Josef Müller (Bayern)

Josef Müller (Bayern)
Josef Müller, 1937

Josef Müller (* 27. März 1898 in Steinwiesen (Oberfranken); † 12. September 1979 in München; genannt Ochsensepp) war in der Weimarer Republik Abgeordneter der Bayerischen Volkspartei und nach 1945 der erste Vorsitzende der CSU.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Müller war Sohn eines Bauern. Er besuchte das Knabenseminar Ottonianum in Bamberg, leistete seit 1916 Kriegsdienst bei den Minenwerfern, war an der Westfront im Einsatz und wurde 1919 als Vizefeldwebel entlassen. Nach dem Krieg holte er das Abitur nach, studierte Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft in München, promovierte 1925 zum Dr. oec. publ. und war seit 1927 Rechtsanwalt in München. Seit seiner Studentenzeit war er Mitglied der Katholischen Studentenverbindungen Ottonia München und Isaria Freising im KV.

In den 1960er Jahren gehörte die Apparatebau Gauting GmbH zu zehn Prozent ihrem Direktor Rudolf Höfling, zu 90 Prozent Müller und dessen Tochter Christine-Marianne.[1]

Zeit des Nationalsozialismus

Während der Zeit des Nationalsozialismus gehörte Josef Müller dem katholischen Widerstand an und verteidigte als Rechtsanwalt NS-Gegner vor Gericht. Als Widerständskämpfer hatte er Kontakte zu Admiral Canaris, von Dohnanyi und General Oster. Seit 1939, zuletzt im Rang eines Hauptmanns,[2] leitete Müller die Außenstelle AST Luft im Wehrkreis VII der Abwehrabteilung des Oberkommandos der Wehrmacht. Er versuchte im Auftrag von Canaris 1939/40 im Vatikan einen Verständigungsfrieden mit England herbeizuführen für den Fall des Sturzes Hitlers. Diese überaus gefährlichen Geheimkontakte Josef Müllers liefen in Rom über Professor Robert Leiber, einen engen Vertrauten Pius XII. In des Professors Privaträumen an der Gregoriana - Piazza della Pilotta 4 - fanden stets die konspirativen Gespräche statt. Dabei gingen Müller und Leiber immer höchst vorsichtig zu Werke. Sobald Müller in Rom ankam, habe er sich telephonisch, ohne Namensnennung, mit: "Ich bin da" gemeldet, worauf Leiber lediglich die Uhrzeit des Treffens zur Antwort gab. Von Pater Leiber aus führte der Kontakt direkt zum Papst und über diesen zu dem britischen Botschafter beim Heiligen Stuhl, Sir Francis d'Arcy Osborne.[3]

Er wurde 1943 von der Gestapo verhaftet. Aus dem Berliner Gestapo-Gefängnis kam er zunächst in das Konzentrationslager Buchenwald. Am 3. April wurde er gemeinsam mit anderen Häftlingen, mit denen er im Buchenwalder Kellerbunker eingesessen hatte, nach Flossenbürg verbracht: Ludwig Gehre, Franz-Maria Liedig, Alexander von Falkenhausen, Friedrich von Rabenau, Hermann Pünder, Fliegeroffizier Wassili Kokorin (dem Neffen Molotows), Hugh M. Falconer (Squadron Leader Royal Air Force), Payne Best und Dietrich Bonhoeffer.

Als Müller und Liedig aus dem Wagen herausgerufen wurden, folgte ihnen Müllers Zellennachbar Gehre. Doch während dieser und Bonhoeffer im KZ Flossenbürg sowie etliche andere Mitkämpfer an anderen Orten hingerichtet wurden, überlebten Liedig und Müller. Müller kam in das KZ Dachau, wo seine Sekretärin Anna Haaser schon wusste, dass er überlebt hatte. Im April 1945 gehörte Müller zu einer Gruppe von über hundertdreißig Sonder- und Sippenhäftlinge aus dem KZ Dachau, welche nach Südtirol als Geiseln verbracht wurden.[4]

Nach 1945

Josef Müller (rechts) 1948 auf der Rittersturz-Konferenz, links: Hermann Lüdemann

Nach dem Krieg begründete er mit dem Unterfranken Adam Stegerwald die CSU in Bayern. Er sprach sich für die Gründung einer liberalen und christlichen Partei aus, die, wie die CDU in den anderen deutschen Ländern und im Gegensatz zur Zentrumspartei und Bayerischen Volkspartei, nicht nur katholische Christen ansprechen sollte.

