Johann Heinrich von Geymüller

Johann Heinrich von Geymüller

Auf den Namen Geymüller stößt man in Österreich immer wieder im Zuge von Kultur- oder Industriehistorischen Betrachtungen. Es handelt sich dabei um eine Familie, die erstmals 1581 in Turckheim im Elsaß genannt wird. Mitglieder der Familie emigrieren im Jahre 1613 während der Religionskriege nach Basel, wo sie als Ratsherren erwähnt werden.

Johann Heinrich Geymüller und Johann Jakob Geymüller

Nachdem die beiden Brüder sehr viel Gemeinsamkeiten hatten, sollen sie auch hier gemeinsam erwähnt werden. Die beiden waren Johann Heinrich Geymüller (* 17. Mai 1754 in Basel (Schweiz); † 1. April 1824 in Wien) und Johann Jakob Geymüller (* 6. September 1760 in Basel; † 10. Mai 1834. Johann Heinrich trat gemeinsam mit seinem Bruder Johann Jakob in Wien in ein Bankhaus des Schweizers Ochs ein. Nach dessen Tod führten sie das Bankhaus unter dem Namen Geymüller & Co seit dem Jahr 1805 weiter. Dieses Bankhaus brachte unter anderem den Betrag 32 Millionen Francs auf, die Napoléon nach der französischen Besetzung Wiens 1806 als Kontribution verlangte.

Die Geymüllers gehörten zu den Pionieren der Wiener Zweiten Gesellschaft in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Außer dem Bankhaus besaßen sie weitere Besitzungen in Niederösterreich und Wien auch in Böhmen. So besaß Johann Jakob das Geymüllerschlössel in Pötzleinsdorf, das damals noch nicht zu Wien gehörte. Johann Heinrich besaß das Schloss Pötzleinsdorf. In der Wiener Wallnerstraße besaßen die Brüder, die im Jahr 1810 geadelt wurden[1], ebenfalls ein Palais, das Palais Caprara-Geymüller. Diese Palais stellte einen der Mittelpunkte des gesellschaftlichen Lebens im Wien des Vormärz dar.[2] So lernte Franz Grillparzer seine ewige Braut Kathi Fröhlich kennen, deren Schwester Musiklehrerin der Töchter der Geymüllers war.[3]

Ein weiteres Schloss war in Böhmen das Schloss in Kamnitz. Dort richtete Johann Heinrich eine Bibliothek ein. Diese wurde unter einem Nachfahren Rudolf von Geymüller (* 24. Februar 1848 in Wien; † 14. Jänner 1923 in Hollenburg) und eine weiteres Mal von seinem Sohn Georg (* 1. Dezember 1891 in Hollenburg;† 16. April 1962 in Nußdorf ob der Traisen) erweitert. Sie ist heute in Verwaltung des Prager Nationalmuseums.[4]

Die größere Bekanntheit der beiden Brüder erreichte Johann Heinrich, der als Mitbegründer der Nationalbank gilt. Im Jahr 1817 wurde er zuerst Mitglied des ersten Direktoriums und kurz darauf Vizegouverneur der Nationalbank.[5] Verheiratet war Johann Heinrich mit Barbara Schmid, mit der er acht Töchter und zwei Söhne hatte.[6] Ihm zu Ehren wurde auch 1894 die Geymüllergasse in Wien benannt.

Johann Heinrich von Geymüller der Jüngere

Die Brüder Johann Heinrich und Johann Jakob hatten noch eine Schwester, Ursula von Geymüller (* 6. Oktober 1758 in Basel; † 27. Mai 1844 in Basel), die mit Peter Falkner verheiratet war. Sie hatte mit Falkner einen Sohn, der wie sein Onkel, Johann Heinrich von Geymüller (* 12. April 1781 in Basel; † 19. Jänner 1848 in Basel) hieß. Er wird deshalb oft als Johann Heinrich von Geymüller der Jüngere oder Johann Heinrich von Geymüller-Falkner nach seinem Vater benannt.

