Walter Huppenkothen

Walter Huppenkothen

Walter Huppenkothen (* 31. Dezember 1907 in Haan im Rheinland; † 1979 in Lübeck) war ein deutscher Jurist, SS-Standartenführer im Reichssicherheitshauptamt und NS-Verbrecher.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Walter Huppenkothen war ein Einzelkind in der Familie eines Werkmeisters. Er besuchte das Realgymnasium in Opladen. Im Anschluss studierte er an den Universitäten Köln und Düsseldorf Rechts- und Staatswissenschaft. 1931 bestand er die erste juristische Staatsprüfung, am 7. November 1934 auch die Große Juristische Staatsprüfung.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten trat Huppenkothen auf eine allgemeine Aufforderung des Oberlandesgerichtspräsidenten von Düsseldorf zum 1. Mai 1933 der NSDAP und gleichzeitig der Allgemeinen SS bei. Er fand keine Anstellung im Staatsdienst und bewarb sich beim SD-Oberabschnitt West in Düsseldorf. Von Januar bis November 1935 war er dort als Referent für Presse und kulturelle Angelegenheiten sowie für Sonderaufträge tätig. Im Herbst 1935 wurde er – zunächst probeweise – von der Gestapo übernommen. Ende 1936 wurde er zum Regierungsassessor ernannt und als stellvertretender Leiter der Gestapo nach Königsberg versetzt. Ende 1937 war er bereits Leiter der Stapostelle Lüneburg. Von dort kam Walter Huppenkothen im Herbst 1939 nach Polen in den Stab der Einsatzgruppe I unter Bruno Streckenbach.

Er wurde Verbindungsführer der Einsatzgruppe I der Sicherheitspolizei zur 14. Armee. Als in den besetzten Gebieten im Herbst 1939 die Zivilverwaltung eingerichtet wurde, kam er als Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD (KdS) nach Krakau, dann im Februar 1940 nach Lublin, wo er zuerst als Leiter der Gestapo und dann als KdS tätig war. Er war führend verantwortlich für riesige Zwangsarbeitsmaßnahmen (die SS plante in dieser Region einen gigantischen „Ostwall“) und für die Ghettoisierung der Lubliner Juden.

Anfang Juli 1941 wurde Huppenkothen zum Reichssicherheitshauptamt (RSHA) in Berlin versetzt. Dort leitete er als Oberregierungsrat und SS-Sturmbannführer die Gruppe E (Polizeiliche Spionageabwehr) des Amtes IV (Gegnererforschung und -bekämpfung).

1942 heiratete Walter Huppenkothen; aus der Ehe mit seiner Frau Erika ging ein Sohn hervor.

Als im Zusammenhang mit der Übernahme der Aufgaben des im Frühjahr 1944 aufgelösten, bis dahin von Admiral Wilhelm Canaris geleiteten Amtes Ausland-Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht (OKW) das Amt IV des Reichssicherheitshauptamtes umorganisiert wurde, erhielt Huppenkothen, unter Beibehaltung des wesentlichen Teils seiner Aufgaben, daraus eine Abteilung. Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 wurde er Mitglied einer Sonderkommission.[1] In seiner Personalakte sind seine „besondere[n] Verdienste“ bei der „Bereinigung des Personenkreises anlässlich des 20. Juli 1944“ hervorgehoben. Im Herbst 1944 wurde Huppenkothen zum Regierungsdirektor befördert; er erhielt außerdem den Angleichungsdienstrang eines SS-Standartenführers.

Anfang April 1945 erhielt Huppenkothen den Auftrag, zunächst in einem Standgerichtsverfahren gegen den Reichsgerichtsrat Hans von Dohnanyi im KZ Sachsenhausen die Anklage zu vertreten. Die von Huppenkothen beantragte Todesstrafe wurde verhängt und alsbald vollstreckt. Gleich anschließend wurde Huppenkothen ins KZ Flossenbürg entsandt, wo er gegen Generalmajor Hans Oster, Generaladmiral Wilhelm Canaris, Generalstabsrichter Dr. Karl Sack, Hauptmann Ludwig Gehre und Pastor Dietrich Bonhoeffer ebenfalls die Anklage zu vertreten hatte. Auch hier wurde die von ihm beantragte Todesstrafe ausgesprochen; die Verurteilten wurden gehängt.

Nach Kriegsende

Nach der Kapitulation geriet Walter Huppenkothen in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Seine Kenntnisse über das Reichssicherheitshauptamt und über die von ihm angestellten Ermittlungen dienten sodann den Untersuchungsbehörden der amerikanischen Besatzungstruppen. Er war vom Sommer 1945 bis zum 27. Januar 1949 interniert.

Am 1. Dezember 1949 wurde Huppenkothen festgenommen; gegen ihn und andere Beteiligte, u. a. den SS-Richter Otto Thorbeck, wurde wegen der Ermordung Dohnanyis, Osters und der übrigen KZ-Häftlinge kurz vor Kriegsende ermittelt. Huppenkothen und andere wurden wegen Beihilfe zum Mord angeklagt. Huppenkothen wurde von Alfred Seidl verteidigt.

In dem Verfahren urteilte der Bundesgerichtshof: „In einem Kampf um Sein oder Nichtsein sind bei allen Völkern von jeher strenge Gesetze zum Staatsschutz erlassen worden“. Einem Richter könne „angesichts seiner Unterworfenheit unter die damaligen Gesetze“ kein Vorwurf daraus gemacht werden, wenn er „glaubte“, Widerstandskämpfer „zum Tode verurteilen zu müssen“.[2]

Für Huppenkothen blieb es dennoch bei einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren, weil er die Bestätigung der Urteile vor der Vollstreckung nicht abgewartet habe. Mit seinem Urteil wandte sich der Bundesgerichtshof ausdrücklich von der „Radbruchschen Formel“ ab, nach der das positive Recht nicht anzuwenden ist, wenn es in so unerträglichem Maße der Gerechtigkeit widerspricht, „daß das Gesetz als unrichtiges Recht der Gerechtigkeit zu weichen hat“. Der Präsident des Bundesgerichtshofs, Günter Hirsch, bezeichnete 2002 diese Entscheidung in einer Rede zum 100. Geburtstag von Hans von Dohnanyi als „Schlag ins Gesicht“.

Walter Huppenkothen erhielt schon vor seiner Festnahme Ende 1949 und dann wieder nach Teilverbüßung seiner Strafe (1959) von dem FDP-Abgeordneten und Rechtsanwalt Ernst Achenbach eine Tätigkeit als Wirtschaftsjurist vermittelt. Er lebte in Mülheim/Ruhr und später in Köln.

1961 musste Huppenkothen auf Verlangen des israelischen Gerichts im Eichmann-Prozess über Zuständigkeiten und Verfahren im Reichssicherheitshauptamt aussagen. 1969 unterstützte er Werner Best in dessen Ermittlungsverfahren.

Walter Huppenkothen starb 1979 in Lübeck.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 276.
  2. Henryk M. Broder: Knechte des Gesetzes. Wie der Rechtsstaat seine Richter fand. In: Der Spiegel 20/1999, S. 126 (Fassungen im Online-Archiv)

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