Joseph Freiherr von Sonnenfels

Joseph Freiherr von Sonnenfels
Joseph von Sonnenfels
Titelseite des ersten Bandes der Wochenzeitschrift Der Mann ohne Vorurtheil (1765)
Denkmal am Rathausplatz in Wien

Joseph Freiherr von Sonnenfels (* 1732/1733 in Nikolsburg, Mähren; † 25. April 1817 in Wien) war ein österreichischer Schriftsteller der Aufklärung und des Josefinismus, Verwaltungsreformer und Professor der Politischen Wissenschaften.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Josephs von Sonnenfels’ Vater Lipman Perlin (1705–1768), ein Sohn des Landesrabbiners von Brandenburg, war zunächst als Übersetzer und Lehrer orientalischer Sprachen in Nikolsburg tätig gewesen. 1734 ging er nach Wien und konvertierte im folgenden Jahr mit seinen drei Söhnen zum Katholizismus. Er nahm den Namen Alois Wienner an und wurde 1746 zum Freiherrn von Sonnenfels geadelt.

Joseph von Sonnenfels lernte bei seinem Vater Hebräisch und besuchte dann die Schule der Piaristen in seiner Geburtsstadt, zunächst mit der Absicht, Geistlicher zu werden. Später entschied er sich für eine Laufbahn als Soldat und diente 1749 bis 1754 im Deutschmeisterregiment in Klagenfurt und Wien. Nach seiner Entlassung studierte er von 1754 bis 1756 in Wien Rechtswissenschaften und arbeitete als Gehilfe beim Grafen Hartig, Hofrat der Obersten Justizstelle.

Gleichzeitig unternahm Sonnenfels erste literarische Versuche und machte sich zunächst (vergebliche) Hoffnungen auf eine Professorenstelle für Deutsche Literatur an der Universität Wien. 1763 zum Professor für „Polizey- und Kameralwissenschaft“ der Universität Wien berufen, entfaltete Sonnenfels eine reiche publizistische Tätigkeit im Sinne der Aufklärung, die zum Teil auch literarische Belange berührte. So schrieb der junge Gelehrte Wochenblätter (Der Mann ohne Vorurtheil, 1765-1767) und versuchte, durch seine Briefe über die wienerische Schaubühne (Wien 1768, 4 Bände) zur Reform des Wiener Theaterlebens beizutragen, dessen künstlerischen und moralischen Zustand (Dominanz der Stegreifkomödie in Form der zotigen Hanswurstiade) er als verkommen kritisierte. Auf den Bühnen wurde er dafür verspottet. Auch wenn die kaiserliche Thaeterzensur von 1790 maßgeblich politische Gründe hatte, trug Sonnenfels’ Kritik mit zu ihrer Einführung bei.

Verdienstvoller und erfolgreicher zeigte sich Sonnenfels in seinen Beiträgen zur Justiz- und Verwaltungsreform. Nachdem er sich in seiner Schrift Über Abschaffung der Tortur (Zürich 1775) entschieden gegen die Folter ausgesprochen hatte, wurde diese mit Anfang Januar 1776 in ganz Österreich tatsächlich abgeschafft - eine Pioniertat für Europa. Im gleichen Jahr 1776 reformierte Sonnenfels als Direktor der Illuminationsanstalt die öffentliche Beleuchtung der Stadt Wien mit Öllampen. Später wurde er von Kaiserin Maria Theresia zum Rat, 1779 zum Wirklichen Hofrat bei der Geheimen böhmischen und österreichischen Hofkanzlei und zum Beisitzer der Studien- und Zensurkommission sowie 1810 zum Präsidenten der K. k. Akademie der bildenden Künste ernannt.

Sonnenfels war Mitglied der Freimaurerlogen Balduin in Leipzig und später Zur wahren Eintracht in Wien. 1784 wurde er Großmeister der Distriktloge Zur wohltätigen Eintracht. Auch war er Mitglied der Wiener Illuminaten um Ignaz von Born und gilt als deren Wiener Oberhaupt. Zu seinen bedeutendsten Bekannten zählte Ludwig van Beethoven, der Sonnenfels seine Klaviersonate in D-Dur op. 28 widmete, die 1802 im Druck erschien.

