Johann Friedrich Blumenbach

Johann Friedrich Blumenbach
Johann Friedrich Blumenbach. Gezeichnet von Hugo Bürkner

Johann Friedrich Blumenbach (* 11. Mai 1752 in Gotha; † 22. Januar 1840 in Göttingen) war ein deutscher Zoologe und Anthropologe.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Johann Friedrich Blumenbach
Johann Friedrich Blumenbach, Bleistiftzeichnung von Ludwig Emil Grimm
Blumenbachs Grab auf dem Göttinger Albani-Friedhof

Johann Friedrich Blumenbach wurde als Sohn des Gothaer Gymnasialprofessors Heinrich Blumenbach (1707–1787) im Haus Fritzelsgasse 1 in Gotha geboren. Nach dem Gymnasium Ernestinum studierte er ab 1769 Medizin an der Universität Jena bei Carl Friedrich Kaltschmied und nach dessen Tod bei Johann Ernst Neubauer (1742–1777). 1772 setzte er sein Studium an der Universität Göttingen fort und wurde 1775 mit der Arbeit De generis humani varietate nativa (deutsch: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte) promoviert. 1776 wurde er außerordentlicher Professor der Medizin und Inspektor der Naturaliensammlung in Göttingen, 1778 ordentlicher Professor.

Er war als Student und als Professor Mitglied eines Studentenordens, des in Göttingen für kurze Zeit sehr einflussreichen ZN-Ordens, und noch 1784 dessen Senior.[1]

Fast 60 Jahre hindurch hielt er seine von Zuhörern aller Nationen besuchten Vorlesungen über Naturgeschichte, vergleichende Anatomie, Physiologie und Geschichte der Medizin und wurde als der Magister Germaniae von den Freunden der Naturkunde gefeiert. Er trat 1835 in den Ruhestand und starb 1840. Seine letzte Ruhestätte fand Blumenbach auf dem Albani-Friedhof in Göttingen.

Wirken

Blumenbach gilt als wesentlicher Begründer der Zoologie und der Anthropologie als wissenschaftliche Disziplinen.[2] Er betätigte sich vor allem auf dem Gebiet der Vergleichenden Anatomie. Sein „Handbuch der vergleichenden Anatomie und Physiologie“ (Göttingen 1804, 3. Auflage 1824) wurde in fast alle Sprachen Europas übersetzt.

Außerdem war er einer der bedeutendsten Kritiker des damals herrschenden Glaubens an die Urzeugung und der Präformationslehre und vertrat stattdessen die Theorie der Epigenese.[3] Unter anderem aufgrund von Beobachtungen der Entwicklung des bebrüteten Hühnereies und des menschlichen Embryos (wobei er sich auf die Untersuchung von Fehlgeburten stützte) zeigte er auf (wie vor ihm schon Caspar Friedrich Wolff), dass die Nachkommen der Tiere und Menschen nicht bereits von Anfang an im Keim vorgebildet (präformiert) sind und nur noch wachsen müssen, sondern dass ihre Gestalt sich erst allmählich ausbildet (Epigenese).

Einflussreich war er auch als Vertreter des Vitalismus, indem er postulierte, dass alle Lebewesen über einen „Bildungstrieb“ (Nisus formativus) verfügen, der sie von unbelebten Körpern unterscheide und ihre Entwicklung und Fortpflanzung bewirke.[4]

In seiner Schrift De Generis Humanis Varietate Nativa (1775) beschrieb Blumenbach im Anschluss an Carl von Linné und zeitgleich mit Immanuel Kants Schrift Von den verschiedenen Racen der Menschen vier „Varietäten“ des Menschen. Im Gegensatz zu der bald an Popularität gewinnenden Ansicht, dass jede Rasse separat entstanden sei, nahm er einen einheitlichen Ursprung der Menschheit aus einer „Gattung“ an. Als Hauptargument dafür brachte er vor, dass alle Eigenschaften der Varietäten graduelle Übergänge aufwiesen und dass es unmöglich sei, feste Grenzen zu ziehen.