Johann Heinrich von Geymüller-Falkner war auch Besitzer des Schlosses Vöslau, das er von Georg Simon von Sina kaufte. Im Jahr 1833 gründete er mit den beiden Partnern Carl Deahna und Emil Rhode die Vöslauer Kammgarnfabrik.

1841 „fallierte“ das Bankhaus Geymüller, das heißt, es ging (trotz der Rettungsbemühungen des Staatskanzlers Metternich) in Konkurs. Geymüller musste Wien verlassen und soll als Kommis, also als einfacher Handelsangestellter, in Basel verstorben sein. Dass er das Vorbild für Ferdinand Raimunds Drama „Der Verschwender“ abgegeben haben soll, wurde gelegentlich behauptet, ist aber nicht nachweisbar und nach herrschender Meinung unrichtig.

Heinrich von Geymüller

Sein Sohn Heinrich Adolf von Geymüller (* 12. Mai 1839 in Wien; † 19. September 1909 in Baden-Baden) wurde als Kunst- und Architekturhistoriker bekannt. Mit neun Jahren Halbwaise geworden, studierte er in Lausanne, an der École Centrale in Paris und an der Berliner Bauakademie. Bereits seine Dissertation von 1868 beschäftigte sich mit St. Peter in Rom. Geymüller arbeitete später bei der Fertigstellung der Fassade des Mailänder Doms und bei der Restaurierung der Kathedrale von Lausanne mit und beschäftigte sich zeitlebens mit der Baugeschichte des Petersdoms, und dabei auch mit der Rolle Bramantes. Weitere Monographien widmete er den Architekten Fra Giocondo, Raffael und Brunelleschi sowie der Familie Du Cerceau. Er publizierte als einer der ersten Quellen zu den Thermenbauwerken Roms. Aufmerksamkeit als kulturgeschichtliche Quelle verdient auch sein Briefwechsel mit Jakob Burckhardt. Geymüller publizierte auf Deutsch, Italienisch und Französisch, und legte mit seinem umfangreichen wissenschaftlichen Oeuvre das Fundament zur modernen Bauforschung.

In der Auseinandersetzung um einen möglichen Wiederaufbau des Heidelberger Schlosses wandte sich Geymüller mit Georg Dehio gegen einen Wiederaufbau. Heinrich von Geymüller nahm als Vertreter der Schweiz am ersten internationalen Denkmalpflegekongress im Jahr 1889 teil.[7] Er starb 1909 im Alter von 70 Jahren in Baden-Baden.