Zu seinem Gedenken wurde auf der Elisabethbrücke in Wien eine Statue von Hanns Gasser errichtet, die nach dem Abbruch der Brücke auf dem Rathausplatz aufgestellt wurde. Während der Nazizeit wurde sie wegen Sonnenfels' jüdischer Herkunft entfernt. Weiters ist eine Gasse im 1. Wiener Bezirk nach ihm benannt sowie ein Platz im Grazer Bezirk Geidorf.

Verhältnis zum Dialekt

Joseph von Sonnnfels war ein vehementer Verfechter der neuen hochdeutschen Schriftsprache, wie sie von Gottsched 1748 etabliert worden war, und verurteilte den Gebrauch des Dialekts sowohl im offiziellen wie auch im privaten Bereich. So beanstandete er etwa im Jahr 1784 in Bezug auf die Wiener, dass „die best gekleidete Dame der höheren Gesellschaft so pöbelhaft rede wie ihre Küchenmagd“.

Erst im Jahre 1774 war in den österreichischen Kronländern nach einem heftigen Gelehrtenstreit, an dem unter anderem Johann Christoph Gottsched auf der einen Seite und Johann Balthasar Antesperg sowie Johann Sigismund Popowitsch auf der anderen Seite teilgenommen hatten, mit der Allgemeinen Schulpflicht die politische Entscheidung zur Einführung des eher preußischen Gottsched’schen Hochdeutsch gefallen. Antesperg und Popowitsch hatten dabei nicht nur praktische, sondern auch aufklärerische Argumente vorgebracht − etwa, dass die Schriftsprache so nah wie möglich an der gesprochenen Sprache liegen sollte, um einen besseren Zugang zu Bildung zu gewährleisten. Von Seiten der Jesuiten war davor sogar noch der Versuch unternommen worden eine südliche deutsche Schreibsprache zu etablieren, die aber als katholisches Jesuitendeutsch von den protestantischen Ländern abgelehnt wurde. Dies dürfte auch der Grund gewesen sein, warum sich Maria Theresia am Ende doch gegen die „Kayserliche Grammatik“ des Hauslehrers ihres Sohnes, Johann Balthasar Antesperg, und für den Vorschlag Gottscheds entschieden hat. [1] Im Jahre 1780 wurde unter Kaiser Joseph II. das Gottsched’sche Deutsch schließlich auch in der öffentlichen Verwaltung als verbindliche Norm eingeführt.

Damit war aber entgegen dem aufklärerischen Prinzip das Lesen und Schreiben und damit die Bildung den Menschen so nah wie möglich zu bringen, zumindest für Österreich und Bayern gegenüber einem politischen Argument aufgegeben worden. Insofern lassen sich die aufklärerischen Motive Joseph von Sonnenfels’ in diesem Zusammenhang anzweifeln, denn aus seiner Heimatstadt Nikolsburg muss er den „gemeinen österreichischen Jargon“ bestens verstanden haben, sowohl den bairischen Dialekt Niederösterreichs sowie das Jiddische. Auch mit seinem Eintreten gegen das Stegreiftheater wirkte er dabei mit, diese hauptsächlich auf Dialekt basierende Kunstform zu unterbinden.

Im Gegensatz zu Gottsched befürwortete Sonnenfels jedoch eine pragmatischere und weniger puristische Vorgehensweise und hat dadurch gewisse Grundsteine für eine eigenständige österreichische Beamten- und Verwaltungssprache gesetzt, die einige Elemente aus dem Vokabular und der Grammatik der in Österreich gesprochenen bairischen Dialekte aufnahm. Andererseits war gerade dieses „verösterreichischte“ Deutsch wieder ein sprachpolitisches Instrument, das später auch nicht-deutschsprachigen Untertanen des Habsburger Reiches aufgedrängt wurde und so zu Spannungen führte. [2]

Verhältnis zum Judentum

Joseph von Sonnenfels entstammte einer mährisch-jüdischen Familie. Sein Vater hatte noch zeitweise in der jüdischen Gemeinde von Eisenstadt gelebt, bevor er 1735 mit seinen drei Söhnen zum Katholizismus konvertierte, und 1746 als Freiherr von Sonnenfels geadelt wurde.