In massiver Form wandte sich Blumenbach gegen seinen Frankfurter Fachkollegen Samuel Thomas von Soemmerring, der nach der Obduktion von mehreren Afrikanerleichen glaubte sagen zu dürfen, dass die Schwarzen eine den Europäern unterlegene Menschenart darstellten. Auch den rassistischen Thesen seines Göttinger Kollegen Christoph Meiners, der offen für die Beibehaltung der Sklaverei eintrat und dafür Rassenunterschiede als Rechtfertigung bemühte, trat Blumenbach entgegen. Sein Interesse an Afrika ging über die reine Anthropologie hinaus. Er arbeitete eng mit britischen Forschern wie Sir Joseph Banks zusammen und vermittelte junge Afrikaforscher wie Friedrich Konrad Hornemann und Johann Ludwig Burckhardt an die African Association, die sich die Erforschung Schwarzafrikas zur Aufgabe gemacht hatte.

In seiner Systematik bildet die weiße oder kaukasische die Stamm- oder Mittelrasse, der als Extreme einerseits die äthiopische, andererseits die mongolische gegenüberstehen. Um die jeweiligen Übergänge definieren zu können, fügt er der bis dahin geltenden Vierteilung eine fünfte Rasse, die malaische, hinzu. Blumenbachs Wahl der kaukasischen Rasse als Stammrasse basierte dabei einzig auf ästhetischen Empfindungen.

Er war als Paläontologe der Erstbeschreiber des Wollhaarmammuts und des Wollnashorns (1799).

Zu seinen Schülern gehörte unter anderem Alexander von Humboldt.

Ehrungen

Zu Lebzeiten

Posthum

  • 1858 wurden in seiner Geburtsstadt Gotha die ersten Straßen nach Persönlichkeiten der Stadt benannt. Das Brettergässchen zwischen der Greten- und Fritzelsgasse wurde in Blumenbachsgässchen umbenannt. 1914 wurde dieses unter Hinzunahme der benachbarten Brandgasse und durch Schaffung eines Durchbruchs zur jetzigen Bertha-von-Suttner-Straße zur Blumenbachstraße erweitert.
  • 1874 wurde eine Gedenktafel an seinem Göttinger Wohnhaus in der Neustadt 12 angebracht.[6]
  • 1878 wurde in Gotha im Park vor Schloss Friedenstein ein Gedenkstein mit einem Portraitrelief Blumenbachs von Friedrich Drake aufgestellt.
  • Am 22. Januar 1940, dem 100. Todestag von Blumenbach, wurde die vom Gothaer Bildhauer Victor Embser (1879–1950) geschaffene Gedenktafel am Geburtshaus Blumenbachs enthüllt. Dadurch blieb dieses Haus bei dem Flächenabriss der westlichen Altstadt stehen.[7]
  • Blumenbachstraße in Göttingen
  • Blumenbachweg in Berlin-Marzahn, nach 1925 benannt[8]
  • Johann-Friedrich-Blumenbach Institut für Zoologie und Anthropologie an der Georg-August-Universität Göttingen

Schriften (Auswahl)

Ein umfassende Bibliographie findet sich in: Frank P. W. Dougherty: Bibliographie der Werke und Schriften von Johann Friedrich Blumenbach nebst ihren Übersetzungen und Digitalisierungen. Hrsg. Norbert Klatt, Göttingen 2009 (Kleine Beiträge zur Blumenbach-Forschung 2) (PDF)

