch („…ausgerechnet Schnellinger!“), da Schnellinger in Italien sein Geld als Profi beim AC Mailand (und davor bereits beim AS Rom und dem AC Mantova) verdiente und dies auch sein einziges Tor in 47 Länderspielen war.

Gerd Müller brachte dann das deutsche Team bereits in der 4. Minute der Verlängerung in Führung, die durch Tarcisio Burgnich 4 Minuten später egalisiert wurde. Eine Minute vor dem Seitenwechsel traf dann Luigi Riva zur 3:2-Führung für Italien. Gerd Müller glich zum 3:3 für die DFB-Auswahl aus, die zu diesem Zeitpunkt praktisch nur noch mit neun Feldspielern spielte, da Franz Beckenbauer mit Beginn der Verlängerung mit dem rechten Arm vor die Brust bandagiert spielte und kaum noch einsatzfähig war, nachdem er sich in der zweiten Halbzeit eine Schulterverletzung zugezogen hatte; das deutsche Auswechselkontingent war bereits ausgeschöpft. Der zur Halbzeit „turnusgemäß“ für Sandro Mazzola eingewechselte Gianni Rivera entschied dann das Spiel mit seinem Treffer – eine Minute nach dem deutschen Ausgleich – für Italien zum 4:3-Endstand.

Italien – Deutschland 4:3 n.V. (1:1, 1:0)

Italien Deutschland
Italien
Trikotfarben
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2. Halbfinale
17. Juni 1970, 16:00 in Mexiko-Stadt, (Aztekenstadion)
Zuschauer: 102.444
Schiedsrichter: Arturo Yamasaki (PeruPeru Peru)
Deutschland
Trikotfarben
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Trikotfarben
Enrico AlbertosiTarcisio Burgnich, Pierluigi Cera, Roberto Rosato (91. Fabrizio Poletti), Giacinto FacchettiMario Bertini, Sandro Mazzola (45. Gianni Rivera), Giancarlo De SistiAngelo Domenghini, Roberto Boninsegna, Luigi Riva
Trainer: Ferruccio Valcareggi
Sepp MaierBerti Vogts, Willi Schulz, Karl-Heinz Schnellinger, Bernd Patzke (63. Sigfried Held) – Uwe Seeler, Franz Beckenbauer, Wolfgang OverathJürgen Grabowski, Gerd Müller, Hennes Löhr (53. Reinhard Libuda)
Trainer: Helmut Schön
Tor 1:0 Boninsegna (8.)


Tor 2:2 Burgnich (98.)
Tor 3:2 Riva (104.)

Tor 4:3 Rivera (111.)

Tor 1:1 Schnellinger (90.)
Tor 1:2 Müller (94.)


Tor 3:3 Müller (110.)
Gelbe Karten Rosato, Domenghini, De Sisti Gelbe Karten Müller, Overath


Anmerkungen:

  • Der Schiedsrichter stammt ursprünglich aus Peru, war aber aktiv im mexikanischen Fußballverband. Daher gibt es in Fußballdatenbanken unterschiedliche Angaben über das Herkunftsland.
  • Die Zeitangaben für die Tore und Auswechslungen unterscheiden sich in verschiedenen Quellen, die hier genannten Zeiten entsprechen den Angaben der FIFA.[4]

Medien

Das Spiel wurde live von der ARD übertragen. Der Reporter für das Spiel war Ernst Huberty. Im Radio wurde das Spiel live von Oskar Klose und/oder Kurt Brumme kommentiert. Brumme, der eigentlich für seinen distanzierten Stil bekannt war, kommentierte die Versuche der italienischen Mannschaft, die 1:0-Führung durch Verzögerungen über die Zeit zu retten, sarkastisch: „Mein Gott, ist das ein Fußballspiel hier. Das ist ja entsetzlich, das ist ja widerlich. Burgnich ist soeben verstorben, sehe ich. Nein, da kommt er wieder“.[5]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. IX. Fußball Weltmeisterschaft Mexico 1970, Bertelsmann Sachbuchverlag 1970, Seite 190
  2. Süddeutsche Zeitung WM-Bibliothek 1970, Seite 94 (Hrsg. 2005)
  3. IX. Fußball Weltmeisterschaft Mexico 1970, Bertelsmann Sachbuchverlag 1970, Seite 180
  4. FIFA.com: Match Report:Italien - Bundesrepublik Deutschland 4:3 n.V. (1:1, 1:0)
  5. Hans Weymar: Italien-Deutschland WM 1970 – „Ausgerechnet Schnellinger“. Handelsblatt, 4. Juli 2006, abgerufen am 28. März 2009.

Weblinks


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