Dadurch fühlte sich Joseph von Sonnenfels schon von familiärer Seite weder den jüdischen Traditionen noch der Jiddischen Sprache verbunden, wie er sie vielleicht als Kind noch im mährischen Nikolsburg erlebt haben könnte. Die mährischen und böhmischen Juden hingegen hielten auch während der Kriege Maria Theresias gegen Preußen Kontakt zu ihren Glaubensbrüdern im preußischen Königreich, so etwa zu Moses Mendelssohn, was sie in Wien zu verdächtigen Untertanen werden ließ. Im Zuge einer weiteren militärischen Auseinandersetzung marschierten 1774 preußische Truppen in Böhmen ein und belagerten Prag. Die böhmischen Juden gerieten darauf hin in Verdacht, mit den Preußen zu konspirieren, und wurden deshalb von Maria Theresia aus Böhmen vertrieben. 1778 wurde diese Maßnahme auf Drängen ihrer Berater zurück genommen, vor allem weil dadurch die Steuereinnahmen zurück gegangen waren. Ob und inwieweit Joseph von Sonnenfels einer dieser Berater gewesen ist, ist jedoch nicht bekannt. [3]

Als Freimaurer und Universitätslehrer und mit seinen Entwürfen zur Staatsreform hat Joseph von Sonnenfels zweifelsfrei zur Emanzipation der österreichischen Juden beigetragen. Dennoch waren die Juden weder unter Maria Theresia noch unter Joseph II. den anderen Untertanen gleichgestellt. Manche Historiker nennen die österreichische Aufklärung gar schulmeisterlich und ganz und gar nicht libertär, sondern von einem durchorganisierten Polizeiapparat vorangetrieben. Dass Sonnenfels die „Staatspolizey“ zum obersten Kontrollorgan im Staate erhob und dies nicht erst unter Metternich geschah, wird sowohl in der Sichtweise der jüdischen Nachwelt als auch von aufklärerischen Kreisen als dunkler Fleck seiner Biographie gesehen. Einer seiner kammeralistischen Grundsätze war auch ganz im Sinn des Absolutismus: Polizey, Handlung und Finanzwissenschaft.

Schüler

  • Josef Ignác Buček, tschechischer Universitätsprofessor sowie Autor volkswirtschaftlicher Werke

Werke

  • Gesammelte Schriften. 10 Bände. Wien: Baumeister 1783-1787.
  • Briefe über die Wienerische Schaubühne. (Entstanden 1767-1769.) Hrsg. von Hilde Haider-Pregler. Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt 1988. (= Nachdruck der Ausgabe Wien: Konesen 1884.)
  • Ueber den Geschäftsstil. Die ersten Grundlinien für angehende oesterreichische Kanzleybeamten (Wien, 1784). Ab 1787 zweite stark überarbeitete Auflage.
  • Versuch über die Grundsätze des Stils in privat- und öffentlichen Geschäften 2 Bde. (Wien: Gerold 1781)
  • Grundsätze der Polizey, Handlung und Finanz - Zu dem Leitfaden des politischen Studiums, 3 Teile, 1769-76
  • Gesammelte Schriften, von Joseph Sonnenfels, Band 10, 1787,

Literatur

  • Alfred von Arneth: Beaumarchais und Sonnenfels. Wien : W. Braumüller, 1868.
  • Heinrich Eduard Jacob: Beaumarchais und Sonnenfels. Schauspiel in vier Akten. München: Georg Müller Verlag, 1919.
  • Heikki E. S. Mattila: Comparative Legal Linguistics (Kapitel: Characteristics of Legal German, S. 173-179); Ashgate Publishing Ltd. (2006), ISBN 0-7546-4874-5,
  • Peter von Polenz: Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart (Band II: 17. und 18. Jahrhundert, Kapitel: Deutsch in der Zeit des Absolutismus, S. 135ff); Berlin, New York: de Gruyter (1994), ISBN 3-11-013436-5,
  • Peter Wiesinger: Apekte einer österreichischen Sprachgeschichte der Neutzeit; in: Sprachgeschichte - Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung; von Werner Besch (Hsg.), Berlin, New York: de Gruyter, 2003, S. 2971ff, ISBN 3-11-015883-3,

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Peter von Polenz: Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart; Band II 17. und 18. Jahrhundert; de Gruyter Studienbuch, S. 172 ff; vgl. [1]
  2. Peter Stachel: Ein Staat, der an einem Sprachenfehler zu Grunde ging, Seite 10, vorletzer Absatz
  3. Franz Krahberger: Loews Statuten - Demokratie im Randomverfahren; Juden im Spannungsfeld von Tradition und Demokratie, von Aufklärung und Vernichtung

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