  • De generis humani varietate nativa. 1. Auflage, Friedrich Andreas Rosenbusch, Göttingen 1775. – Dissertation
    • Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Nach der dritten Ausgabe und den Erinnerungen des Verfassers übersetzt, und mit einigen Zusätzen und erläuternden Anmerkungen herausgegeben von Johann Gottfried Gruber. Breitkopf und Härtel, Leipzig 1798, (online).
  • Handbuch der Naturgeschichte. 1. Auflage, 2 Teile, Johann Christian Dieterich, Göttingen 1779–1780, (online).
  • Über den Bildungstrieb und das Zeugungsgeschäfte. 1. Auflage, Johann Christian Dieterich, Göttingen 1781, (online).
  • Medicinische Bibliothek. 3 Bände, Göttingen 1783–1795
  • Introductio in historiam medicinae litterariam. Johann Christian Dieterich, Göttingen 1786, (online).
  • Geschichte und Beschreibung der Knochen des menschlichen Körpers. 1. Auflage, Johann Christian Dieterich, Göttingen 1786; 2. Erweiterte Auflage, Heinrich Dieterich, Göttingen 1807, (online).
  • Institutiones physiologicae. 1. Auflage, Johann Christian Dieterich, Göttingen 1787, (online).
    • Anfangsgründe der Physiologie. Aus dem Lateinischen übersetzt, und mit Zusätzen vermehrt von Joseph Eyerel. Christian Friedrich Wappler, Wien 1789, (online).
  • Beyträge zur Naturgeschichte. 2 Bände, 1790–1811
    • 1. Teil, 1. Auflage, Johann Christian Dieterich, Göttingen 1790, (online).
    • 1. Teil, 2. Auflage, Heinrich Dieterich, Göttingen 1806, (online).
    • 2. Teil, Heinrich Dieterich, Göttingen 1811, (online).
  • Handbuch der vergleichenden Anatomie. Heinrich Dieterich, Göttingen 1805, (online) (Digitalisate und elektronischer Volltext im Deutschen Textarchiv).

Literatur

Biographische Notizen

Briefe

  • Frank William Peter Dougherty (Hrsg.): The Correspondence of Johann Friedrich Blumenbach. Revised, Augmented and Edited by Norbert Klatt, Göttingen 2006–2010. - Wird fortgesetzt.

Zur Rezeption

  • Norbert Klatt: Lehrer und Schüler. Zum frühen Verhältnis von Johann Friedrich Blumenbach und Alexander von Humboldt. In: Norbert Klatt: Kleine Beiträge zur Blumenbach-Forschung. Göttingen 2008, S. 9–36.
  • Claudia Kroke: Johann Friedrich Blumenbach. Bibliografie seiner Schriften, Unter Mitarbeit von Wolfgang Böker und Reimer Eck. Göttingen 2010. (= Schriften zur Göttinger Universitätsgeschichte, Band 2).
  • Gundolf Krüger: Johann Friedrich Blumenbach, England und die frühe Göttinger Völkerkunde. In: Elmar Mittler (Hrsg.): Eine Welt allein ist nicht genug. Großbritannien,Hannover und Göttingen 1714-1837. Katalog zur Ausstellung in der Paulinerkirche 20. März-20. Mai 2005, Göttingen 2005, ISBN 3-930457-75-X, S. 202–220.
  • Hans Plischke: Johann Friedrich Blumenbachs Einfluss auf die Entdeckungsreisenden seiner Zeit. Göttingen 1937.

Weblinks

 Commons: Johann Friedrich Blumenbach – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Wikisource: Johann Friedrich Blumenbach – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Walter Richter: Der Esperance- und ZN-Orden. In: Einst und Jetzt. Jahrbuch 1974 des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung. S. 30–54
  2. Ilse Jahn, Rolf Löther, Konrad Senglaub (Hrsg.): Geschichte der Biologie, Jena 1985, S. 637
  3. Jahn & al., S. 248
  4. Jahn & al., S. 248f
  5. Kaspar Friedrich Gottschalck: Almanach der Ritter-Orden, Band 3, Goeschen, 1819, S. 247
  6. Walter Nissen: Göttinger Gedenktafeln. Göttingen 1962, S. 29.
  7. Allgemeiner Anzeiger Ausgabe Gotha vom 28. Januar 2009, S. 21
  8. Zur Geschichte des Blumenbachwegs bei Kauperts.de; abgerufen am 7. Februar 2011

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