Johann Ferbach

Johann Ferbach

Johann Ferbach (* 9. August 1913 in Köln; † 21. Juni 1970 in Straubing) erlangte deutschlandweite Bekanntheit, als er gemeinsam mit Vera Brühne am 25. April 1962 angeklagt wurde, den Münchner Arzt Otto Praun und dessen Haushälterin Elfriede Kloo am 14. April 1960 in Pöcking am Starnberger See ermordet zu haben.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ferbach wuchs in Köln auf und lernte den Beruf des Büchsenmachers in der Werkzeugmaschinenfabrik von Hermann Kolb. Am 1. Januar 1939 wurde er zur Wehrmacht eingezogen. Im Jahr 1943 desertierte er von der Ostfront und arbeitete anschließend unter dem Namen Hans Spieß in Köln als Bauarbeiter. Für die Familie des Schauspielers Hans Cossy leitete Ferbach den Bau einer Behelfsschutzanlage auf einem von Cosiolkofsky gemieteten Grundstück. Im Herbst 1944 wurde das gemietete Haus durch Bombenwurf zerstört und die Behelfsschutzanlage verschüttet. Ferbach setzte durch, dass ein Zugang zur Behelfsschutzanlage freigelegt wurde, wodurch u.a. Vera Brühne und ihre Tochter Sylvia (1941–1990) gerettet wurden.[1] Die Familie Cossy zog nach Kriegsende nach München, während Ferbach in Köln eine Anstellung als Montageschlosser fand.

Ferbach war 1960 versicherungspflichtig beschäftigt und verwitwet. Am Mittwoch 13. April 1960 war er krankgeschrieben und erhielt eine Kontrolle von der zuständigen Krankenkasse.[2] Otto Praun hatte für die Chauffeuse in Vera Brühne einen VW Käfer gekauft, der durch Ferbach organisiert worden war.

Am 3. Oktober 1961 kam Vera Brühne aufgrund eines Haftbefehles vom 26. September 1961 in Untersuchungshaft. Am 12. Oktober 1961 wurde Ferbach in Köln verhaftet und kam nach Klingelpütz und später in die Justizvollzugsanstalt Neudeck in Untersuchungshaft. Am 28. November 1962 kam der Polizeispitzel und spätere Belastungszeuge Siegfried Schramm ebenfalls nach Neudeck.[2][3][4] In einem Zwischenbericht hatte das Gericht festgestellt, dass Ferbach als möglicher Täter nicht ausscheide, sondern vielmehr mit der Tat in einen zwanglosen Zusammenhang gebracht werde und sich durch verschiedene widersprüchliche Angaben verdächtig gemacht habe.

Am 25. April 1962 begann ein Schwurgerichtshauptverfahren beim Landgericht München II gegen Brühne und Ferbach. Sie wurden beschuldigt, den Arzt Otto Praun und dessen Haushälterin Elfriede Kloo am 14. April 1960 in Prauns Villa in Pöcking ermordet zu haben.[5] Am 4. Juni 1962, nach 22 Verhandlungstagen und 113 Zeugenaussagen, wurde das von sechs Geschworenen und drei Berufsrichtern gefällte Urteil verkündet: lebenslange Haftstrafe wegen gemeinschaftlichen Doppelmordes.

Johann Ferbach verstarb am 21. Juni 1970 in der Justizvollzugsanstalt Straubing an Herzversagen.

Sozietät Seidl Pelka

Als Walter Huppenkothen wegen der Morde an Canaris und Weiteren in Flossenbürg angeklagt wurde, bat er Josef Müller um Rechtsbeistand.[6] Huppenkothen wurde daraufhin im November 1952 erfolgreich von Alfred Seidl verteidigt. Die Kanzlei Seidl Pelka, Neuhauser Str. 7/III galt als erste Adresse für Menschen, welche sich wegen nationalsozialistischer Verbrechen zu verantworten hatten.

Zur Entlastung Huppenkothens führte Seidl an, die Widerstandskämpfer vom Schlage eines Canaris seien möglicherweise ein Grund für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gewesen; ihre Handlungsweise hätte die ehemaligen Gegner Deutschlands vielleicht erst zum Krieg ermuntert. Mit dieser Äußerung vertrat Seidl ganz allgemein die Meinung, die beiden Weltkriege seien Deutschland von Großbritannien aufgezwungen worden, und dafür hätten Millionen deutsche Soldaten ihr Leben lassen müssen. Am 23. November 1958 zog ebendieser Alfred Seidl für die CSU in den Landtag ein.

Im Spiegel wurde 1978, acht Jahre nach Ferbachs Tod, die Auffassung vertreten, Johann Ferbach wäre – wie Huppenkothen – nicht verurteilt worden, hätte sein Rechtsbeistand Seidl das Mandat nicht an seinen Sozietätskollegen Heinz Pelka und Referendar Martin Amelung abgegeben. Angeblich tat er dies „hauptsächlich aus finanziellen Gründen“.[7]

Drei Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens

Ein Revisionsantrag wurde am 4. Dezember 1962 vom Bundesgerichtshof abgelehnt und das Urteil damit rechtskräftig. Es wurden zwei Anträge zur Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten von Vera Brühne, und drei zugunsten von Johann Ferbach gestellt.