Werke

  • Bramante-Studien, Wien 1915.
  • Briefwechsel mit Jakob Burckhardt, München, 1914.
  • Architektur und Religion - Gedanken über religiöse Wirkung der Architektur, Basel 1911
  • Die Architektur der Renaissance ... Registerband 1909
  • Friedrich II. von Hohenstaufen und die Anfänge der Architektur der Renaissance in Italien, München 1908
  • Die Architektur der Renaissance ... / Bd. 8 / Michelangelo Buonarotti, 1904
  • Handbuch der Architektur / Teil 2, Bd. 6, H. 2 / Struktive und ästhetische Stilrichtungen. Kirchliche Baukunst, 1901
  • Handbuch der Architektur / Teil 2, Bd. 6, H. 1 / Historische Darstellung der Entwickelung des Baustils, 1898
  • Die Architektur der Renaissance ... / Bd. 11 / Allgemeines, Illustrazione storica : Gebäudeteile, Ornamente und Sgraffiti, Gesamtüberblick und Schlußwort, 1890-1908
  • Die Architektur der Renaissance ... / Bd. 4 / Desiderio da Settignano, Giuliano da Maiano, Benedetto da Maiano, Mino, Andrea Sansovino, Il Cronaca, mit Carl von Stegmann, 1890-1906
  • Die Architektur der Renaissance ... / Bd. 6 / Andrea Bregno, Giudoccio di Andrea, Meister in Siena, Francesco di Giorgio Martini, Meister in Lucca, Vitoni, Portigiani, mit Carl von Stegmann, 1889-1907
  • Les Du Cerceau leur vie et leur œuvre, Paris [u.a.] 1887
  • Die Architektur der Renaissance ... / Bd. 10 / Allgemeines, Illustrazione storica : Einleitung, Material und Arbeit des Bauens, Handzeichnungen und Modelle, Kirchen, Paläste, Höfe, Loggien, Villen, mit Carl von Stegmann, 1885-1908
  • Die Architektur der Renaissance ... / Bd. 9 / Dosio, Tasso, Cristofanello, Vasari, Ammannati, mit Carl von Stegmann, 1885-1904
  • Die Architektur der Renaissance ... / Bd. 7 / Raffaello, Antonio di Sangallo der Jüngere, Baccio d'Agnolo, Rovezzano, Giuliano di Baccio d'Adnolo, Bandinelli, Peruzzi, Vignola, Folfi, mit Carl von Stegmann, 1885-1908
  • Die Architektur der Renaissance ... / Bd. 5 / Leonardo da Vinci - Giuliano da Sangallo - Antonio da Sangallo der Ältere, mit Carl von Stegmann, 1885-1908
  • Die Architektur der Renaissance ... / Bd. 3 / Leon Battista Alberti, Bernardo und Antonio Rosselino, mit Carl von Stegmann, 1885-1907
  • Die Architektur der Renaissance ... / Bd. 2 / Michelozzo di Bartolommeo, Donatello, Verrocchio, Jacopo della Quercia, Die della Robbia, Cavalcanti, mit Carl von Stegmann, 1885-1907
  • Die Architektur der Renaissance ... / Bd. 1 / Filippo di Ser Brunellesco, mit Carl von Stegmann, 1885-1893
  • Die Architektur der Renaissance in Toscana - dargestellt in den hervorragendsten Kirchen, Palästen, Villen und Monumenten, mit Carl von Stegmann, München 1885
  • Raffaello Sanzio studiato come architetto con l'ajuto di nuovi documenti, Milano 1884
  • Documents inédits sur les thermes d'Agrippa, le Parthénon et les thermes de Dioclétien, Lausanne 1883
  • Cento disegni di architettura d'ornato e di figure di Frà Giovanni Giocondo, Firenze [u.a.] 1882
  • Les projets primitifs pour la Basilique de Saint-Pierre de Rome, par Bramante, Raphael Sanzio, Fra Giocondo, Paris 1875
  • Die ursprünglichen Entwürfe für Sanct Peter in Rom von Bramante, Raphael Santi, Fra Giocondo, den Sangallos̓ u. a. m. : nebst zahlreichen Ergänzungen, und einem Texte, Wien 1875
  • Notizen über die Entwürfe zu St. Peter in Rom, auf bis jetzt unbekannten Quellen, Karlsruhe 1868

Literatur

  • Österreichisches Biographisches Lexikon 1815 - 1950Bd. 1 A- GLä Graz-KÖln 1957 S 435fE
  • Günther Chaloupek, Peter Eigner, Michael Wagner: Wien: Wirtschaftsgeschichte, 1740-1938, Wien, 1991 S 931 , ISBN 3224160519.
  • Egon Scheffer: Das Bankwesen in Österreich, Wien, Burgverlag, 1924, S 87f

Einzelnachweise

  1. Adels Lexikon abgerufen am 8. März 2009
  2. Felix Czeike:Kunst, Kultur und Geschichte der Donaumetropole Seite 150
  3. Jugenderinnerungen der Schwester Konrad Mautners, Käthy Breuer abgerufen am 9. März 2009
  4. Handbuch deutscher historischer Buchbestände in Europa Seite 94, Münster 1997 abgerufen am 10. März 2009
  5. ÖBL 2, 1954, Seite 436
  6. Genealogische Daten abgerufen am 9. März 2009
  7. Ein Rotes Kreuz für Kulturdenkmäler NZZ-Online vom 30. Juni 2003 abgerufen am 10. März 2009

Weblinks


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