- KHM 65
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Allerleirauh ist ein Märchen (Typ 510b nach Aarne und Thompson). Es ist in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm seit der Erstauflage von 1812 an Stelle 65 enthalten (KHM 65). Die französische Fassung, Peau d'Âne (Eselfell) von Charles Perrault erschien zuerst 1694 und dann erneut in der Sammlung Contes de ma mère l'Oye im Jahr 1697.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt und Würdigung
In Allerleirauh geht es um die Tochter eines Königs, dessen schöne Frau stirbt und ihm auf dem Sterbebett das Versprechen abnimmt, nur dann wieder zu heiraten, wenn jene Frau mindestens ebenso schön sei wie sie selbst und ebensolche goldenen Haare habe. Als sich eine solche Schönheit nicht findet, erkennt der König eines Tages, dass seine Tochter ebenso schön ist wie die verstorbene Gattin und begehrt sie zur neuen Ehefrau.
Die Räte des Reiches sind über diesen inzestuösen Wunsch entsetzt, und die Tochter versucht, ihren Vater mit ›unmöglichen‹ Forderungen von seinem Ansinnen abzubringen. Sie verlangt drei Kleider, wovon eins »so silbern wie der Mond«, eins »so golden wie die Sonne« und eins »so glänzend wie die Sterne« sein soll; ferner »einen Mantel von tausenderlei Pelz- und Rauhwerk zusammengesetzt«. Als der Vater diese Forderungen unerwartet erfüllt, entflieht die Tochter und nimmt ihre Kleider, die in eine Nussschale passen, samt einem goldenen Ring, einer goldenen Spindel und einer goldenen Haspel mit. Dann rußt sie sich Gesicht und Hände und hält sich in einem hohlem Baum im Wald versteckt, wo sie schließlich Jäger des benachbarten Königs (ihres Verlobten) aufgreifen.
Das von den Jägern wegen seiner pelzigen Kleidung »Allerleirauh« genannte Mädchen gibt sich nicht zu erkennen und arbeitet, den Märchen Aschenputtel oder Frau Holle ähnlich, unerkannt in der Küche des Königs. Als er ein Fest feiert, zieht sie erst ihr Sonnenkleid an, dann ihr Mondkleid und beim drittenmal ihr Sternenkleid, und der König tanzt nur mit ihr. Mit einer List entlarvt der König das Mädchen Allerleirauh, das auch selbst entdeckt werden will, indem sie Ring, Spindel und Haspel in die Suppe des Königs gibt, die sie ihm kocht. Zuletzt wird »das Rauhtierchen« Königin.
Während der dem Mädchen angetragene Inzest allerlei Deutungsversuche erfahren hat, die mal die ödipale Situation (auch: Elektrakomplex), dann wieder das Ausreißen des Mädchens feministisch oder emanzipatorisch als Widerstand und Stärke hervor hoben, folgt die Anlage des Märchens vom Ende her betrachtet dem Muster der selbsterrungenen Erhöhung nach einer Demütigung, das viele Märchen zum Thema Flucht oder Verschleppung kennen.
Literatur
- Grimm, Brüder. Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. S. 127-128, 471-472. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart 1994. (Reclam-Verlag; ISBN 3-15-003193-1)
- Kast, Verena: Familienkonflikte im Märchen. Eine psychologische Deutung. München 1988. S. 15-34. (dtv; ISBN 3-530-42102-2)
- Lenz, Friedel: Bildsprache der Märchen. 8. Auflage. S. 160-170. Stuttgart, 1997. (Verlag Freies Geistesleben und Urachhaus GmbH; ISBN 3-87838-148-4)
Weblinks
- Allerleirauh im Projekt Gutenberg-DE
- Märchenlexikon.de zu Allerleirauh AaTh 510B
- Allerleirauh lesen und hören im Projekt Märchenbasar
- Allerleirauh als mp3-Hörbuch auf LibriVox
Siehe auch
- Allerleirauh (Verein)
- Gurimu Meisaku Gekijō, japanische Zeichentrickserie 1987, Folge 35: Allerleirauh
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