Müller war 1946 bis 1949 Vorsitzender der Christlich Sozialen Union (CSU), Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung Bayern, bis 1962 Mitglied des bayerischen Landtags, 1947 bis 1952 bayerischer Justizminister und 1947 bis 1950 stellvertretender Ministerpräsident in Bayern.

In seiner Eigenschaft als bayerischer Justizminister setzte er sich in der Wiedergutmachungsdebatte gegen die im Entwurf des alliierten Entschädigungsgesetzes vorgesehene "zivilrechtliche Wiedergutmachungspflicht" ein, nach welcher nicht nur der Staat, sondern auch die individuellen Profiteure von "Arisierungen" sowie Denunzianten u.a. zu Entschädigungsleistungen hätten herangezogen werden können. Müller hatte selbst als Rechtsanwalt an "Arisierungen" im Dritten Reich mitgewirkt.[5]

1951 wurde Josef Müller verdächtigt, von einer jüdischen Wiedergutmachungsinstitution Geld erhalten zu haben. Müller gab daraufhin zu, im ersten Halbjahr 1950 vom Landesrabbiner Aaron Ohrenstein DM 20 000 bekommen zu haben. Da er einem im Sommer 1952 tagenden Landtags-Untersuchungsausschuss nicht die Verwendung des Geldes belegen konnte, musste er sein Amt als Justizminister aufgeben.[6][7][8]

Auszeichnungen

1959 Bayerischer Verdienstorden

Schriften

  • Bis zur letzten Konsequenz. Ein Leben für Frieden und Freiheit; München: Süddeutscher Verlag, 1975; ISBN 3-7991-5813-8

Sonstiges

  • Den Beinamen Ochsensepp trug Müller seit der Schulzeit, als er in den Ferien als Fuhrknecht arbeitete.

Literatur

  • Franz Menges: Müller, Joseph. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 18, Duncker & Humblot, Berlin 1997, S. 430–432.
  • Karl-Hans Kern: Die Geheimnisse des Dr. Josef Müller. Mutmaßungen zu den Morden von Flossenbürg (1945) und Pöcking (1960). Frieling Verlag: Berlin 2000. ISBN 3-8280-1230-2
  • Zum 100. Geburtstag. Josef Müller. Der erste Vorsitzende der CSU. Politik für eine neue Zeit. Hrsg. von der Hanns-Seidel-Stiftung, München 1998
  • K. Köhler: Der Mittwochskreis beim Ochsensepp in Bayern 1945 - Demokratischer Neubeginn, herausgegeben von M. Schröder (1985)
  • F. Menges in Staatslexikon III (1987) unter Josef Müller
  • F.W. Hettler: Josef Müller - Mann des Widerstandes und erster CSU-Vorsitzender (1991)
  • W. Stump in Biographisches Lexikon des KV Band 2 Seite 94 f (1993) ISBN 3-923621-98-1
  • K.-U. Gelberg: Josef Müller (1898-1979). In: Zeitgeschichte in Lebensbildern. Aus dem deutschen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts. Bd. 8. Hg. von Jürgen Aretz, Rudolf Morsey und Anton Rauscher. Mainz 1997, S. 155-172.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Gladiotoren im Netz. In: Der Spiegel. Nr. 25, 1966 (13. Juni 1966, online).
  2. Zuerst ins Kraut schießen. In: Der Spiegel. Nr. 27, 1952 (16. Januar 1952, online).
  3. Wir werden am Galgen enden Bericht in DER SPIEGEL 20/1969 vom 12. Mai 1969
  4. Peter Koblank: Die Befreiung der Sonder- und Sippenhäftlinge in Südtirol
  5. Goschler, Constantin: "Schuld und Schulden", Die Politik der Wiedergutmachung für NS-Verfolgte seit 1945, Seite 90f., Wallstein Verlag, Göttingen 2005
  6. Lehm in Töpfers Hand. In: Der Spiegel. Nr. 27, 1952 (2. Juli 1952, online).
  7. Schafkopfen lernen. In: Der Spiegel. Nr. 48, 1970 (23. November 1970, online).
  8. Ralf Zerback: "CSU: Solche Drecksgeschichten". DIE ZEIT, 20. Juni 2002, abgerufen am 15. November 2009.

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