Josef Matzerath

Vor Oktober 1963 berichteten Revue und Neue Illustrierte über die Zeugen eines Wiederaufnahmeantrags durch Heinz Pelka. Matzerath erklärte in der Illustrierten, warum er sich nicht als Zeuge im Mordprozess gemeldet hatte. Mitte 1962 habe er wegen einer Gefängnisstrafe Antrag auf Bewährung gestellt. „Sie war noch nicht bewilligt. Ich fürchtete, daß man ablehnen würde, wenn ich dem Staatsanwalt in München die Tour verdarb.“ Matzerath berichtete 1962, dass er in der Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag 1960 Ferbach im Kölner Nachtlokal »Sevilla« getroffen und mit ihm über Frauen gesprochen hätte. Eine Aussage, die er nicht unter Eid wiederholen wollte.[8] Der Antrag auf Wiederaufnahme wurde von Richter Konrad Sattler 1964 abgelehnt. Sattler gab in den 1950ern wochenlang Seminare in Pullach über Verfassungsrecht.[9]

Hans Joachim Seidenschnur

Otto Praun soll nach Algerien gereist und für einen Waffenhändler gehalten worden sein.[10]

Roger Hentges

Roger Hentges gab im Herbst 1967 an, Otto Praun hätte am Gründonnerstag 14. April 1960 bei ihm in Frankfurt angerufen und Geld verlangt. Worauf sich umgehend Werner Repenning und ein Oberstleutnant Schröder gekümmert hätten. Den entsprechenden Antrag auf Wiederaufnahmeverfahren stellte Dr. Maximilian Girth (früher Regierungs- und Kriminalrat).

FN Browning 1906, Modell Baby

Die Tatwaffe im Doppelmord Elfriede Kloo, Otto Praun war eine Pistole Modell Baby. Ermittler Karl Rodatus erschoss am 20. April 1960, einen Tag nach dem Auffinden der beiden Leichen, mit der Tatwaffe den halbverhungert aufgefundenen Spaniel Pitty von Praun und vernichtete damit mögliche Spuren an der Waffe. Praun hatte zwei Pistolen dieses Modells.

Renate Meyer

Renate Meyer (* 15. Juli 1918 Königsberg; † 1. Februar 1969 München) war Sprechstundenhilfe bei Otto Praun bis zu dessen Tod. Gegenüber dem Würzburger Journalisten Hans-Dieter Orttner[2] (alias Peter Anders) räumte Frau Meyer eine Woche vor ihrem Tod ein, dass es sich bei einer Pistole, welche in der Praxis von Dr. Praun nicht mehr aufgefunden wurde, um eine FN Modell Baby gehandelt hat.[11] Eine Darstellung, welche Frau Meyer, eine der für die Urteilsfindung aussagekräftigsten Zeuginnen, als Mittäterin erscheinen ließ.

Reinhard Gehlen, Präsident des BND, ließ angeblich gegen Franz Josef Strauß wegen einer möglichen Verwicklung in die vorgeblichen Waffengeschäfte Prauns ermitteln.[12] Hierauf basierten die Wiederaufnahmeanträge Seidenschnurs und Hentges.

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Peter Anders: Tödliche Intrigen Der Fall Vera Brühne. Jasmin Eichner, Offenburg 1995, Seite 43
  2. a b c Die vielen Säulen des Richters Seibert. In: Der Spiegel. Nr. 15, 1970 (online).
  3. Siegfried Schramm, Generalvertreter des amerikanischen Flugautos „Flymobil U 18“. Das Flugmobil. In: Die Zeit, Nr. 21 /1962
  4. Siegfried Schramm (*1926, 1978 Fuhrunternehmer, Journalist, Gemeinderat von Huglfing) Des martert unsere bayerische Seele. In: Die Zeit, Nr. 10/1988
  5. Der Fall Vera Brühne. In: Die Zeit, Nr. 14/1964
  6. Karl-Hans Kern: Die Geheimnisse des Dr. Josef Müller, Mutmaßungen zu den Morden von Flossenbürg (1945) und Pöcking (1960). Frieling, 2000
  7. Freie Wildbahn. In: Der Spiegel. Nr. 15, 1978 (online).
  8. Wieder aktiv. In: Der Spiegel. Nr. 9, 1964 (online).
  9. Das Geheimnis von Pöcking. In: Der Spiegel. Nr. 20, 2001 (online).
  10. Ein Mann mit Namen Seidenschnur. In: Die Zeit, Nr. 40/1965
  11. Peter Anders: Tödliche Intrigen Der Fall Vera Brühne. Jasmin Eichner, Offenburg 1995, Seite 156
  12. Was Gehlen verschwieg. In: Die Zeit, Nr. 42/1971

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